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Neue Dynamik an der Donau

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Bis 1992 wird die Donau durch den Main-Donau-Kanal mit der dichtest befahrenen Wasserstraße der Welt, dem Rhein, verbunden sein. Die 677 Kilometer lange Main-Donau-Wasserstraße von Aschaffenburg bis Passau/Engel-hartszell, welche der Rhein-Main-Donau AG für den Ausbau überantwortet wurde, ist zu 93

Prozent fertiggestellt. 1992 entsteht sodann eine 3.500 Kilometer lange Transversale von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer, welche die Rheinregion als eines der dichtest besiedelten und höchstindustrialisierten Gebiete Europas mit dem Donauraum beziehungsweise einer Region verbindet, die sich zu drei Viertel erst seit wenigen Jahrzehnten in einem weitgreifenden Umwandlungsprozeß von einer einst landwirtschaftlich dominierten zu einer immer mehr industriell geprägten Wirtschaftsstruktur befindet.

Die Größenordnungen zwischen Rheinregion und Donauraum sind unterschiedlich. Das Einzugsgebiet der Donau umfaßt mit 817.000 Quadratkilometer etwa ein Zwölftel des Kontinents und ist viermal so groß wie jenes des Rheins. Während jedoch auf dem Rhein jährlich 275 bis 280 Millionen Tonnen (1986: 286) befördert werden, sind es auf der Donau pro Jahr etwa 85 bis 90 Millionen Tonnen (1986: 91,5).

Nichtsdestoweniger beträgt der Gesamtverkehr auf der Donau heute mehr als das Siebenfache der Zwischenkriegszeit. Auf dem Rhein hat er sich in diesem Zeitraum nur mehr etwa verdreifacht.

Der Verbindung zwischen den beiden großen Stromgebieten wird in mancher Hinsicht die Funktion eines Kommunikationsgefäßes zukommen. Zu bedenken ist, daß nicht nur die beiden großen Stromsysteme zueinander in unmittelbaren Kontakt kommen, sondern auch die beiden großen europäischen Wirtschaftsblöcke einander näher gebracht werden. Der EG-Raum umfaßt ein Gebiet von 2,25 Millionen Quadratkilometer mit mehr als 320 Millionen Einwohnern und ist am Welthandel zu mehr als einem Drittel beteiligt. Die sieben europäischen Länder des COME-CON umfassen flächenmäßig 6,56 Millionen Quadratkilometer, bilden einen Markt von zirka 350 Millionen Menschen und nehmen am Welthandel nur zu einem Zehntel Anteil.

Das Volumen des Welthandels hat in den letzten zwei Jährzehnten pro Jahr durchschnittlich um vier bis fünf Prozent zugenommen und sich insgesamt nahezu verdreifacht. Der innereuropäische Außenhandel ist wertmäßig auf rund das Siebenfache angestiegen. Bis zur Jahrtausendwende ist tonnagemäßig mit einer Verdoppelung des Welthandelsvolumens zu rechnen sowie einer entsprechenden Expansion auch des innereuropäischen Warenverkehrs.

An dieser Entwicklung wird der Verkehrsträger Binnenschiffahrt und damit auch die Wasserstraße Donau in wachsendem Umfang Anteil nehmen, zumal die Binnenschiffahrt ihre perzentuelle

Kontakt zum Ostblock

Anteilsquote im Verkehrsgeschehen nicht nur halten, sondern auch wieder Stückgut, das seinerzeit auf die Schiene, insbesondere aber auf die Straße abgewandert ist, im Rahmen des kombinierten Verkehrs auf das Wasser zurückgewinnen konnte.

Österreich ist ja wirtschaftlich und geographisch zuvorderst ein Donauland. 97 Prozent des Staatsgebietes gehören zum Einzugsgebiet des Stromes. Im engeren Sinne wirtschaftlich und siedlungsmäßig zum Donaubereich zählen die Bundeshauptstadt Wien sowie die Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich. Sie umfassen mit etwa 20.000 Quadrat-küometern 23 Prozent des Bundesgebietes, jedoch 57 Prozent der Bevölkerung und 67 Prozent der industriellen Kapazität Gesamtösterreichs sowie zwei Drittel der Exportkraft.

