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Der Oder-Donau-Kanal

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Die Verbindung der Oder mit der Donau gehört zu den ältesten Wasserstraßenplänen Europas. Die Absicht, die Schutzgebiete der Donau und der Oder mittels eines Kanals zu überschreiten, geht sdion auf das 14. Jahrhundert (Kaiser Karl IV.) zurück. Der Plan wurde jedoch erst Ende des Dreißigjährigen Krieges eingehend erwogen, um dann Ende des vorigen Jahrhunderts greifbare Gestalt anzunehmen. Er fand 1901 Aufnahme in das österreichische Wasserstraßengesetz, das in erster Linie einer großzügigen, weitgreifenden Arbeitsbeschaffung für alle Völker der ehemaligen Donaumonarchie dienen sollte.

Die Baupläne scheiterten an den politischen Widrigkeiten, dann an dem Widerstand der damals verstaatlichten Nordb.ihn, deren Leitung im Oder-Donaü-Kanal eine gefährliche Konkurrenz für das eigene Staatsunternehmen erblickte, auch fehlte ein einheitlicher Bauwille und schließlich scheiterte das Projekt endgültig an den hohen Baukosten.

Das Projekt gewinnt heute dadurch neuerlich an Aktualität, daß sich die Tschedioslowakei für eine beschleunigte Ausführung des Kanalbaues einsetzt. Sobald es die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, wird es Sache der maßgebenden österreichischen Stellen sein, auch ihrerseits das Bauvorhaben wieder aufzugreifen und die in Anbetracht des für unsere Wirtschaft so hochbedeutsamen Kanalbaues notwendigen Verhand'ungen mit der Tschechoslowakei einzuleiten.

Für die Tschechoslowakei kommt außer der Anlage des Oder-Donau-Kanals auch die Verbindung mit der Elbe in Betracht. Die Elbe — bisher die wichtigste Zubringerin des Hamburger Hafens — wurde zuerst bis Melnik ausgebaut, wo die schiffbare Strecke der Moldau und weiter stromaufwärts nach Stiechowitz anschließt. Die Strecke der. Mittelelbe von Melnik bis Pardubitz ist als Großschiffahrtsstraße in Ausbau begriffen.

Der Elbe-Oder-Kanal beginnt bei Pardubitz, verläuft hn allgemeinen über Lands-kron, Hohenstadt, Olmütz und endet bei Prerau. Der Bau dieses Kanals soll gleichzeitig mit den Arbeiten am Oder-Donau-Kanal in Angriff genommen werden. Er ist als zweischiffige Wasserstraße gedacht mit einer Wasserspiegelbreite von 34 Meter und einer Tiefe von 3,5 Meter. Vorherrschender Schiffstyp: das 1000-Tonnen-Boöt. Die Baukosten sind mit 5 Milliarden Tschechenkronen veranschlagt. Der Kanal ist der westliche Zubringer des Oder-Donau-Kanals.

Der Oder-Donau-Kanal sollte nach den Plänen Deutschlands in Neudorf am Klod-nitzkanal in Oberschlesien beginnen, dürfte aber durch die geänderten politischen Verhältnisse vorerst in Oderberg seinen Anfang nehmen; er würde nach dem-deutschen Plan der Oder entlang über Mährisch-Ostrau —Witkowitz — Jassnik, wo die Oder verlassen wird, über Mährisch-Weißkirchcn—Prerau an der Becwa nach Otrokowitz an der March, dann • dieser entlang über Napagedl—Ungarisch-Hradisdi

—Göding, dann halbenwegs Landshut— Lundenburg über Hohenau und Dürnkrut nach Angern führen, wo der Kanal die March verläßt, um, quer das Marchfeld durchziehend, in der Lobau bei Stromkilometer 1916/17 die Donau zu erreichen*.

Während des letzten Krieges hatte Deutschland die Ausführung des Bauvorhabens nachdrücklich verfolgt und die Anlage des Donauhafens in der Lobau veranlaßt. Dieser wurde 1941 fertiggestellt. 600 Kriegsgefangene waren an-den Hafenbauten besdiäftigt. Der Hafen hat Geleiseanschluß, er soll auch mittels einer Pipe-line mitZisters do rf verbunden werden. Vom Hafen zu der Ölraffinerie der „Nova“ in Schwechat führt bereits eine Rohrleitung durch die Donau, die von russischen Ingenieuren und österreichischen Arbeitern unter schweren Bedingungen fertiggestellt wurde.

