Eine neue Generation der Politik

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Es war eine Zäsur in der österreichischen Politik: Tausende Jugendliche besetzten die Stopfenreuther Au an der Donau bei Hainburg, zwangen gegen Polizeiknüppel die Regierung in die Knie, brachten ein Kraftwerksprojekt zum Einsturz. Das bis dahin gänzlich Undenkbare war geschehen: Ein aus dem Nichts entstandener Haufen aus Tausenden Demonstranten trieb Regierung, Exekutive, Sozialpartner und Energiewirtschaft in den ungeordneten Rückzug. Im Buch zur Geschichte der politischen Beteiligung in Österreich begann vor 25 Jahren, im Dezember 1984, ein neues Kapitel. Doch die Kräfte dieser Ära haben sich erschöpft. Die Ballons tollkühner Träume einer starken grünen Kraft in Parlament und Regierung sind geplatzt, den Ballonfahrern, die auf schwarz-grünem Bündniskurs fuhren, fehlen Auftrieb und günstige Winde.

Grüne Kriegsgewinnler

Wenn die Auseinandersetzung zwischen den Betreibern des Kraftwerksprojektes Hainburg und ihren Gegnern schon eine Art von Krieg gewesen sein soll, dann sind die Grünen die Kriegsgewinnler der ersten Stunde. Die Besetzung der Au war nämlich keine genuin grüne politische Leistung, sondern eine von unabhängigen Jugendlichen mit eigener Meinung, mit neuen Ansichten, mit neuer Bereitschaft zum Engagement.

Im Unterschied zu den heutigen Manifestanten waren sie, darin den 68ern ähnlich, technisch miserabel ausgestattet, aber politisch klar im Kopf. Wer heute demonstriert, etwa für bessere Studienbedingungen, ist hingegen technisch bestens vernetzt, aber politisch unzureichend artikulations- und argumentationsfähig.

Bei den Besetzern der Au vor 25 Jahren und bei den Besetzern der Hörsäle von heute haben sich jedenfalls die Grünen als politische Erbschleicher und Abstauber eingeschleimt. Sie versuchen die Fahne der Moral an sich zu reißen und das zivilgesellschaftliche Engagement für sich zu vereinnahmen. So sollte es ihnen, das ist der Plan, gelingen, sich zum parlamentarischen Pendant einer großen außerparlamentarischen Strömung zu stilisieren.

Auf die wenig bahnbrechende Idee, Wertschätzung für Natur und saubere Umwelt zum eigenen Anliegen zu machen, kamen alle Parteien. Wenn sich die in Wahrheit zynischen Machthaber als mildtätige Menschenfreunde geben, ist des kritischen Bürgers Aufmerksamkeit gefordert. Das zeigte sich auch diesfalls: Sowohl die etablierten Parteien als auch die Grünen verhindern gezielt und vorsätzlich die seit Hainburg denkbare Erweiterung des politischen und des sozialpartnerschaftlichen Spektrums um eine ökologische Kraft. Die Klassensprecher von Kapital und Arbeit bleiben lieber unter sich, als die Vertreter von Natur und Umwelt zum Dritten im Bunde der Sozialpartner zu machen. Es sind diese Erderwärmer, die ökologischem Fortschritt und energiepolitischen Alternativen gut gepolstert im Wege sitzen.

Weder anbiedern noch prügeln

Eine Generation nach den Ereignissen von Hainburg ist noch festzuhalten, dass – neben der Erweiterung der Sozialpartnerschaft um die Ökologie – zwei weitere Projekte gescheitert sind: die Generation Hainburg hat ihren Einzug in die etablierte Politik nicht geschafft, ebenso wenig ein schwarz-grünes Koalitionsexperiment. Das war damals ein Generationenprojekt, weil es bürgerliche Elternhäuser mit ihrem ökologisch-alternativ gesinnten Nachwuchs in einer Regierung zusammengeführt und damit versöhnt hätte. Die Geschichten dieser Strategien sind heute Geschichte.

Sinnigerweise sind es die Volkspartei und die Grünen, die seit einem Monat für die nächste Zeit jeweils über ein neues Programm beraten. Der Geist von Hainburg könnte ihnen zeigen, welchen Weg sie, auch und gerade gegenüber der neuen Generation der Hörsaalbesetzer, beschreiten sollten: Weder Anbiederung noch Konfrontation per Räumung sind akzeptierte Mittel der Politik, sondern nur die ernstliche Befassung mit der Themenlage.

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