Einerseits ist dies bewirkt durch die Dynamik der Donau als Verkehrsweg und der damit verbundenen Projekte eines europäischen Wasserstraßensystems, hierbei insbesondere der Rhein-Main-Donau-Verbindung. Andererseits vor allem dadurch, daß sich im Einzugsbereich des Stromes die wichtigsten europäischen Fernverbindungen des Uberlandverkehrs beziehungsweise der Schiene und der Straße überschneiden und ein Kreuzungsfeld von Ost-West- beziehungsweise Nord-Süd-Verbindungen von kontinentaler Reichweite bilden.

Hierdurch ist nicht zuletzt der gesamtösterreichische Industrieindex gegenüber der Vorkriegszeit auf mehr als das Siebenfache angestiegen, in dem der Donau wirtschaftlich am stärksten verbundenen Donauland Oberösterreich sogar auf das 18fache. Vor allem bewirkt durch diese Entwicklung in Oberösterreich ist der Uberseehandel Österreichs auf rund das fünffache Volumen der Vorkriegszeit angewachsen, einschließlich der Rohrleitungstransporte auf mehr als das Zwölffache. Der österreichische Donauumschlag liegt heute bei rund dem Fünffachen der Zwischenkriegszeit.

Obwohl Oberösterreich flächenmäßig nicht einmal ein Achtzigstel des Donauraumes umfaßt und lediglich mit einem Sechzehntel am schiffbaren Stromverlauf beteiligt ist, nimmt die Wirtschaft des Landes heute zu einem Fünftel am internationalen Güterverkehr auf der Donau Anteil und repräsentiert die Landeshauptstadt und ihr Wirtschaftsbereich die stärkste Umschlagskonzentration am gesamten Oberlauf der Donau.

Landesregierung, Handelskammer und Landeshauptstadt setzten sich bereits in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht nur mit Erfolg für den wirtschaftlichen Wiederaufbau initiativ ein, sondern sie waren im Zusammenhang mit allen anderen kompetenten Stellen auch um die Schaffung jener Hafen- und Umschlagseinrichtungen bemüht, die dem expandierenden Außenhandelsvolumen an und auf der Donau entsprachen sowie darüber hinaus auf die Zukunftserfordernisse des Europaverkehrs über die Rhein-Main-Donau-Transversale abgestimmt worden sind. Nicht von ungefähr ist somit Oberösterreich das stärkste Ballungsfeld sowohl des Donauverkehrs wie auch des Güterverkehrs auf der Schiene, ebenso aber auch des gewerblichen Straßengütertransports.

Wichtigster Partner

Das Bundesland ist mit etwa einem Fünftel an der Wertschöpfung der gesamtösterreichischen Wirtschaft im Vergleich zu seiner flächenmäßigen Größe und Bevölkerungszahl überproportional beteiligt. Eine wesentliche Komponente ist hierbei die Industrie mit mehr als 20 Prozent Produktionsanteil am österreichischen Gesamtvolumen und mehr als einem Viertel am Export. Der Wirtschaftsbereich der oberösterreichischen Landeshauptstadt mit ihrer Schwer- und Großindustrie nimmt mit derzeit rund 4,8 bis fünf Millionen Tonnen Jahresumschlag an der Donau hinsichtlich der Verladung von Industrierohstoffen und Außenhandelsgütern nach den Mündungshäfen Reni, Ismail und Galatz die viertgrößte Rangordnung am gesamten schiffbaren Stromverlauf ein.

