6818385-1973_21_06.jpg
Digital In Arbeit

Dynamik auf dem Wasser

19451960198020002020

Kürzlich wurde auf der Generalversammlung des österreichischen Kanal- und Schiffahrtsvereines in Linz ein Situationsbericht über den Baufortschritt beim Europakanal gegeben: Ihm war zu entnehmen, daß im Anschluß an die im letzten Herbst erfolgte Eröffnung des Hafens Nürnberg bereits intensiv an der Realisierung der Südtrasse des Kanals von Nürnberg nach Regensburg gearbeitet wird. Das gleiche gilt für den Ausbau der bayrischen Donau, so daß bis 1976 die Verlängerung der Großschiffahrt von Regensburg bis nach Kelheim erwartet werden kann. Eine auch in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre kontinuierliche, Finanzierung vorausgesetzt, ist mit Gewißheit anzunehmen, daß 1981/82 der durchgehende Verkehr vom Rhein zur Donau und in umgekehrter Richtung aufgenommen werden kann.

19451960198020002020

Kürzlich wurde auf der Generalversammlung des österreichischen Kanal- und Schiffahrtsvereines in Linz ein Situationsbericht über den Baufortschritt beim Europakanal gegeben: Ihm war zu entnehmen, daß im Anschluß an die im letzten Herbst erfolgte Eröffnung des Hafens Nürnberg bereits intensiv an der Realisierung der Südtrasse des Kanals von Nürnberg nach Regensburg gearbeitet wird. Das gleiche gilt für den Ausbau der bayrischen Donau, so daß bis 1976 die Verlängerung der Großschiffahrt von Regensburg bis nach Kelheim erwartet werden kann. Eine auch in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre kontinuierliche, Finanzierung vorausgesetzt, ist mit Gewißheit anzunehmen, daß 1981/82 der durchgehende Verkehr vom Rhein zur Donau und in umgekehrter Richtung aufgenommen werden kann.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Rhein-Main-Donau-Wasserstraße wird mehr als bloß ein Schifffahrtsweg sein —, sie wird eine Schlagader des wirtschaftlichen und auch des politischen Geschehens werden, von menschen- und völkerverbindender Wirksamkeit, von starker wirtschaftlicher Dynamik und einer weitreichenden integrierenden Funktion. Sie wird 2wei Regionen Europas verbinden, die wie keine anderen Bereiche des Kontinents in Entwicklung und wirtschaftlicher Struktur von den Stromsystemen gezeichnet sind, denen sie zugehören.

Der Gesamtverkehr auf der schiffbaren Donau von 2400 km Länge betrug 1950 etwa 10 Millionen Tonnen, etwa die gleiche Menge wie in der Zeit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. Heute hingegen hat der Donauverkehr bereits die 55-Mil-lionen-Tonnen-Grenze überschritten. 1971 betrug er 55,6 Millionen Tonnen. Der internationale Güterverkehr auf der europäischen West-Ost-Transversale hat damit einen Umfang erreicht, wie nie zuvor.

Es ist kennzeichnend, daß, ähnlich wie alle Vorausschätzungen hinsichtlich des Binnenschiffahrtsverkehrs

im allgemeinen, auch jene bezüglich der Güterbewegung auf der Donau durch die tatsächlichen Gegebenheiten bei weitem übertroffen werden. Eine 1959 von den östlichen Donauanrainern im Rahmen der Budapester Donaukommission ausgearbeitete Vorschau besagte, daß bis 1965 eine Zunahme des Gesamtgüterverkehrs auf der Donau bis zu 35 Millionen Tonnen eintreten werde. Tatsächlich betrug das Verkehrsvolumen bis zu dem genannten Jahr bereits 45 Millionen Tonnen, also um etwa 30 Prozent mehr. Die weiteren Vorausberechnungen ergaben für 1975 ein jährliches Gesamtvolumen von 50 Millionen Tonnen, das aber schon 1969 nahezu erreicht worden ist.

