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Scheitert Projekt an 3 6 Kilometern ?

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Unsere Wirtschaft hofft darauf. Volker Hauff nennt es das „dümmste Projekt seit dem Turmbau von Babel": Die Rede ist vom Rhein-Main-Donau-Kanal, dessen Fertigstellung einmal für 1981 geplant war. Bringen Naturschützerund Finanzen das Projekt überhaupt zum Scheitern?

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Unsere Wirtschaft hofft darauf. Volker Hauff nennt es das „dümmste Projekt seit dem Turmbau von Babel": Die Rede ist vom Rhein-Main-Donau-Kanal, dessen Fertigstellung einmal für 1981 geplant war. Bringen Naturschützerund Finanzen das Projekt überhaupt zum Scheitern?

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Vor 60 Jahren wurde mit dem Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals begonnen. Diese Binnenwasserstraße sollte bei einer Länge von 764 Kilometern zwischen Mainz und der österreichischen Grenze bei Passau ab 1981 die beiden großen Binnenschiffahrtssysteme Rhein und Donau verbinden.

Heute sind fast 80 Prozent des Vorhabens fertiggestellt: einmal rund 400 Kilometer Kanal zwisehen Aschaffenburg und Nürnberg am Rhein und zwischen Kel-heim und Regensburg an der Donau. Im Bau befinden sich ein zweites, etwa 100 Kilometer langes Kanalstück zwischen Kel-heim und Nürnberg und die Donauregulierung zwischen Regensburg und Straubing.

Nach Angaben der Rhein-Main-Donau-AG fehlen nur noch 36 Kilometer Kanal bis zur Fertigstellung an der deutsch-österreichischen Grenze. Nun droht der Bau dieses entscheidenden Stücks zu scheitern. Der bundesdeutsche Minister Volker Hauff nennt es das „dümmste Projekt seit dem Turmbau von Babel", die FDP ist gleichfalls strikt dagegen, die bayerische CSU ebenso strikt dafür, während Umwelt- und Naturschützer den Bonner Kanzler Helmut Schmidt bedrängen, die seinem Wiener Amtskollegen Bruno Kreisky gegebene Verwendungszusage für die Errichtung des Rhein-Main-Donau-Kanals zurückzuziehen, zumal dafür auch das Geld knapp geworden ist.

Zunächst wurden die Zuweisungen für den umstrittenen Bau für die Zeit bis 1985 um ein Drittel gekürzt. Obwohl die Bayern mit Vehemenz für dieses Projekt eintreten, haben sie gleichfalls die Finanzierungsbeiträge reduziert, so daß sich bei den gegenwärtigen Finanzierungsaussichten die Fertigstellung des Baus bis in das Jahr 2020 verschieben dürfte, wenn das Projekt bis dahin nicht überhaupt eingemottet worden ist.

Für die österreichische Wirtschaft bedeutet eine solche Verzögerung eine mittlere Katastrophe.

Denn Österreich hat in den letzten Jahren einige Milliarden Schilling in den Ausbau der Donauhäfen Wien, Linz, Enns und Krems investiert, die ohne den Bau des Kanals versickern würden. Zusätzlich geplante Industrieansiedlungen im Einzugsgebiet dieser Häfen müßten zurückgestellt werden und selbst die Kraftwerksbauten an der Donau wären von Verzögerungs- beziehungsweise Einstellungsplänen arg in Mitleidenschaft gezogen.

Ferner führte auch schon ein Aufschub zu erheblichen Erhöhungen der Transportkosten für die Kohleimporte auf der Donau. Es geht dabei vor allem um Kokseinfuhren der VÖEST-Alpine aus Westeuropa und aus den USA, die schon 1981 um rund eine Million auf 2,3 Millionen Tonnen erhöht werden mußten, weil die Polen ihre Kohlelieferungen stark gekürzt haben und die Sowjetunion in ihrem neuen Fünf jahresplan einen generellen Ausfuhrstopp für Kokskohle nach dem Westen dekretiert hatte.

Schließlich sind infolge des Stillstands des Zwentendorfer Kraftwerks zusätzliche Kohlelieferungen aus Ubersee notwendig geworden, für die auf Preisbasis 1980 rund eine Milliarde Schilling mehr an Transportkosten bezahlt werden, solange der Rhein-Main-Donau-Kanal dafür als Transportweg nicht zur Verfügung steht.

Jenseits dieser Frachtkostenrechnungen soll der Rhein-Main-Donau-Kanal das Tor zu Südosteuropa werden. Daraus erklärt sich das intensive Drängen etwa der Ungarn auf eine Fertigstellung des Kanals.

Das östliche Interesse ist wiederum den deutschen Binnenschiffern ein Dorn im Auge, weil sie gehörige und durchaus verständliche Angst vor den ruinösen Dumpingpreisen der Ostblockflotten haben, wie das die Sowjet-Schiffer schon seit geraumer Weile auf der internationalen Donaustrecke quer durch Österreich bis Regensburg praktizieren.

Im Sommer wollte Bundeskanzler Kreisky eine Konferenz mit bundesdeutschen Politikern in Linz arrangieren, um in gemeinsamen Beschlüssen eine rasche Fertigstellung des Rhein-Main-Donau-Kanals zu erreichen. Dafür fand er in den durchwegs CDU- beziehungsweise CSU-re-gierten Ländern keinen Zuspruch.

Doch die Erfüllung jenes bald 1000 Jahre alten Traums, der schon Karl dem Großen vor Augen geschwebt war, scheint auf die lange Bank geschoben, nachdem sich auch die Naturschützer in einer so merkwürdigen Zusammenarbeit mit den bundesdeutschen Bahnbeamten gegen das Projekt stemmen: Die deutschösterreichischen Naturschützer fürchten um den Bestand der teilweise unberührten Gebiete des Ottmaringer-, Sulz- und Altmühltales; die Leute von der Bahn argwöhnen einen Rückgang des Güterfrachtaufkommens.

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