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Volle Kraft voraus!

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Qb man von den Nibelungen, ob von den Römern, ob von dem Berichte der „Vita sancti Severini“, ob von der Fahrt Friedrichs 1„ des Rotbarts, ausgeht, der am Sankt-Georgs-Tag 1188 die Kreuzfahrerfahne genommen und die Donau abwärts fuhr; ob man vom Berichte des

Paters Reginbald, des Benediktiners von Sankt Ulrich zu Augsburg Anno 1636, oder der „höchstvergnüglichen Raiß" des Kurfürsten Albrecht von Bayern mit seinen 24 Schiffen nach Melk Anno 1739 beginnt, oder Nikolais Aufzeichnungen von 1781 hernimmt: jedenfalls begann die Geschichte des Verkehrs in unserem Sinne doch mit der Gründung der Donau- Dampfschiffahrts-Gesellschaft im Jahre 1829 und der historischen Fahrt der „Maria Anna“ von 1837. So jung ist der Donauverkehr an geschichtlichen Zeitstäben gemessen — und so viel Sorge liegt in den hundertzwanzig Jahren verborgen. Wir denken heute nicht mehr daran, daß es von 1942 bis 1950 überhaupt keinen Aufbau der Flottille gab, daß die Periode 1951/52 von der Bevölkerung aus naheliegenden politischen Gründen ignoriert wurde, daß im Krieg Bomben, Versenkung, Entführung von Einheiten, Verlegung der Fahrrinne durch gesunkene Schiffe und Sprengstoff den Verkehr beinahe gleichstellten einem Aufklärungsmanöver auf hoher See, und wir haben alle, seien wir ehrlich, beinahe schon vergessen, welches Gefühl die Donaugemeinden, das Land unter und ober der Enns und mit ihnen ganz Oesterreich beseelte, als 1952 das erste Schiff die Demarkationslinie passieren konnte!

Wer jetzt mit den neuen Donaubussen wie ein kleiner Jachtbesitzer die „silberne Straße“, wie sie Maximilian I. nannte, vom hochragenden Stift Melk in die Wachau stromab gleitet und in kurzer Zeit auch von Linz nach Ottenheim fahren wird, der muß ehrliche Freude empfinden über den Unternehmermut der DDSG, über die solide Werkmannsarbeit der Schiffswerft in Korneuburg und die Unterstützung des Landes Niederösterreich. Die „Donaubusse“ sind Boote von 22 Meter Länge, einer Breite von 4,5 Meter, und ihr günstiger Tiefgang (eigentlich müßte man sagen: Seichtgang) ermöglicht auch bei niedrigem Wasserstand, wie wir ihn gelegentlich der ersten Fahrt von Melk nach Krems erlebten, den Donauarm bei Melk anzulaufen, was den alten, lieben Lokalschiffen bekanntlich nur selten möglich war. Das Erbe jener Lokalschiffe treten diese neuen schnellen Boote an. Sie haben zwei Viertaktdieselmotoren mit je 150 PS und erzielen stromabwärts bei einer Wassertiefe von vier Meter eine Stundengeschwindigkeit von 30 Kilometer (stromaufwärts 13 Kilometer). Die Mannschaft hat eine sichtliche Freude mit den prächtig ausgestatteten Schiffen. Und der „Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitän" des einstigen Schlagerliedes hat einen frischen, jungen Nachwuchs erhalten, würdig der besten Traditionen österreichischer Schiffahrt. „Zehn Jahre bin ich jetzt bei der DDSG", erzählt der Mann neben dem Steuerrad. „Sieben Jahre bin ich mit den .weißen Schiffen' gefahren — aber das da, ja, das ist doch was anderes...“ und sein Blick leuchtet auf, den nur der verstehen kann, der weiß, was die Männer der DDSG in den letzten zehn Jahren mitzumachen und durchzukämpfen hatten.

