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Donau ohne DDSG?

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Vergangene Woche gab es in Sachen „DDSG“ zwischen den beiden großen Parteien einen kurzen, aber heftigen Schlagabtausch. Von ÖVP- Seite wurde nämlich verlautet, es gäbe sehr konkrete Hinweise dafür, daß Minister Frühbauer nun tatsächlich die Liquidierung der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft anstrebe. Sozialistischerseits holte man nach diesem Tiefschlag tief Luft und war drei Stunden später mit einem Dementi zum Gegenschlag bereit.

Wie kam es zu den Gerüchten um die Einstellung der DDSG? Als die Bilanzen immer trister wurden, arbeitete der Vorstand der DDSG ein Sanierungskonzept aus, das am 21. April 1971 vom Aufsichtsrat des Unternehmens verabschiedet wurde.

Die Minister Frühbauer und Doktor Androsch setzten zur Prüfung dieses Berichtes schließlich ein Beamtenkomitee ein. Die fünf Beamten, die sich mit dieser Materie zu befassen hatten, prüften fast fünf Monate lang, dann wurde das Konzept dem SP-Verkehrsminister Frühbauer vorgelegt. Das Komitee wartete auf weitere Orders, die nicht lange auf sich jvarte’n ließen: Mitte September kam die Anweisung, den DDSG- Vorstand mit einem peinlichen Auftrag zu betrauen — mit der Errechnung der Liquidationskosten des Unternehmens. Daß man sich dann in völliges Schweigen hüllte, macht die Angelegenheit keineswegs transparent, entschuldigt aber die SPÖ- Strategen, wenn man den nahenden Wahltag und die bei der DDSG beschäftigten 1500 Angestellten berücksichtigt.

Die genannten Tatsachen veranlaßten die ÖVP, der Regierungspartei Liquidationspläne nachzusagen. Bemerkenswert aber war am Frühbauer-Dementi, demzufolge der ÖVP-Pressedienst „vom Wahlkampffieber“ geschüttelt wurde, daß alle Facts bestätigt und darüber hinaus von „Reduktion und Straffung“ des

Linienverkehrs der DDSG gesprochen wurde. „Im Sinne der neuen Untersuchungen ist sicherzustellen“, hieß es in der Meldung des Verkehrsministeriums weiter, „wie der Betrieb der DDSG bis zur Fertigstellung des Rhein-Main-Donaukanales in den achtziger Jahren kostenbegünstigt aufrechterhalten werden kann. Von einer Liquidation ist keine Rede, da erwartet wird, daß sich die Rentabilität des Unternehmens nach der Fertigstellung dieses großen Kanalprojekts, das Transporte von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer möglich macht, grundlegend verbessert wird. Bis dahin sollen die Betriebsverluste so niedrig wie möglich gehalten werden.“

Also: Großes Warten auf 1985, dann soll für eine bis zum Scheintod gedrosselte österreichische Donauschiffahrt wieder die Sonne lachen.

1970 lachte sie nicht. Die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr weist immerhin einen Verlust von mehr als 56 Millionen Schilling aus. Dazu gesellt sich noch ein Verlustvortrag von insgesamt 67,4 Millionen Schilling, was die Gesamtverschuldung auf 124 Millionen Schilling erhöht. Allein aus dem Personenverkehr belief sich der Abgang 1970 auf 12 Millionen Schilling. Für heuer rechnet man wieder mit einem Verlust zwischen 50 und 60 Millionen. Allerdings ging es heuer in der Personenschifffahrt etwas aufwärts, während die im Vorjahr erzielte Tonnage im Güterverkehr auch heuer gehalten werden dürfte.

Kohle, Mineralölprodukte, Bleche und Erze sind die Hauptfracht der DDSG-Schlepper. Aber die Konkurrenz ist übermächtig. Wenn auch die DDSG die Frachtsätze aller Beförderungsmittel zu Land unterbieten kann und — kommt es nicht auf Geschwindigkeit an — noch immer die gegebene Transportart für groß- volumige Primärprodukte ist, so haben die Oststaaten in den letzten

Jahren nicht geschlafen. Die Schlepper aus Ungarn, Bulgarien und vor allem Rumänien arbeiten zu Dumpingpreisen und sind außerdem moderner und schneller.

Will Österreich wieder auf der Donau eine bedeutende Rolle spielen, dann wird die DDSG die modernsten — sprich teuersten — technischen Voraussetzungen dafür erhalten müssen.

Abgesehen von den Versuchen der beiden Großparteien, durch die DDSG dem Wahlkampf etwas Anstrich zu verleihen, muß man bei einer Einstellung oder nur Reduktion des Personenverkehrs beispielsweise (die schon öfters zur Diskussion stand), den Fremdenverkehr berücksichtigen. Noch immer nämlich sind die Ausflüge per Schiff in die Wachau populär. Ein Ende dieser Attraktion würde sicherlich für die Donaugemeinden Melk, Weißenkirchen, Spitz, Aggsbach und Krems einen empfindlichen Einnahmenentgang mit sich bringen.

Vor dem zweiten Weltkrieg gab es in der Wachau einen Lokalschiffsverkehr, der durchaus rentabel war. Am Wiederaufbau einer solchen Linie wären diese Gemeinden sehr interessiert, da man den Touristenstrom auf den kurzen Abschnitt der Wachau konzentrieren könnte, während so manchen die lange Anfahrt von Wien oder Linz aus vielleicht von einem Schiffsausflug abhält.

Der Bürgermeister von Melk, Doktor Kurt Wedl, gibt sich zu den Aussichten des Fremdenverkehrs nach einer möglichen Einstellung des Personenschiffverkehrs aber sehr pessimistisch: „Wenn man die Schiffe von der Donau verbannen will, so käme mir das so vor, als wollte man die Kirchen aus den Dörfern tragen.“ Und dann: „Ein derartiger Schritt würde einen geharnischten Protest auslösen, ganz egal, ob gerade ein SPÖ- oder ein ÖVP-Verkehrsminister verantwortlich zeichnet…“

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