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Gewaltsam ins Trockendock

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Die Donau weist zur Zeit au Grund der langanhaltenden Trok kenheit einen äußerst niedrigei Wasserstand auf. Mitte Jänner mal man bei der Wiener Reichsbrückl einen Pegelstand von 94 Zentimetern. Nach den Aufzeichnunger des hydrographischen Institutes is ein derartiger Tiefstand nur in der Jahren 1954 und 1964 gemessen worden. Der Fährbetrieb auf der Donai ist fast zur Gänze zum Stillstand gekommen. Aber die Personenschiff-fahrt wird — wenn es nach den Vorstellungen von Verkehrsministe] Frühbauer geht — im kommender Jahr zur Gänze am Trockenen bleiben: auch dann, wenn das Wassel wieder steigt.

Der letzte von vielen Versuchen die schwer defizitäre Donaudampfschiffahrtsgesellschaft zu sanieren dauert nun fast schon ein Jahr. Irr Frühjahr vergangenen Jahres erstellte man von Seiten der DDSG eir Maßnahmenpaket, das unter derr Titel „Uternehmenskonzept“ derr Verkehrsministerium Übergeber wurde. Das DDSG-Paket enthielt Rationalisierungs- und Sanierungsvorstellungen. Doch im Verkehrsministerium dauerte die Prüfung nicht einige Wochen, wie man aul Seiten der defizitären Donauschiffei optimistisch gehofft hatte, sondern schon bald ein Jahr — und nach wie vor ist keine Lösung in Sicht.

Die Fremdenverkehrsgemeinder an der Donau bangen nunmehr um die Einnahmen der kommenden Saif son. Der Boom an Besuchern, der in

- Vorjahr der Wachau einen Zuwach l um 30 Prozent beschert hatte, ist ge 3 fährdet. Denn auch die Donauschiff ; fahrt — nach wie vor eine Attrak

- tion für Wachaubesucher — erlebti l einen parallelen Zuwachs un t 25 Prozent. „Es gibt“, so betonter i sogar die Vertreter der Fremdenver

- kehrsgemeinden (die am 19. Jänne: i bei Verkehrsminister Frühbauer vor

- sprachen), „zuwenig Personenschiffe

■ Andere Schiffahrtsgesellschafter

■ warten bereits auf die Lücke, die di(

• DDSG in der Beförderung offenlas-t sen wird.“

Ein Vergleich der Fahrgastfrequenzen gibt den Fremdenverkehrsgemeinden recht: Von 1968 bis 1971 gelang es ausländischen Donauschif-

■ fern, ihre Fahrgastfrequenz un , 76 Prozent anzuheben. Insgesam i fuhren 1971 fast 58.000 Reisende mi

• Schiffen tschechischer, sowjetischer 1 bulgarischer, rumänischer und un-' garischer Linien. Die ungarische i Schiffahrtsgesellschaft TransilvaniE i steht heute an erster Stelle der aus-: ländischen Unternehmen — und sie

• beförderte allein mehr als 38.00C

■ Wachaubesucher. Die Donaudampf-! Schiffahrtsgesellschaft schiffte im sel-! ben Zeitraum — einschließlich Aus-' landsfahrten — aber nur um 20.00C i Reisende mehr. Dafür war die i DDSG 1971 nicht in der Lage, rund

40.000 Fahrtenlustige donauauf- unc i abzufahren, weil die vorhandener Schiffe infolge des niedrigen Wasserstandes nicht eingesetzt werden wird. Die häufigste Urlaubsdauer liegt zwischen 8 und 14 Tagen (53,3 Prozent), oder höchstens 15 und 21 Tagen (23,1 Prozent). Und für 82,6 Prozent jener, die ihre Ferien nicht zu Hause 'verbringen, genügt eine Urlaubsreise im Jahr, wobei wiederum nur 30 Prozent regelmäßig ihr Reiseziel wechseln. Der seltene Zweiturlaub wird eindeutig mehrheitlich an den heimischen Skipisten verbracht, denn die „Flucht vor dem Winter“ auf die atlantischen und ozeanischen Sonneninseln oder nach Thailand erfreut sich bei weitem noch nicht jener Beliebtheit, die den Veranstaltern von Pauschalflugreisen in die genannten Gebiete etwas Zufriedenheit abtrotzen würde. Mehr als 60 Prozent der Österreicher verreisen im Juli oder August, auf Juni und September entfallen zusammen etwa 20 Prozent und insgekonnten. Kleinere Schiffe aber fehlten.

Empörung erfüllte die Fremdenverkehrsobmänner der Donaugemeinden aber vollends, als sie sahen, daß für 1972 noch immer kein Fahrplan für die Schiffahrt auf der Donau vorhanden ist. Tausende Anmeldungen würden vorliegen; Reisebüros aus der deutschen Bundesrepublik, aus Europa und sogar aus Ubersee können aber nicht abschließen und Buchungen können vorläufig von der DDSG nicht angenommen werden. Die Misere ist eine totale.

Frühbauer erklärte mittlerweile den Fremdenverkehrsvertrprprn HaR strande und mehrheitlich verregnete Urlaubstage nur schwer auf eine etwa gleichteure Flugreise auf die wettersicheren Urlaubsinseln des Mittelmeers oder des Atlantik umpolen.

„Wir müssen uns eben bemühen, ein noch besseres Service zu bieten, um die Vorurteüe abzubauen, die man gerade in Österreich in bezug auf Reisen antrifft, wie wir sie anbieten — freilich haben nicht alte Reiseveranstalter au dieser Imagekorrektur beigetragen“, stellt man im Wiener Börsegebäude fest, wo seit einem Jahr der weltgrößte Reise-professionist, die Schweizer Reisebüro Ges. m. b. H. KUONI, ihre Wiener Niederlassung besitzt und von hier aus Ferienreisende an auch noch weitgehendst unentdeckte Ferienziete geleitet.

HARALD IRNBERGER

„die Donauschiffahrt ohne Zweifel ein bedeutungsvoller Faktor im Fremdenverkehr“ sei. Auch die im Zuge einer Vorsprache als unerläßlich bezeichnete Mitsprache der Finanziers in der Unternehmensführung fand Frühbauers vorläufiges Placet. Das Verlangen nach Änderung der DDSG-Führungsstruktur paßt zu den kursierenden Gerüchten, wonach die DDSG-Vorstandsdirekto-ren Polasek und Eseler abgelöst werden sollen. Frühbauer jedenfalls hat gegen eine geänderte Führungsstruktur keine Einwände.

Im übrigen betonte der Minister aber, daß die Gemeinden den Abschluß der zähen Verhandlungen über das „Unternehmenskonzept“ abwarten müßten. „Lediglich der Sommerfahrplan könnte“, nach der Erklärung des Ministers, „raschest nachgeholt werden“.

Was mit dem Wachauverkehr geschieht (im Verkehrsministerium denkt man vor allem an eine Einstellung des Donaubusses Wien— Hainburg und an die Personenschiffahrt Linz—Melk—Linz), bleibt vorderhand völlig offen. Angeblich sollen die endgültigen Entscheidungen erst nach Veröffentlichung des Konzeptes und nach dem Abschluß eventueller Finanzierungsverhandlungen zwischen Niederösterreich, Oberösterreich und dem Bund getroffen werden. Bis dahin bleibt die weiße DDSG-Flotte im Trockendock. Und in den Kassen bleibt Ebbe.

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