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Donauwasser für die Kornkammer

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Das Marchfeld, die „Kornkammer Österreichs", ist am Austrocknen. Das 45 Kilometer lange und 30 Kilometer breite Gebiet, begrenzt von Donau und March, hat schon seit der Donauregulierung im vorigen Jahrhundert mit dem Problem zu kämpfen.

Durch den Bau eines Kanales hoffte man, dem ständig sinkenden Grundwasserspiegel Herr zu werden. Pläne dazu gab es bereits 1850. Ein vor 20 Jahren entworfenes Kanalkonzept konnte aus technischen und Kostengründen nicht verwirklicht werden. Die Niederösterreichische Landesregierung beauftragte daraufhin die Niederösterreichische Siedlungswasserbau-Gesellschaft (NÖSIWAG) mit der Ausarbeitung eines realisierbaren Konzeptes.

Jetzt erst ist der Marchfeldkanal in ein konkretes Stadium getreten. Der am 19. Oktober 1982 zwischen Niederösterreich und dem Bund unterzeichnete Staatsvertrag hat auch die Errichtung des Marchfeldkanales zum Inhalt.

Zweck des Kanalbaues und der beiden ergänzenden Großenzers-dorfer und Obersiebenbrunner Kanäle ist die Verbesserung der Grundwasserverhältnisse, die Vt -besserung der landwirtschaftlichen Bewässerung sowie die Möglichkeit von Nutzwasserentnahmen.

Dazu sind folgende Anlagen vorgesehen: der Marchfeldkanal von Langenzersdorf nach Deutsch-Wagram, der den Rußbach speist; der Großenzersdorfer Kanal, der den Fadenbach aus dem Marchfeldkanal speist, und der Obersiebenbrunner Kanal, der den Rußbach mit dem Stemp-felbach verbindet und diesen versorgt.

Der ständig sinkende Grundwasserspiegel im Marchfeld — vor allem durch die intensiv betriebene Landwirtschaft — brachte auch die Gefahr einer schleichenden Versteppung und somit einer Gefahr von negativen Auswirkungen nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die gesamte künftige wirtschaftliche Entwicklung der Region.

Vom derzeit jährlichen Wasserverbrauch von rund 32 Millionen Kubikmeter Wasser entfallen auf die Landwirtschaft 20 Millionen, Gewerbe und Industrie benötigen neun Millionen und Siedlungsgebiete rund drei Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr. Einer Prognose des Landwirtschaftsministeriums zufolge rechnet man mit einem Ansteigen des Wasserverbrauches bis ins Jahr 2000 auf etwa 100 Millionen Kubikmeter, also auf die dreifache Menge.

Das „Jahrhundertbauwerk" (Landeshauptmann Siegfried Ludwig unisono mit Landwirtschaftsminister Günter Haiden) wird rund 1,4 Milliarden Schilling kosten. Die Baukosten sollen sich, so der Vorschlag von Minister Haiden, Bund, Land und Interessenten bzw. Beteiligte im Verhältnis 40:40:20 teilen.

Das stößt vorerst auf Schwierigkeiten. „Fast drei Viertel unseres Gemeindegebietes sind Flurgebiete. Der Kanal ist für uns so-,gar lebensnotwendig", unterstreicht der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Gerasdorf, Leopold Hallas. Aber: „Eine Beteiligung mit 20 Prozent an den Kosten des Generalprojektes durch die betroffenen Gemeinden und Landwirte halte ich jedoch für sehr schwer realisierbar. Hier werden sicher noch etliche Gespräche geführt werden müssen."

Die Bauzeit wird, meint Hofrat Werner Kasper von der Landesregierung, „im besten Fall fünf Jahre, im schlimmsten Falle zehn Jahre betragen, aber wir hoffen, daß wir eine realistische Bauzeit vor acht Jahren einhalten werden können".

Momentan sind jedoch alle Diskussionen über den Bau des Kanales und über den Baubeginn 1983 noch theoretischer Natur. Die Bewilligung des Marchfeldkanales als „bevorzugter Wasserbau" müsse noch abgewartet werden. Der bisherige Rechtsträger, die NÖSIWAG, wird durch einen von Land und Bund gemeinsam errichteten Rechtsträger, der die Geschäfte um den Kanalbau weiterführen wird, ersetzt.

Der geplante, 34 Meter breite Kanal findet aber nicht nur Zustimmung. Bei einer Diskussionsveranstaltung in der Marchfeldgemeinde Deutsch-Wagram hielt der Landwirtschaftsminister Kanalbaugegnern deshalb den Spiegel vor: „Es ist wie beim Bau einer Straße — jeder möchte sie haben, aber sie sollte durch den Grundbesitz des Nachbarn und nicht durch den eigenen laufen."

250 Kleingartensiedler, die in ihrer Freizeit liebevoll ihren Schrebergarten pflegen, werden auf jeden Fall Abstriche machen müssen. Durch ihre Gärten soll der Kanal in Wien-Strebersdorf verlaufen. Doch das Wehgeschrei der Besitzer der auf ÖBB-Grund liegenden Schrebergärten wird nicht viel nützen: „Die Gemeinde Wien hat dieses Gebiet in ihrem Raumordnungskonzept immer für den Kanalbau freigehalten" (Kasper). Und Hailas: „Diehaben immer schon gewußt, daß der Kanal durch ihre Gärten gehen wird..."

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