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Erst durch Schaden klug ?

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Die Bundeshauptstadt Wien ist in mehrfacher Hinsicht mit dem wasserrechtlichen Verfahren betreffend das Kraftwerk Hainburg verbunden.

Als Gebietskörperschaft, welche durch landesgesetzlichen Auftrag die Wasserversorgung sicherzustellen hat und entsorgen soll, als Trägerin verschiedener wasserrechtlicher Bewilligungen, welche unmittelbar oder mittelbar mit dem Versorgungs- oder Entsorgungszweck zusammenhängen, als betroffene Grundeigentümerin, als Regulierungsunternehmen, welches das Projekt für den Donauhochwasserschutz durchzuführen hat. und schließlich auch als Land.

Diesbezüglich hat die wasserwirtschaftliche Begutachtung durch das Wiener wasserwirtschaftliche Planungsorgan ergeben, daß durch das Projekt Hainburg im Bereich des Landes Wien lebenswichtige öffentliche Interessen berührt werden.

In mehreren Punkten sind keine ausreichenden Vorkehrungen zur Hintanhaltung von Schäden und Beeinträchtigungen getroffen worden. Das Vorsorgeprinzip und das Kooperationsprinzip sind vernachlässigt worden.

Warum? Sowohl die Bewilli-gungswerberin als auch die oberste Wasserrechtsbehörde stehen unter Druck, vor allem unter Zeitdruck. Das, was man gewissermaßen in Zeitlupe hätte durchführen sollen, wurde im Zeitraffer durchgeführt, und das nicht vollständig und ausreichend.

Hier enthüllt sich ein Dilemma des Umweltschutzes überhaupt. Es wird zuwenig und zu spät informiert. Es werden Strukturen geschaffen, und dann steht man unter Strukturzwängen. Es kommt zur Kraft des Faktischen, welche durch Zeitdruck noch stärker wird.

Lebenswichtige Prioritäten werden so vernachlässigt und durch Opportunitäten ersetzt. Die Hegemonie der kapital-, politik-und bürokratiestärksten Interessen setzt sich dann durch. Man kann Schäden im weiteren nicht verhindern, sondern bestenfalls vermindern. Das Sorgeprinzip für die Zukunft kommt zu kurz.

Ökologische, energie- und wasserwirtschaftliche Planung wird man am Beispiel des Kraftwerks Hainburg einmal studieren können. Aber im Hinblick auf mögliche Folgen muß man fragen, ob wir immer erst durch Schaden klug werden können?

Das, was man nur durch das Vorausgehen mehrerer Beobachtungszeiträume ermessen könnte, soll in Kurzzeit über die Bühne gehen. Es wurden keine genügenden Beweissicherungen vorgenommen.

Es geht vor allem um die Sicherung der Trinkwasserversorgung aus dem Grundwasserwerk

Lobau, und zwar nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft. Für die Wiener Wasserversorgung ist die Grundwassergewinnung aus der Unteren Lobau, wo bis zu 80.000 Kubikmeter pro Tag gepumpt werden, eine conditio sine qua non.

Wo sind die Projekte der DoKW (Donaukraftwerke AG), welche eine gesicherte Versorgung des Grundwa ssergenehmigungsge-bietes der Unteren Lobau mit der entsprechenden Wassergüte gewährleisten?

Warum wurde der Kontakt mit dem Wiener wasserwirtschaftlichen Planungsorgan nicht oder zu spät aufgenommen? Warum wurden die Grundsätze der Information und Kooperation nicht eingehalten?

Warum wurden technisch unbefriedigende Projekts vorschlage erstellt? Wie soll im Falle des Aufstaus der Donau bei Hainburg die Verpflichtung erfüllt werden, unterhalb Wiens in der Donau Gewässergüte II zu erreichen?

Wie steht es um die Folgen auf die bewilligten Abwassereinleitungen der Mineralölindustrie? Welche Vorsorge wurde für Hochwasserereignisse im 2. und 11. Bezirk getroffen?

Welche Beweissicherungen hat die DoKW in bezug auf durch Hebung des Grundwassers entstehende Folgen in wasserrechtlicher, hydrologischer, baulicher, landwirtschaftlicher Hinsicht getroffen?

Warum ist die DoKW auf die wasserrechtlich genehmigten Projekte im Rahmen des Wiener Hochwasserschutzes nicht eingegangen? Warum wurden die Beweissicherungsprogramme für die Quantität und Qualität aller betroffenen Grund- und Oberflächengewässer nicht konkretisiert?

Fragen über Fragen, welche das gesamte Projekt in Frage stellen. Die Wiener ÖVP hat aus mehreren Gründen „nein" zum Kraftwerk Hainburg gesagt. Die SPÖ hat ja, aber, ja, wenn gesagt.

Vielleicht kann man heute vieles nur mit ja, aber, ja, wenn beantworten. Die Ja-aber-Politik entspricht einer widersprüchlichen, interessengegensätzlichen Gesellschaft, welche sich über ihre Prioritäten nicht im klaren ist.

Die Ja-aber-Politik ist für uns so typisch. Aber wenn das „Aber" immer größer wird, je mehr gefragt wird, muß man da nicht nein sagen?

Der Verfasser ist Professor für Rechtslehre an der Universität für Bodenkultur und Wiener OVP-Gemeinderat

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