Oberösterreich wird im Rahmen der künftigen Rhein-Main-Donau-Transporte, mit deren Einsetzen ab 1992 gerechnet werden kann, zum wichtigsten Partner des internationalen Verkehrs an der oberen Donau werden. Von den 3,5 bis fünf Millionen Tonnen, die nach kurzer Anlaufzeit über die Main-Donau-Schifffahrtsstraße nach und von Österreich transportiert werden, ist ein Oberösterreich-Anteil von etwa 80 Prozent zu erwarten. Es wird aber nicht allein um die Schiffahrtstransporte an sich gehen, sondern nicht minder auch um die Standortverbesserung für bestehende und neue Erzeugungsstätten. Die Anlagen der Schiffswerft Linz, des Handelshafens und des Werkshafens der Schwerindustrie, wo derzeit etwa 85 Prozent des Donauumschlages erfolgen, sind für die Erfordernisse des kontinentalen Verkehrs ausgerüstet.

Das neu geschaffene Kombiverkehrszentrum mit dem Containerterminal im Handelshafen der SBL wird zunehmend in Anspruch genommen, wobei es sich zeigt, daß die räumlich zusammengehörenden Einrichtungen von Hafen und Zollfreizone sich zu immer wichtigeren Zentren auch des Verkehrs zu Lande herauskristallisieren. Die Zollfreizone Linz ist eines der größten Lagerei- und Umschlagsunternehmen Österreichs. Sie konnte in den letzten Jahren ihre Bedeutung als Drehscheibe im Transitverkehr stark ausbauen. Die jüngste Aktivität im Bereich der Sonderlager ist eine kürzlich fertiggestellte Gefahrguthalle.

Von besonderer Bedeutung, nicht zuletzt auch für eine Entlastung des noch immer in steiler Kurve weiter ansteigenden Nord-Süd-Transits durch die Alpen, ist auch der Ro/Ro-Verkehr, der in Linz vorerst 1982 in Richtung Bulgarien linienmäßig aufgenommen wurde und dessen neue Verladerampe sich im Kombiverkehrszentrum des SBL-Hafens befindet.

Im Zuge der Vorbereitungen auf die Auswirkungen des künftigen Europaverkehrs haben Wirtschaftsvertretung und Land in Oberösterreich sowohl im eigenen Bereich des Bundeslandes wie auch in Zusammenarbeit mit Niederösterreich auf dem Gebiet der Raumordnung und Standortvorsorge umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Im wesentlichen abgeschlossen sind hierbei der in den letzten Jahren erfolgte Ausbau der Ennsmündung zu einem auch für größte Schub verbände geeigneten Industriehafen und die Adaptierung der angrenzenden Areale für Zwecke der In-dustrieansiedlung.

Außerdem ist an der oberösterreichischen Donau auch für die Errichtung weiterer Länden und Industrieansiedlungen vorgesorgt, wobei jeweils auf die Erhaltung geschützter Naturlandschaften und insbesondere die Wahrung der Fremdenverkehrsinteressen am Strom Bedacht genommen wurde. Die Kraftwerksstufen am Inn sind von Passau bis Braunau-Ranshofen mit der wasserrechtlichen Auflage versehen, daß planungsmäßig für einen eventuellen späteren Einbau von Schiffsschleusen Vorsorge getroffen werden mußte.

Die Personenschiffahrt auf der oberösterreichischen Donau hatte einst sowohl für die Uferorte als auch für den Fernreiseverkehr eine echte Verkehrsfunktion zu erfüllen. Sie ist heute ausschließlich eine touristische Angelegenheit, die jedoch für die Fremdenverkehrsentwicklung im Donautal zu einer lebenswichtigen Komponente wurde. Dank gemeinsamer Bemühungen der Schiffahrt und der öffentlichen Stellen hat der Passagierverkehr in jüngster Zeit eine beachtliche Renaissance erfahren.

Die Expansion im Wasserstraßentourismus und im Ausflugsverkehr zeigt an, daß die Rhein-Main-Donau-Transversale nicht nur eine Schlagader des kontinentalen Güterverkehrs sein wird, sondern auch ein Band des Brük-kenschlages und der menschlichen Kommunikation zwischen den Ländern in West und Ost. Dies wird auch in Oberösterreich seinen Niederschlag finden.

Der Autor ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des österreichischen Wasserstraßen- und Schiffahrtsvereines, Wien.

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