Der Donauverkehr — soweit er der Personenbeförderung dient — ist eine kostspielige Sache. Es sind ja nur vier Monate Dienst. Um so bedeutungsvoller ist die Entwicklung auch des Güterverkehrs. Im ersten Quartal 1957 sind 1,005.837 Tonnen befördert worden (1956: 650.054). Vom gesamten Güterumschlag entfielen auf Wien 47,1 Prozent (erstes Quartal 1956: 44,6), auf Linz 48,7 Prozent (48). Der Rest verteilt sich auf Krems, die leider noch viel zu wenig gewürdigte und bekannte Stadt, die sich immer mehr zu einem Industriehafen entwickelt, und auf andere Häfen.

Die Bedeutung von Linz — durch die Konzentration der Industrie in diesem Raum — wird unterstrichen mit der kürzlich erfolgten Eröffnung der modernsten Schiffanlegestelle Europas. Der Donaukai hat damit ein dem südlichen Ufer würdiges Gesicht erhalten. Die Abfertigungshalle der DDSG ist hochwassersicher. Rund drei Millionen Schilling kostete der Bau. Daß dreißig Firmen ihre Betriebsstätten verlegen mußten, sagt genug an Mühe aus, aber noch mehr sagt das Kuriosum aus, daß siebzig verschiedene Dienststellen, Aemter und Behörden mit dem Projekt der Abfertigungshalle befaßt waren, ehe man sich mit dem Bau befassen konnte!

Die Korneuburger Werft der DDSG zählt über 1000 Beschäftigte. Für das Jahr 1957 liegt ein guter Auftragsbestand vor — geldmäßig schätzt man ihn auf rund 100 Millionen Schilling. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Bestellungen der Sowjetunion im Rahmen des bestehenden Handelsvertrages. Man baut vier 1900-PS-Motor- zugschiffe für den Verkehr auf der Kataraktstrecke im Eisernen Tor. Auch die deutsche Bundesrepublik bestellte zwei Küstenmotorschiffe und zwei Rhein-See-Schiffe (Dienst Rhein- London). Für den Eigenbedarf der DDSG entstehen in Korneuburg ein Motorzugschiff mit 1000 PS und vier Güterkähne für Schüttgut (Erze oder Kohle). Die Kapazität der Werft ist voll ausgenützt; es laufen bereits Verhandlungen für 1958.

Es gibt noch Wünsche. Zunächst den nach einem reibungslosen, durchgehenden Verkehr bis ans Schwarze Meer — verheißungsvolle Verhandlungen über einen Gegenseitigkeitsvertrag mit der sowjetischen Donauschiffahrt sind schon eingeleitet. Die Donau ist ein verbindendes Band, eine Brücke des Friedens zwischen den Völkern von sieben Staaten. Jede Arbeit für den Verkehr auf der Donau ist eine Tat für den Frieden. Jeder der beteiligten Staaten möge das immer bedenken und das Gemeinwohl über eigene Nützlichkeitsinteressen stellen. Im Inneren sollten die Nützlichkeitserwägungen aber auch gründlich die Pläne zur Raumordnung an der Donau erfassen und besonders die Energiebauten prüfen. Schon die Donauausstellung im Schloß Petronell vor Jahresfrist zeigte die Gefahren auf, die sich hier — durch die konzentrierte Anlage von Staustufen — ergeben. Die letzte Ausstellung im Stift Klosterneuburg hat die Bedenken durch-, aus nicht zu zerstreuen vermocht. Man kann nicht früh genug und zu eindringlich vor Staustufen im Raume von Emmersdorf und Dürnstein warnen. Gewiß: die Landschaft, wie sie Rudolf von Alt in seinen Aquarellen der Nachwelt überlieferte, sie ging dahin. Aber hüten wir, neben dem Reißbrett stehend, das Gebliebene; bauen wir unter steter Bedachtnahme auf das Gesicht dieser Stromwelt, um die uns Europa beneidet, und stechen wir mit der Zirkelspitze nicht in das lebendige Herz dieser Landschaft, das weiterschlagen will.

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