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Der Rhein-Main-Donau-Kanal

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Der Plan eines Rhein-Main-Donau-Kanals ist nicht neu. Schon Karl der Große versuchte 793, eine Kanalverbindung zwischen Main und Donau herzustellen, die sogenannte „Fossa Carolina“ (der „Karlsgraben“), von dem heute noch Reste vorhanden sind.

Ludwig I. von Bayern ließ in den Jahren 1836 bis 1845 den Ludwigskanal erbauen, der gleichfalls den Main mit der Donau verbindet. Dieser wird noch heute mit kleinen Schiffen bis etwa 100 Tonnen (10 Waggons) Laderaum befahren. Für die Benützung durch Boote größeren Laderaums ist er in-3 folge seiner geringen Abmessungen nicht geeignet. Während des letzten Krieges sollte — im allgemeinen dem Zuge des Ludwigs-Kanals folgend — der Rhein-Main-DonauKanal zu einem Großschiffahrtsweg ausgebaut werden. In den Ausbau dieses Wasserweges wurde im Rahmen des Vierjahresplanes auch die Ausgestaltung der Donau zur Großsdiiffahrtsstraße bis zur ungari-sdien Grenze einbezogen und sollte bis 1945 beendet sein. Mit den Arbeiten wurde 1941 in großzügiger Weise begonnen, im Verlaufe des letzten Krieges 'kamen jedoch die Arbeiten nach und nach zum Erliegen.

Nach jahrelanger Unterbrechung sollen, wie man hört, nunmehr die Arbeiten am Kanal wieder aufgenommen werden. Mit der Durdiführung der Arbeiten wurde die Rhein-Main-Donau A. G. in München beauftragt. Ihr stehen sieben Wasserstraßenämter zur Seite.

Der Kanal führt — bei Mainz den Rhein verlassend *— den Main aufwärts, berührt Frankfurt, Offenbadi, Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt und Bamberg, wo er dem Zuge des Ludwigskanals folgt, der, über Erlangen, Fürth und Nürnberg führend, unterhalb Beilngries in die Altmühl übergeht, die in kurzem Lauf bei Kelheim (etwa 40 Kilometer oberhalb Regensburg) in die Donau mündet. Die Mainkanalisie-rung ist im großen und ganzen bis Würzburg beendet. An der Kanalisierung zwischen Würzburg und Bamberg wird gearbeitet.

Der Kanal soll eine Wasserspiegelbreite von 38 Meter erhalten, die es ermöglicht, zwei große Schleppzüge aneinander vörbei-zuführen. Die Tiefe des Kanals wird 3,75 Meter betragen, so daß er. von Schiffen bis 1500 Tonnen Laderaum befahren werden ' kann.

Es ist geplant, den Ludwigskanal in zwei Linien zu führen, und zwar einerseits von

Nürnberg, dem Verlaufe des Ludwigskanals folgend, über Beilngries (Beilngrieser Linie) nach Kelheim, und anderersfits in einer südlidi Nürnberg abzweigenden, westlich davon gelegenen Linie, die bei Stepperg die Donau erreicht (Stepperger Linie). Beide Kanäle werden durch den Lechzubringer miteinander verbunden. Die Stepperger Linie soll den Zweck verfolgen, für Augsburg, Ulm und München, die von der Beilngrieser Linie zu weit entfernt sind, zur Vermeidung zu langer Bergfahrt eine nähere Verbindung mit dem Rhein-Main-Donau-Kanal zu schaffen. Beide Linien werden wahrscheinlidi südlich der Donau, parallel zu dieser, noch miteinander verbunden werden. Augsburg und München sind die beiden einzigen Städte Deutschlands über 180.000 Einwohner, die keine Wasserstraßen-Verbindung haben.

Der eingangs erwähnte Karlsgraben begann bei Bamberg, führte über Nürnberg, um in Treuchtlingen, das an der in Aussicht genommenen westlichen Route (Stepperger Linie) liegt, zu enden. Er erreichte also die Donau nicht, dagegen war der Ludwigskanal (die östliche Route), wie erwähnt, bisher beschränkt schiffbar.

Es besteht die Absicht, die an der oberen Donau von Ulm bis Kelheim befindlichen Wasserkräfte auszunützen und in Verbindung damit auch diesen Teil der Donau zum Großschiffahrtsweg auszugestalten. Diesem Plane kommt wegen der hiedurch zu erwartenden wirtschaftlichen Erschließung des schwach besiedelten oberen Donautales erhöhte Bedeutung zu. Für Bayern, das bisher mangels einer leistungsfähigen Wasserstraßenverbindung sozusagen im toten Winkel gelegen war, werden sich aus dem Anschluß an das deutsche Kanalsystem ohne Zweifel große wirtschaftliche Vorteile ergeben. Aber auch sonst wirken Wasserstraßen anregend und anziehend auf die wirtschaftliche Initiative; wir sehen dies an der Tatsache, daß die großen Industrien durchwegs an natürlichen oder künstlichen Wasserstraßen angelegt wurden.