Rheinregion und ebenso die Donauregion sind somit zwei wirtschaftliche Bereiche des europäischen Raumes, die beide eine starke Dynamik entfalten, welche geradezu nach den Wechselbeziehungen von Bezug und Absatz drängen. Daß hier starke Tendenzen wirksam sind, läßt die Tatsache erkennen, daß trotz der Schwierigkeiten der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme der Außenhandel zwischen den Ländern des

europäischen Südostens und der EWG im letzten Jahrzehnt in der Ausfuhr der Donauländer um mehr als 270 Prozent und im Import um rund 260 Prozent zugenommen hat.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen und Prognosen, die in letzter Zeit durch die ECE und im Ifo-Institut angestellt wurden, lassen erkennen, daß der Rhein-Main-Donau-Verbindung in dieser Hinsicht eine gewissermaßen kommunizierende Wirksamkeit zukommen wird.

Die Arbeiten einer Studiengruppe haben ergeben, daß 1989, also nach einigen Jahren Anlaufzeit, über die Kanalstrecke Nürnberg—Regensburg etwa 15,5 Millionen Tonnen zu befördern sein werden. Von diesem geschätzten Volumen entfallen etwa 6 Millionen Tonnen auf den innerdeutschen und rund 9,5 Millionen Tonnen auf den internationalen Verkehr, hievon wiederum nahezu 6 Millionen Tonnen auf den Verkehr von und nach Österreich.

Die durchgehende Schiffahrtsverbindung wird somit für die österreichische Volkswirtschaft von größter Tragweite sein, wobei zu bedenken ist, daß sich schon in den letzten 25 Jahren das Schwergewicht der wirtschaftlichen Dynamik in Österreich in noch ungleich stärkerem Maße auf den Donauraum und den Donauverkehr konzentriert hat als je zuvor. Vor allem ist auch zu berücksichtigen, daß die von Österreich bezogenen und gelieferten Gütermengen ja dann nicht mehr, wie jetzt, nur bis Regensburg auf dem Wasser zu befördern sein werden, sondern über eine vier- bis fünfmal so weite Enfernung von rund 1200 bis 1500 km bis zum Ruhrgebiet und den Nordseehäfen, und umgekehrt. Es ergibt sich hiedurch ein zusätzlicher Schiffsraumbedarf, der etwa 400 bis 500 Selbstfahrern von der Tragfähigkeit des Europagüterschiffes mit

1350 Tonnen entspricht. Wenn Österreich sich in dieses Verkehrsgeschehen entsprechend einschalten und seine Interessen wahren will, so muß bis dahin die österreichische Donauflotte den Erfordernissen gemäß modernisiert und auch kapazitätsmäßig ausgebaut sein. Allein dieser Umstand zeigt an, wie wichtig etwa die derzeitigen gesetzlichen Konsoldie-rungs- und Sanierungsmaßnahmen für die Güterschiffahrt der DDSG sind.

Schaden bei Verzögerung

Die Stadt Nürnberg hat bei Professor Klaus an der Universität Nürnberg-Erlangen vor einiger Zeit ein Gutachten über die regionalen und gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen in Auftrag gegeben, die durch eine Verzögerung in der Fertigstellung des Rhein-Main-Donau-Kanals für den fränkischen Raum zu gewärtigen wären. Die Untersuchungen haben ergeben, daß jedes Jahr einer Verzögerung für diesen Bereich einen volkswirtschaftlichen Verlust in der Größenordnung von etwa einer halben Milliarde DM, das

sind mehr als 3Vi Milliarden Schilling, nach sich ziehen würde.

Die österreichische Volkswirtschaft hat allein schon in den ersten Jahren nach Aufnahme des Rhein-Main-Donau-Verkehrs mit einer jährlichen Frachtkostenersparnis von 300 bis 400 Millionen Schilling zu rechnen. Bedenkt man außerdem die infolge der Standortverbesserung eintretenden Wachstumsimpulse für die österreichische Wirtschaft, insbesondere hinsichtlich der industriellen Expansion, so ist anzunehmen, daß 'jedes Jahr einer Verzögerung in der Fertigstellung der Rhein-Main-Donau-Verbindung der österreichischen Wirtschaft einen Entgang von etwa 500 Millionen Schilling bringen würde. Nach einigen Jahren Anlaufzeit schätzt das österreichische Institut für Raumplanung allein den Frachtkostenanteil der österreichischen Volkswirtschaft auf jährlich eine volle Milliarde. Daran ist zu erkennen, daß ebenso wie der Nutzen des Rhein-Main-Donau-Verkehrs, auch der Verlust im Falle einer zeitlichen Verzögerung von Jahr zu Jahr zunehmen würde. _____

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung