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Die Metropole am Stausee

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Am Höhepimkt der Hainburg-Auseinandersetzung im Winter 1983 schien die Staustufe Wien die Rettung. Von Rot bis Schwarz, von Blau bis Grün plädierten alle für ein Vorziehen der Staustufe Wien.

Kritiker, die damals schon vor „Wien am Stausee" warnten, wurden als Kleinkarierte belächelt. Und heute droht die Staustufe Wien zu einem „Hainburg anderer Art" zu werden.

Die Junge OVP-Wien sammelt bereits — geduldet und gefördert von Parteiobmann Erhard Busek — Unterschriften für eine Volksabstimmung gegen die Staustufe Wien.

Und selbst der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, dessen Parteifreunde von der Staustufe Wien bereits geschwärmt haben, spricht sich nicht mehr gegen eine Volksbefragung aus. Zilk ist ge-vift und legt dem Bund ein Ei: In einem Brief an Bundeskanzler Franz Vranitzky ersucht er den Kanzler um die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Detail am Rande: Zilk schiebt die Verantwortung in Richtung Bundes-ÖVP ab. Die Ressorts Wirtschaft, Landwirtschaft und Umweltschutz, ihnen stehen ja ÖVP-Minister vor, sollen entscheiden.

In der Wiener SPÖ sind trotz der Fast-Festlegung für eine Befragung durch Bürgermeister Helmut Zilk die Fronten noch nicht klar abgesteckt. Der Klubobmann der sozialistischen Rathausfraktion, Hannes Swoboda, aber unterstützt Zilk massiv: ,jOhne eine Befragung der Bevölkerung dürfte es offensichtlich nicht gehen." Zum Zeitpimkt befragt, meint Swoboda: „Ich nehme nicht an, daß das heuer noch stattfinden wird." Auch über die Art der Befragung will sich der SPÖ-Klubchef nicht festlegen.

Dafür setzte sich der Verbundgeneral Walter Fremuth gehörig in die Nesseln. Kaum hatte sich die Donauraumjury einstimmig für die Errichtung der Staustufe Wien ausgesprochen, preschte er vor: Er hoffe bereits auf einen Baubeginn spätestens 1988.

Bürgermeister Zilk winkte sofort ab, es f düten noch die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Bürgerbefragung, ehe von einem Baubeginn auch nur gesprochen werden könne.

Noch vor der Jury-Entscheidung meldeten sich auch die früheren Hainburg-Aktivisten zu Wort. Unter Führung von Au-Hirsch Günther Nenning und dem derzeitigen Mitarbeiter von Umweltministerin Marilies Flem-ming, Gerhard Heilingbrimner, lehnten sie die Staustufe Wien bereits kategorisch ab. Das Material für diese Haltung lieferte der ÖVP-Gemeinderat Johannes Hawlik, ein enger Busek-Vertrauter, frei Haus. Sinnigerweise auf einem Donauschiff, der „Theodor Körner", lud Hawlik die Wissenschafter Franz Boroviczeny (Geologische Bundesanstalt), Werner Katzmann (Institut für Gesundheitswesen), Erwin Rasinger (Umweltsprecher der Wiener Ärztekammer) und Fritz Schie-mer (Institut für Zoologie) zu einem Umwelt-Hearing ein.

Grundtenor dieser Veranstaltung: Derzeit stünden noch zuwenig Daten zur Verfügung, um gesicherte Aussagen über das „Verhalten" der Donau beim Aufstauen machen zu können.

Und Boroviczeny betonte: „Wenn die Staustufe Wien gebaut wird, dann ist auf lange Sicht die Grundwasserversorgung der Stadt Wien ruiniert." Diese Aussage wiederum läßt die Rathaus-Sozialisten völlig kalt, da ihrer Meinung nach die Versorgung der Bundeshauptstadt mit Hochquellwasser zu mehr als 95 Prozent gedeckt sei und das Grundwasser normalerweise gar nicht benötigt werde.

Immerhin kamen die einen Experten zur Auffassung, ein Austrocknen der Lobau würde die Trinkwasserversorgung in den Gebieten nördlich der Donau in Frage stellen. Beim Stau würde es ernste Grundwasserprobleme geben, und bei Hochwasser drohe Wien eine „Gatsch-Bombe".

Dem stehen wiederum andere Experten gegenüber, denen die Vertiefung der Donau-Flußsohle Sorgen bereitet. Da die Donau oberhalb Wiens bereits mehrfach gestaut sei, könne nun kein Geröll, kein Schotter mehr nachgeschoben werden. Da die Donau eine relativ hohe Fließgeschwindigkeit hat, werde der im Raum Wien vorhandene Schotter in nur wenigen Jahrzehnten donauab-wärts geschwemmt, ohne daß „Nachschub" kommt.

Busek wiederum bezeichnet diese Befürchtungen als übertrieben, „einen Grand Canyon" bei Wien werde es sicher nicht geben. Dafür malt Busek das drohende Bild einer Stadt am Stausee und stellt die Frage, welche Großstadt der Welt an zwei Ufern eines großen Sees liege.

Die ökologischen Argumente der Jury für den Staudamm, die Sicherung des Grundwassers für die Badeparadiese Neue und Alte Donau, sind für Busek und seine Experten nicht überzeugend. Da gebe es eine Auskunft der obersten Wasserbaubehörde, nach der die durch die zahlreichen Kraftwerke bedingte Eintiefung keineswegs gefährlich sei.

Die Wiener FPÖ, sie ist mit zwei Mann im Gemeinderat vertreten, macht es sich leicht. Rainer Paw-kowicz, von Zivilberuf Architekt, meint lakonisch: „Die Staustufe Wien haben Volkspartei und Sozialistische Partei gemeinsam zu verantworten." Und mit ein wenig Schadenfreude verweist Pawko-wicz darauf, daß gerade Erhard Busek und seine Freunde in der Hainburger Au nach der Staustufe Wien gerufen hätten.

Die wesentlichsten Kritikpunkte am Wettbewerb über die politische Diskussion hinaus aber sind:

• In Anbetracht der Größe des Projektes („Jahrtausendprojekt") war selbst größeren Teams die Ausschreibungsfrist mit nur fünf Monaten zu kurz.

• Die Ausschreibung für den städtebaulichen Teil des Wettbewerbs setzte die Staustufe Wien voraus. Wer für eine „Null-Lösung" eintreten wollte, konnte sich an diesem Wettbewerb gleich gar nicht beteiligen.

• Die Bürgerbeteiligung am Projekt war eigentlich eine Farce. In den Fragebögen wurde die Frage „Staustufe - Ja oder Nein" überhaupt nicht gestellt. Sie wurde stillschweigend vorausgesetzt. Und ob 4.000 Einsendungen als große Bürgerbeteiligung gelten können, darf angezweifelt werden.

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