Die Ausgestaltung der Donaustrecke Regensburg—Passau zum Großschiffahrtsweg ist durch die bereits erfolgte Errichtung der Staustufe in der Felsenstrecke des Kachlet oberhalb Passau, die auch in hervorragendem Maße der Gewinnung elektrischen Stromes dient, seit 1927 vollzogen. Ein Stau von 9 Meter Höhe und 20 Kilometer Länge hat hiedurch mit einemmal das Stromhindernis beseitigt. Österreich ist an dem Ausbau des Rhein-Mäin-Donau-Kanals sehr interessiert, da es einerseits Ruhr- und Saarkohle in der Talfahrt billiger als per Bahn beziehen könnte und damit ein Tor aufgemacht wäre für seine Exporte .nach Westeuropa und Übersee, die sehr oft an der teuren^ Bahnfracht scheiterten* Der A n s c-h 1 u ß an den Rhein -Main-Donau-.Kanal würde für Wiens künftigen Großhafen einen bedeutsamen Zufluß von Zoll- und Transitgütern in beiden Richtungen bedeuten.

Im österreichischen Teil der Donau bestehen einige Stromhindernisse, und es ist notwendig, daß die vom nautischen Standpunkt schwierigste Strecke im Aschacher KachJet (oberhalb Linz) und im Greiner Struden für den Schiffahrtsverkehr hergerichtet wird. Hier hat die Donau gefährliche Wassergeschwindigkeit, das Strombett hat oft Wasserlöcher von 15 Meter neben felsigen Untiefen von 2 bis 2,5 Metern und läßt nur eine schmale Fahrtrinne frei, in der ein Schiffsverkehr nur in einer Richtung möglich ist.

Durch die Anlage des Großkraftschleusen-werkes Ybbs-Persenbeug, bestehend aus einem Kraftwerk, gekoppelt mit einem Schleusenwerk, wird dann nicht nur das Fahren in beiden Richtungen möglich sein, sondern auch als willkommenes Ergebnis dieser Stromregulierung elektrische Energie resultieren. Der Rückstau wird 20 bis 30 Kilometer stromaufwärts bis in die Gegend von Grein reichen*.

Am Rhein - Main - Donau - Kanal werden allein 40 solcher Werke entstehen, die eine Strommenge von 1600 Millionen Kilowattstunden erzeugen werden, eine Strommenge, die den gesamten Strombedarf Bayerns decken wird.

Die Arbeiten am Kanal und an der bayrischen Strecke der Donau werden etwa 14 Jahre in Anspruch nehmen.

Die Baukosten waren seinerzeit mit 600 Millionen Reichsmark präliminiert, dürften jedoch infolge der geänderten Preis- und Lohngestaltung ein Mehrfaches hievon erreichen.

Der Kanal hat vom Rhein aufwärts 330 Meter Höhe zu überwinden, die zum geringen Tefl in normaler Bergfahrt, zum Großteil durch die Schleusen- und Wehranlagen bewältigt werden. Die Gesamtlänge des Kanals von Mainz bis Kelheim beträgt 563 Kilometer, wovon 250 Kilometer (Mainz bis Würzburg) bereits ausgebaut sind.

Ein in Aussicht genommener anschließender Wasserweg von Bedeutung ist der ■ Werra-Main-Kjanal, der, von Norden kornmend, den Rhein-Main-Donau-Kanal in Bamberg erreicht. Er stellt die Verbindung über die Werra und Weser mit Bremen her. Der Werra-Main-Kanal wird gleichzeitig mit dem Rhein-Main-Donau-Kanal gebaut werden.

Bamberg, am Schnittpunkt dieser beiden Kanäle gelegen, wird sich normalerweise zu einem bedeutenden Hafenplatz entwickeln.

Durch den Rhein-Main-Donau-Kanal wird über den Rhein, der in seinem Unterlauf holländisches Gebiet durchfließt, Rotterdam erreicht, das in Friedenszeiten nach Hamburg der größte Handelshafen Europas war, nun aber Hamburg überflügeln wird. •

Da über den Oder-Donau-Kanal die Verbindung mit Stettin und über den Elbe-Oder-Kanal mit Hamburg gegeben ist, ersieht man hieraus, wie weitausgreifend sich für Österreich der Anschluß an das besprochene mitteleuropäische Kanalsystem gestalten kann, das den nach den Nordhäfen gravitierenden Exportindustrien billige Frachten und somit eine konkurrenzfähige Preisgestaltung bietet.

Ein Ausbau des Rhein-Main-Donau-Kanals ohne gleichzeitige Beseitigung der erwähnten Stromhindernisse an der oberen Donau würde dem Kanal nicht mehr als örtliche Bedeutung geben und vor allem uns selbst eine große wirtschaftliche Chance nehmen. Unser Interesse an dem Bau des Kanals ist ein ebenso großes wie für Deutschland, dem die Alliierten die Wirtschaftseinheit zu geben beabsichtigen. So wird es empfehlenswert sein, die Verbindung zu den berufenen Faktoren herzuste'len, um im gegenseitigen Einvernehmen die Voraussetzungen zu schaffen für die Realir'erung dieses volkswirtschaftlich höchst bedeutsamen Fanalprojekts.

* Felsige Strecken ven Was'erli'ufen werden gewöhnlich dunli Uberhamms, Schotterurecken durch Anlage einer p.ilmrinne für den Schiffsverkehr her^er'chtct.

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