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Mehr Republik durch Hamburg

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Vor vier Jahren tobte der Streit um die Halnburger Donauau. Eine Generalprobe für eine veränderte Gesellschaft. Durch Hainburg aber ist Österreich mehr Republik geworden.

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Vor vier Jahren tobte der Streit um die Halnburger Donauau. Eine Generalprobe für eine veränderte Gesellschaft. Durch Hainburg aber ist Österreich mehr Republik geworden.

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Wie Zwentendorf war Hainburg eine Generalprobe für eine veränderte Gesellschaft. Beide Orte sind zum Symbol geworden. Zum vieldeutigen Symbol.

Hainburg war grüner Patriotismus im Winter, Bürgererwachen, neue Brüderlichkeit, Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit. Die Mutter Natur, die Schwester Au und der Bruder Baum wurden entdeckt.

Hainburg vermittelte ein neues Gemeinschaftsgefühl: Ein Gefühl des Miteinander und Füreinander in Solidarität mit der Natur. Die Nation Österreich wurde mit der Natur konstituiert.

Österreich ist durch Zwentendorf und Hainburg mehr Republik geworden. Die Teilhabe an der politischen Öffentlichkeit oh-

ne Parteien war etwas Neues. Es war ein Ubergang vom Parteipatriotismus zum Partizipationspatriotismus. Dazu kamen Wertewandel und -wende, Fundamentalopposition gegen die „ökono-mokratie“, gegen das „bigger is better“ der Wohlstandsgesellschaft.

Hainburg war auch ein Symbol für den Widerstand, für den Widerstand auch gegen den Staat, für das Widerstandsrecht gegen die Staatsgewalt in einer demokratischen Republik. Ein Grundkonsens der Zweiten Republik blieb aber lebendig: Die Durchsetzung von Interessen ohne Gewalt.

Der gewaltlose Widerstand besteht im wesentlichen in einem neuartigen Gebrauch der Grund-und Freiheitsrechte. Man wird auch für die Zukunft weniger von den auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene vorhandenen Einrichtungen der direkten Demo-

kratie zu erwarten haben, als von der „politischen“ Handhabung der Grund- und Freiheitsrechte. Sie werden nicht mehr so sehr als „Freiheit vom Staat“, sondern als „Freiheit im Staat“, aber auch „gegen den Staat“ verstanden. Der Kampf ums Recht, fürs Recht und gegen das Recht wurde bewußt.

Die Politisierung des Konkreten, des Details, der Peripherie war etwas Neues. Der Umstand, daß die Menschen aus dem Zentrum an die Peripherie fuhren, um gegen das Zentrum zu demonstrieren, darf freilich nicht vergessen machen, daß sie auch im Zentrum demonstriert haben.

Hainburg zeigte auf, daß Verwaltungsverfahren manchmal politischer sind als Verfassungsverfahren, Gesetzgebungs-Gerichtsverfahren. Hainburg brachte das Wissen, daß „Partei-Sein“ im Verwaltungsverfahren politisch mehr bedeuten kann als „Partei-Sein“ im politischen Prozeß.

Hainburg machte bewußt, daß Großprojekte im Verfahren genauso behaYldelt werden wie Kleinanlagen. Sie sind sogar hinsichtlich der Durchsetzbarkeit privilegiert. Nicht zuletzt aus diesem Bewußtsein der Ungleichheit entstand die Forderung nach Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung.

Welche Phasen kann man im Fall Hainburg unterscheiden?

Zunächst die Formulierung der Interessen, ihre Präsentation und Repräsentanz in der Öffentlichkeit, die Dramatisierung auf der Bühne der Massenmedien, die Skandalisierung am Ort des Geschehens und dann die Nachdenkpause …

Die Verfahren und Ereignisse rund um Hainburg zeigen, wie kompliziert der Ablauf von Entscheidungen in der gewandelten Gesellschaft ist. Es sind mehr und neue politische Akteure in der politischen Arena, es besteht eine

neue Gegenläufigkeit von Interessen, ein anderes Nebeneinander von Wertsystemen. Hainburg kann überall sein.

Die Ereignisse um das beabsichtigte Donaukraftwerk bei Hainburg haben eine Fülle von Rechtsproblemen aufgeworfen. Recht ist ein Wesenselement der Gesellschaft und macht sie erst zur Gemeinschaft. Rechtsinformation gehört zur Aufklärung.

Strategie des Friedens

Zur Bildimg gehört auch die Rechtsgesinnung. Fragen des praktischen Rechts und der Politik können nicht beantwortet werden ohne Kenntnis des geltenden Rechts. Gerade bei der Unübersichtlichkeit des vorliegenden Falles bedarf es der Aufklärung. Wie in einem Spiegel sind die Widersprüche und Gegensätze unserer Gesellschaft in diesen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen und Verfahren erkennbar.

Soll Recht eine Strategie des Friedens sein, dann muß es den veränderten Bedingungen der Gesellschaft angepaßt werden. Dazu gehören die Bürgerbeteiligung bei Großprojekten und die Umweltverträglichkeitsprüfung. Dabei sollte man nicht Entweder-Oder“ zwischen Bürgerbeteiligung und Umweltanwalt in die Rechtsordnung einbringen oder rechtspolitisch vertreten, sondern ein „Sowohl-als-Auch“. Denn nur mit dieser maximalen Strategie kommt man der optimalen Lösung näher, nämlich der Objektivierung, Rationalisierung und Demokratisierung des Verfahrens.

Der Autor, Professor für Rechtslehre, ist Dritter Präsident des Wiener LandUget.

Vergleich dazu: DER STREIT UM HAIN-BURG. Selbstverlag der Akademie für Umwelt und Energie in Laxenburg, 1988; 700 Seiten.

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