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Macht vor Recht

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Zugegeben: Es ist schwierig, sich dem religionskriegartigen „Kampf um Hainburg" zu entwinden. Ich möchte daher in Kürze versuchen, das Sichere vom Unsicheren zu trennen.

• Sicher ist, daß in einer Verordnung der NÖ Landesregierung vom 24. April 1979 über Landschaftsschutzgebiete die Donau-March-Thaya-Auen zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurden. Damit wurde für das Gebiet

ein besonderer naturschutzrechtlicher Status begründet.

• Das NÖ Naturschutzgesetz schreibt vor, daß eine Bewilligung im Landschaftschutzgebiet zu versagen ist, wenn durch Maßnahmen oder Vorhaben

— das Landschaftsbild,

— die Landschaft in ihrer Schönheit und Eigenart oder

— der Erholungswert der Landschaft für die Bevölkerung und für den Fremdenverkehr dauernd und maßgeblich beeinträchtigt werden und nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen die Beeinträchtigung weitgehend ausgeschlossen werden kann.

• Sicher ist, daß in der Regierungserklärung Sinowatz der Bau des Kraftwerks Hainburg als gegeben angesehen wird, obwohl mit einem rechtlichen Verfahren für die Bewilligung nicht begonnen worden ist.

• Eine Petition des österreichischen Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, der vor dem geplanten Kraftwerksbau warnt, wird im Parlament nicht behandelt.

• Im gesamten Naturschutzverfahren haben betroffene Anrainer und Gemeinden keine Parteistellung. Die einzige Partei in diesen Verfahren ist die DOKW (Donaukraftwerke AG).

Weil dies als nicht mehr zeitgemäß und auch als ungerecht angesehen wird, ändert der NÖ Landtag diese Bestimmungen. Das NÖ Naturschutzgesetz wird im November dieses Jahres novelliert, sodaß Gemeinden automatisch Parteistellung im Verfahren haben.

Überdies wird in einem neu beschlossenen Umweltschutzgesetz die Parteistellung des Umweltanwaltes grundgelegt.

Alle diese Bestimmungen wurden (wie zum Hohn) zwar jetzt beschlossen, haben aber auf das laufende Verfahren keinerlei Einfluß mehr, da sie erst ab 1. Jänner 1985 in Kraft treten.

• Der zuständige Landesrat für Naturschutz erteilt die Bewilligung für den Bau des Kraftwerks, indem er sich auf Gutachten stützt. Weder Gutachter noch Gutachten sind bekannt.

• Im Parlament wird ein Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz eingebracht. Dieses Gesetz sieht kein Beschwerderecht der Bevölkerung vor.

Das sind in Kürze die sicheren • „Dinge", denen die „unsicheren" gegenüberstehen, nämlich:

• Ob man ein solches Kraftwerk überhaupt braucht (ein Bericht der E-Wirtschaft, der jüngst an die Öffentlichkeit kam, sprach von einem Stromüberschuß);

• ob Grund- und Trinkwasser Wiens nicht in einer unwiederbringlichen Weise gefährdet werden;

• was es bedeutet, 800 Hektar Au zu zerstören.

Schon die sicheren Dinge müssen einen einfachen Bürger skeptisch machen: Warum macht man aus einem Projekt, das angeblich im öffentlichen Interesse steht, ein „Geheimprojekt"? Nicht einmal beteiligte Parteien wie die Gemeinde Wien kennen das Projekt oder die Gutachten.

In der Regel aber wird dort verheimlicht, wo es etwas zu verheimlichen gibt. Wer ein gutes Gewissen hat, kann das Verfahren doch öffentlich abwickeln, die Gutachter nennen, die Gutachten auf den Tisch legen.

Von den sicheren Dingen bleibt, daß es Gesetze gibt, die gebrochen werden (NÖ Naturschutzgesetz), daß Betroffene keine Mitsprache haben, daß die Öffentlichkeit getäuscht oder gar nicht informiert wird.

Es ist daher nur zu verständlich, daß immer mehr Bürger dem geplanten Kraftwerksbau gegenüber skeptisch werden. Und zwar wegen der sicheren Dinge, die man weiß, gar nicht so sehr wegen der unsicheren, die noch viel schwerer wiegen.

Der Autor ist OVP-Landtagsabgeordneter und Gemeinderat in Wien.

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