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Die doppelte Verneinung

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Der Magistrat der Stadt Wien hat für das Kraftwerkprojekt Wien-Freudenau die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt. Dem Bescheid liegt ein Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz und Landschaftsschutz vom 5. März 1992 zugrunde.

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Der Magistrat der Stadt Wien hat für das Kraftwerkprojekt Wien-Freudenau die naturschutzrechtliche Bewilligung erteilt. Dem Bescheid liegt ein Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz und Landschaftsschutz vom 5. März 1992 zugrunde.

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Nachdem das Projekt den Amtsweg durchlaufen hat, gibt es keinen Grund mehr anzunehmen, daß die Staustufe im Wiener Raum nicht gebaut wird. Und doch sind zahlreiche Wissenschaftler, die sich dem Naturschutz und der Ökologie verpflichtet fühlen, verbittert: Universitätsprofessor Friedrich Schaller, Zoologe an der Universität Wien, zeigt sich „erschüttert" über die „O berfläch-lichkeit" der Behörden und zitiert unter anderem den Schlußsatz des entscheidenden Gutachtens: „Es ist dahernicht zu erwarten, daß der Bestand an geschützten Tierarten weder erschwert noch unmöglich gemacht wird." -

Die doppelte Verneinung ist eine typische Freudsche Fehlleistung. Konkret hieße das nämlich: Es sei daher zu erwarten, daß der Bestand an geschützten Tierarten sowohl erschwert als auch unmöglich gemacht werde.

Als Beispiel solch einer Erschwerung nennt Schaller das Naturdenkmal „Toter Grund". In Naturdenkmäler dürfen nach Wiener Naturschutzgesetz keine Eingriffe vorgenommen werden, „die dessen Bestand oder Erscheinungsbild gefährden oder beeinträchtigen können." Der „Tote Grund" ist ein Altarm der Donau auf der Donauinsel (ex lege Naturschutzgebiet),

Das Umweltgutachten der Gemeinde hält ausdrücklich fest: „Dieser Abschnitt der Donauinsel ... ist von den gravierendsten Eingriffen, sov/ohl während des Baus, als auch nach der Fertigstellung ... betroffen."

Die Wissenschaftler, die seit den stürmischen Tagen von Hainburg die Probleme der Donau studiert und an der Lösung mitgearbeitet haben, sehen sich in einem maßgebenden Punkt der Politikerversprechen getäuscht: „Diesmal wird alles mit rechten Dingen zugehen." Dem ist nicht so, wie die problematische Rechtsbehandlung der zuständigen Stellen der Gemeinde Wien zeigt.

Doch das ist nicht der Kern der Kritik. Das Zerlegen der Gesamtproblematik der Donau östlich von Greifenstein bis zur Staatsgrenze in kleinere Problemchen, die jedes auf seine Art gelöst werden sollen, hat den Ökologen die Möglichkeit zur Beeinflussung der Entscheidungsfindung genommen. Der Limnologe Fritz Schiemer (Beirat im Naturschutzverfahren der Stadt Wien) beschreibt das persönliche positive Erlebnis der interdisziplinären Arbeit, das sich im Laufe der Zeit aufgelöst habe. Die politischen Entscheidungszwänge wären stärker als die Sachüberlegungen gewesen. Um wirklich Klarheit zu bekommen, welches Dotationsmodell das beste gewesen wäre, um die Ein-tiefungsproblematik beherrschen zu können, wären nochmals zehn Jahre intensiver Forschung nötig gewesen.

Die Magistratsabteilung45 hat noch als Forderung die Erforschung der Grobschotterdotation verlangt, im Naturschutzverfahren, bei dem die Gemeinde Wien als Partei alle Möglichkeiten zur Wahrung ihrer Interessen ausnutzen kann, war von dem Versuch nicht mehr die Rede.

Die Problematik: In einem Durchschnittsjahr schwemmt die Donau unterhalb von Wien an die 100.000 Kubikmeter Schotter aus. Das soll durch Dotationen ausgeglichen werden. 50.000 Kubikmeter werden aus dem Freudenauer Stausee gebaggert, der Rest wird herbeigeschaffft. Das Modell hat für Schiemer den Nachteil, daß es zu ungenau ist. Bei Hochwasser wie jenem im vergangenen Jahr können unterhalb der Staustufe auch 900.000 Kubikmeter Schotter ausgespült werden. Und woher wird das Material genommen, wenn mehrere Jahre hindurch vermehrte Wassermengen die Eintiefung beschleunigen würden?

Der Landschaftsplaner Thomas Proksch (Mitarbeiter an der Prüfung der Umweltverträglichkeit des Kraftwerksprojekts Freudenau der Universität für Bodenkultur, Fachbereich Landschaftsplanung) meint: Die Staustufe Wien erfordert den Ausbau der Donau unterhalb der Bundeshauptstadt. Die Probleme würden sich eher verschärfen, obwohl aus den jetzigen Unterlagen nicht detaillierte Prognosen abgegeben werden könnten. Und diese Unsicherheit betrifft die Argumente der Kritiker ebenso wie die der Befürworter.

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