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Eiertanz rund um Hainburg

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Das beliebteste Spiel im blaugelben Landhaus ist derzeit „Hainburg Pingpong". ÖVP und SPÖ versuchen einander die unpopuläre Entscheidung über den Bau des Donaukraftwerks Hainburg zuzuspielen. Denn für das Naturschutzverfahren ist das Land Niederösterreich zuständig.

Noch hat man im Landhaus selbst „Galgenfrist". Denn am Zug sind derzeit die drei von einem Kraftwerksbau im Raum Hainburg unmittelbar betroffenen Bezirkshauptmannschaften Bruck a. d. Leitha, Gänserndorf und Wien-Umgebung. Als Naturschutzbehörden erster Instanz haben sie ein Naturschutzverfahren abzuwickeln.

Kraftwerksgegner und Auwaldretter aller Schattierungen haben schon vor Wochen das Feuer auf die drei Bezirkshauptmänner eröffnet. Die Munition reicht dabei von Gutachten, die die Einmaligkeit der Donaustrom-Aulandschaft rund um Hainburg ausweisen, bis zur Anzeige „gegen anonyme Täter" wegen des Verdachts auf Amtsmißbrauch.

Aber auch Briefe und Postkarten mit persönlichen Drohungen gegen die Verwaltungsbeamten und ihre Familienangehörigen sind immer wieder im Amtseinlauf.

Diese ständigen Angriffe haben bereits die Bezirkshauptleute bewogen, ihrerseits Anzeige wegen des „Verdachtes der versuchten

Einflußnahme auf eine Amtshandlung" gegen Anonym zu erstatten.

Das Naturschutzverfahren erster Instanz soll — wie man hört — Mitte Mai, Anfang Juni vorliegen.

Alle Bezirkshauptleute im Land unter der Enns werden von der ÖVP gestellt. Wie immer die Entscheidung im „Hainburg-Verfahren" erster Instanz lauten wird, sie wird der ÖVP in die Schuhe geschoben werden.

Trotzdem triumphiert die ÖVP bereits. Denn als zweite Instanz im Naturschutzverfahren hat der Naturschutz-Landesrat zu entscheiden. Und der Naturschutz-Referent der Nö Landesregierung ist Ernest Brezovszky, SPÖ.

In der Gerüchteküche der Lan-des-Schwarzen wird schon eifrig herumgekocht. Brezovszky sei ein „braver Parteisoldat". Er werde auf den Naturschutz pfeifen, zum Bau des Donaukraftwerks Hainburg seinen Segen geben und dann als Naturschutzlandesrat den Hut nehmen.

Aber in der ÖVP reibt man sich vielleicht zu früh die Hände. Möglicherweise erweist er sich nicht als der „brave Parteisoldat", der den Genossen auf Bundesebene und im ÖGB die Mauer macht. Brezovszky könnte eine Entscheidung an die Landesregierung abtreten. Und die ist in Niederösterreich mehrheitlich „schwarz"...

Landeshauptmann Siegfried Ludwig scheint mit diesem Schachzug der „Roten" im „Hainburg Pingpong" zu rechnen. Zumindest hat er schon vor längerer Zeit davon gesprochen, er wolle den Landtag mit der Frage Hainburg befassen. An sich ein unmöglicher „Fluchtweg", denn das „blau-gelbe Parlament" ist in keiner Weise zuständig.

Ludwig muß das eingesehen haben. Denn in seinen jüngsten Erklärungen forderte er den Nationalrat auf, ein „Hainburg-Volksbegehren" wirklich ernst zu nehmen.

Ein Anti-Hainburg-Volksbegehren will JVP-Bundesobmann Othmar Karas, der „Schwarzen" jüngster Abgeordneter zum Nationalrat (aus Ybbs in Niederösterreich) starten. Und für diese Idee findet er bereits jetzt die Zustimmung vieler „Grüner" und auch die starker Gruppen aus den Reihen der Jung-Sozialisten.

Die Einleitung eines Volksbegehrens braucht natürlich Zeit. Will Siegfried Ludwig die „goldene Brücke", die ihm Othmar Karas bauen will, benützen, so muß er Zeit gewinnen. Nun, vielleicht müssen für das Naturschutzverfahren in erster oder zweiter Instanz dann doch noch einige Gutachter zusätzlich befragt werden ...

Eigentlich wäre das „Hainburg Pingpong" zwischen ÖVP und SPÖ in Niederösterreich überflüssig, würden sich beide Parteien an ihre erst vor den Landtagswahlen 1983 fertiggestellten Arbeitsprogramme halten. Sowohl im „Modell Niederösterreich" der ÖVP, wie auch im Programm „Niederösterreich 90" der SPÖ sind Bekenntnisse zur Nutzung und zum weiteren Ausbau der Wasserkraft enthalten.

Die SP-Spitzenpolitiker bekennen sich zu diesem Programm. Mit Auflagen (möglichste Schonung der Au, Schutz des Grundwassers und der Deutsch Alten-burger Heilquellen) sind sie auch für den Bau des Donaukraftwerks Hainburg.

Die ÖVP-Spitzen haben es schwerer. Zu frisch ist die Erinnerung an den „Denkzettel", den Ex-Landeshauptmann Andreas Maurer wegen Zwentendorf bei den Landtagswahlen 1979 erhalten hat. Außerdem tritt der Arbeitnehmerflügel der blau-gelben Volkspartei für den Bau von Hainburg ein und natürlich auch der Wirtschaftsbund.

Darum spielt Ludwig Pingpong. Und tanzt dabei auf Eiern ...

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