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Der magische 6. Jänner '85

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Bis zum 6. Jänner 1985, bis zum Dreikönigstag also, muß die nächste Hain-burg-Entscheidung fallen. Unberührt dürfte die Aulandschaft bis dahin dennoch nicht bleiben.

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Bis zum 6. Jänner 1985, bis zum Dreikönigstag also, muß die nächste Hain-burg-Entscheidung fallen. Unberührt dürfte die Aulandschaft bis dahin dennoch nicht bleiben.

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In Niederösterreich geht das „Hainburg-Ping-Pong" weiter. Mit Verzögerung. Die Donaukraftwerkspläne wurden im Naturschutzverfahren der zuständigen Bezirkhauptmannschaften abgelehnt.

Nun ist die zweite Instanz am Ball: das Naturschutzreferat des Landes. Aber Naturschutz-Landesrat Ernest Brezovszky, SPÖ, hat bis 6. Jänner 1985 Entscheidungsfrist. Der „Dreikönigstag" ist somit zum „magischen Datum" für Hainburg-Gegner und Befürworter geworden.

Mit Hinweis auf den -6. Jänner blockt Brezovszky alle Fragen nach dem Fort- und möglichen Ausgang des Hainburg-Verfahrens ab. So daß der Eindruck entstehen kann, er werde die gesetzliche Frist tatsächlich bis zum letzten Tag „auskosten". Und dies, obwohl der Landesrat von ÖVP und SPÖ im Landtag am 12. Juli „ersucht" wurde, als zweite Instanz „zum ehest möglichen Zeitpunkt" zu entscheiden.

Der „gelernte VerwaltungsJurist" (Brezovszky über Brezovszky) fühlte sich damals durch das Vertrauen des Landtages geehrt. In seiner Replik auf die Abgeordneten - SPÖ und ÖVP zogen mit dem Appell erstmals in Sachen Hainburg an einem Strang — erinnerte er daran, daß Landeshauptmann Siegfried Ludwig (ÖVP) „die Entscheidung auch an sich ziehen und sie dem Kollegialorgan der Landesregierung" hätte zuführen können.

Dann aber — das sprach Brezovszky nicht aus — wäre die Landes-ÖVP auch in eine Entscheidung eingebunden gewesen. So aber muß der „rote" Landesrat Brezovszky die negativen Entscheidungen der drei „schwarzen" Bezirkshauptleute von Gänsern-dorf, Bruck/Leitha und Wien-Umgebung überprüfen und—vielleicht — revidieren.

Die drei Hofräte haben sich den abschlägigen Bescheid im ersten

Naturschutzverfahren nicht aus den Fingern gesogen. Von vier Gutachtern, die das Land den Bezirkshauptleuten empfohlen hatte, hatten sich drei gegen das Donaukraftwerk ausgesprochen: Forstexperte Alfred Gerl, Grund-wasserfachmänn Wolfgang Bur-böck und Oberbaurat Wilfried Tepser.

Nur Österreichs bekanntester Zoologe, Otto Koenig, war für das Donaukraftwerk eingetreten. Was ihn sofort ins Kreuzfeuer „grüner" Kritiker brachte.

Die gern als „Rothirsche" und „Kormorane" auftretenden Initiatoren des Anti-Hainburg-Volksbegehrens versuchten dem „Tierprofessor" sogar aus dem eigenen Gutachten einen Strick zu drehen. Sie zitierten aus Koenigs Expertise folgenden Satz: „Wollte man nun ein Kraftwerk errichten, stünde das im Widerspruch zum Naturschutzgesetz... Bei einer Meinungsänderung müßte der Gesetzgeber ... die eigenen Beschlüsse aufheben oder zumindest revidieren."

Schluß der .Jlothirsche": Selbst der Befürworter Koenig bezeichnet das Donaukraftwerk als „illegal".

Was den Verwaltungsjuristen Brezovszky gegen Koenig aufbrachte: „Seine Aussagen sind die eines juristischen Amateurs." Der „Tierprofessor" hingegen präzisierte seine Expertise inzwischen. Aus der Sicht des klassischen Naturschutzes sei Hainburg abzulehnen. Denn klassischer Naturschutz ziele nur auf Erhaltung. Aus der Sicht des übergreifenden Naturschutzes sei ein Eingriff, der den Schutz eines Gebietes für alle Zukunft garantiere, zu begrüßen.

Und Otto Koenig verweist auf das rapide Absinken des Grundwasserspiegels in der Hamburger Au. „Eine Bewässerung wird in spätestens zehn Jahren notwendig und die kann am besten und billigsten über einen höher gelegenen Stausee erfolgen."

Hier nun findet Koenig unvermutet Schützenhilfe durch die Klubjuristen der ÖVP im Landtag. Auch sie treten für eine „dynamische Auslegung des Naturschutzes" ein. Ihr Argument: Naturschutz wird sinnlos, wenn er jeden Eingriff verhindert und dadurch ein Naturschutzgebiet „zu Tode schützt". Wenn das Kraftwerk die Au vor Austrocknung bewahrt, könne sein Bau „unter Umständen" mit den Bestimmungen des Naturschutzgesetzes in Einklang gebracht werden.

Die „Rothirsche" wollen von „dynamischem Naturschutz" nichts wissen. Sie argwöhnen, daß Landesrat Brezovszky nun neue Expertisen einholen will, die Kraftwerk und Naturschutz unter einen Hut bringen sollen.

Dazu der Landesrat: „Blanker Unsinn!" Daß er aber neue Gutachten einholt, das räumt er ein. Denn: „Eindeutige Verwaltungsgerichtshof-Entscheide wurden von den Gutachtern für die erste Instanz nicht berücksichtigt."

Es wird also noch einiges Donauwasser an der Hainburger Au vorbeifließen, bis Brezovszky seine Entscheidung „nach bestem Wissen und Gewissen" fällen kann.

Das beunruhigt Niederösterreichs Arbeiterkammerpräsident Josef Hesoun. „Je länger Brezovszky für seine Entscheidung benötigt, desto mehr eskaliert der Streit um das Kraftwerk", meint er.

Und er verweist auf die von „Grünen" in der Hainburger Au geplanten „Uberlebenstraining-Camps", durch die nach in der BRD bewährtem Vorbild Bauvorhaben verhindert werden sollen. Hesoun: „Eine Herausforderung für unsere Leute!" Und der Kammerpräsident fürchtet Radikalisierung bei Gewerkschaftern und um ihren Arbeitsplatz bangenden Arbeitern in der Kraftwerksbranche.

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