Die Tschechoslowakei will durch Kanalisierung der March zwischen Angern und Theben einen zweiten Kanalast ausbauen, um die für den Transit bestimmten Güter direkt — ohne Berührung Wiens — nach Bratislava weiterzuleiten. Mit dieser Absicht hängt der seitens der Tschechoslowakei vor kurzem geäußerte Wunsch nach einer geringfügigen Grenzrevision am österreichischen Ufer der March zusammen.

Der Oder-Donau-Kanal hat eine Länge von 325 Kilometer, der österreichische Anteil eine solche von 75 Kilometer. Ursprünglich sollte der Kanal oberhalb Wiens bei Langenzersdorf — mit einem Lateralkanal zur Alten Donau — enden, doch -st man davon abgenommen, um einerseits die Alte Donau als Sport- und Badeplatz zu erhalten und weil andererseits die Anlage des Hafens in der Lobau wegen der Nähe der unterhalb Wiens gelegenen Häfen Freudenau (Winterhafen) und Albern vor-

.teilhafter ist. Mächtige Hafenanlagen mit allen erforderlichen Umschlageinrichtungen sollen dem zu erwartenden Verkehr Rechnung tragen. f

Ursprünglich sollten die Kanalabmessungen dem 670-Tonnen-Schiff angepaßt werden, nachdem sich aber auf der Donau das 1000-Tonnen-Schiff eingebürgert hatte, wurde der Ausbau des Kanals für die Benützung durch das 1000-Tonnen-Boot immer mehr befürwortet. Er wird als zweischiffige Wasserstraße ausgebaut werden, erhält eine Wassersp'egel-breite von 41 Meter und eine Tiefe von 3,5 Meter. Die Baukosten wurden seinerzeit mit 675 Millionen Reichsmark erredinet.

Für die österreichische Strecke dürfte ein Erdaushub von 20 Millionen Kubikmeter, für den ganzen Kanal von mindestens 100 Millionen Kubikmeter notwendig sein.

Die Reisedauer Oderber g— Wien mit belasteten Schiffen kann je nach Jahreszeit mit vier bis fünf Tagen angenommen werden.

Der Kanal friert im Winter zu und die Schiffahrtsperiode erfährt hiedurdi, ähnlich wie auf der Donau, eine alljährliche Unterbrechung von 80 bis 90 Tagen.

Ein entsprechender Schiffspark muß erst geschaffen werden. Die Zahl der notwendigen Sdiiffsbauten wird unsere Werften Lira und Korneuburg auf Jahre hinaus beschäftigen. .

Der Kanal wird Schlesien, Böhmen und Mähren der Donau näherbringen und er verspricht dem Witkowitzer Kohlenrevier, durdi das der Kanal führt, eine wesentliche Absatzsteigerung; auch eine große Anzahl wichtiger anderer Industrien wird einen bedeutenden Auftrieb erhalten, aber vor allem kann der Oder-Donau-Kanal als die Hochstraße der schlesischen Kohlentransporte angesprodien werden.

Auch die Erztransporte aus Jugoslawien, dann die Beförderung von Ölsaaten und Getreide aus den südöstlichen Nachbarstaaten werden namhaft sein, und wenn noch stromabwärts die für die Balkanländer bestimmten österreichischen Ausfuhrgüter (Holz, Zellulose, Magnesit, Stahl usw.) in Betracht gezogen werden, kann der künftige Verkehr auf der Donau in beiden Richtungen mit jährlich 20 Millionen Tonnen beziffert werden. ' An der Wasserstraßenverbindung Mitteleuropas mit dem

Südosten wird der Oder-Donau-Kanal — als wichtigster Zubringer der Donau — großen Anteil haben, da er ihr jährlich 10 bis 15 Millionen Tonnen Güter zuführen wird. Durch diesen gesteigerten Verkehr werden alle Donauanrainerstaaten zwangsläufig einen bedeutsamen wirtschaftlichen Aufschwung nehmen) der sich natürlich auch für Österreich günstig geltend machen wird.

Für Wien selbst können sich große Ent-wicklungsmöglichkeiten ergeben. Wien war zwar immer schon Mittler nach dem Süd-, osten, seine Bedeutung wird aber durch die ihm zueilende neue Wasserstraße und die dadurch bedingte Ausweitung der Wirtschaftsräume in einem Maße gehoben werden, daß ^iie Zukunft Wiens dank seiner glücklichen verkehrspolitischen Lage ein für allemal gefestigt und gesichert sein wird.

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