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Rückschlag für die ökologische Wende

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Nach dem matten Ergebnis des ersten Umwelt-Volksbegehrens in Österreich werden die Regierenden wohl in ihren alten Bahnen weiterfahren. Fatale Konsequenzen sind absehbar.

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Nach dem matten Ergebnis des ersten Umwelt-Volksbegehrens in Österreich werden die Regierenden wohl in ihren alten Bahnen weiterfahren. Fatale Konsequenzen sind absehbar.

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Nun ist es amtlich: 6,5 Prozent der wahlberechtigten Österreicher sind „grün”, weil sie das Konrad-Lorenz-Volksbegehren unterschrieben haben. Das war also — vor allem in den Kolumnen mancher regierungsamtlicher Schreiber - eine Art Minderheitenfeststellung, ein Zeichen dafür, wie gut die Umweltpolitik dieser Bundesregierung ist, eine Bestätigung des „vernünftigen und maßvollen” Kurses.

Das genaue Gegenteil dieser Abwiegelung ist wahr. Österreichs Umweltpolitik ist nicht, wie das so gern hinausposaunt wird, ein „Vorbild für die Welt”, sondern ein Käse voller Löcher. Das erleben und spüren viele Menschen, das schlägt sich im Umweltbewußtsein, in der kritischen Bewertung der Umweltpolitik nieder.

Allerdings ist der Schritt zur politischen Aktion, etwa zur öffentlichen Unterstützung eines Volksbegehrens, mühsam und weit. Dies deshalb, weil die Parteien, auch wenn sie in den Inhalten und der Art ihrer Politik von einer Panne in die andere taumeln, immer noch eine gewaltige Verhinderungskapazität gegenüber Neuem, gegenüber Initiativen von unten haben.

Ohne Zweifel ist das Thema Umweltschutz mehrheitsfähig, ja ein zentrales Anliegen vieler Österreicher geworden. 1984 hielten 80 Prozent der Bevölkerung den Schutz der Umwelt für eine zentrale politische Aufgabe. Aus einer in Wien - allerdings mit geringer Stichprobe — durchgeführten Studie sind folgende Stufen des Umweltbewußtseins abzulesen:

80 Prozent halten den Umweltzustand für bedenklich, 50 bis 60 Prozent üben Kritik an der Umweltpolitik, 40 Prozent wären zu umweltgerechtem Handeln bereit, 25 Prozent sympathisieren in irgendeiner Form mit der Grün-Bewegung, 15 Prozent können als umweltbewußt - auch im persönlichen Verhalten — angesehen werdgn.

Hier zeigt sich deutlich: das Problembewußtsein ist da, vielfach fehlt aber die Umsetzung in das persönliche Verhalten oder in die politische Arena.

Nun gtellt sich die Frage, was die etablierten Parteien, was insbesondere die Regierung mit diesem Umweltengagement macht. Wird es gefördert, wird der — zugegeben nicht einfache — Versuch unternommen, dieses Potential für eine „ökologische Modernisierung” zu nutzen, oder wird weiter taktiert, ausgegrenzt und selbstgefällig auf die eigenen Erfolge verwiesen?

Dies ist nicht der Ort, um eine genaue Analyse der österreichischen Umweltpolitik vorzunehmen. Eines steht aber fest: trotz mancher Erfolge in den letzten Jahren ist sie alles andere als vorbildlich.

Die bisherigen Maßnahmen sind vielfach Papiertiger, von einem Gesamtkonzept, das wirtschaftspolitische Entscheidungen und ökologisches Anliegen verknüpft — so die Regierungserklärung 1983 -, kann nicht die Rede sein.

Einige Beispiele: die völlig unbefriedigenden, von Kompetenz-zwistigkeiten geprägten Luft-reinhaltebestimmungen; die im internationalen Vergleich geringen Umweltinvestitionen; ein Sonderabfallgesetz nur auf dem Papier; der lasche Kampf gegen das Waldsterben; die 1971 versprochene Reinhaltung der Flüsse wird 1985 wieder als Zehn-Jahres-Programm „verkauft”; die fehlenden Rechte für Bürger und Umweltgruppen. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Da tritt nun eine heterogene Gruppe auf, ruft ein Volksbegehren ins Leben und versucht, mit allen inhaltlichen und organisatorischen Mängeln, eine grundlegende Umorientierung der österreichischen Umweltpolitik.

Im Kern ging es bei diesem Volksbegehren nicht um Hainburg, auch nicht ums Zusperren dieses oder jenes Kraftwerks, sondern um einen globalen ökologischen Aufschrei. Dem Beschwichtigen von oben sollte ein

Signal zu einer ökologisch orientierten Politik entgegengesetzt werden.

Dieses weitreichende Ziel ist nur zum Teil gelungen, eben deshalb, weil die großen Parteien und Verbände ihre Verhinderungsmacht voll ausspielen konnten. Der gestrenge Herr Bürgermeister, der vor dem Eintragungslokal steht, der entfernte Eintragungshinweis im Treppenhaus — das sind Symptome dafür, daß der Einfluß der Parteien immerhin noch so weit reicht, ihnen nicht genehme Initiativen kräftig zu behindern.

Ein Freibrief?

Nach diesem Volksbegehren ist die Gefahr einer unheilvollen Entwicklung der österreichischen Umweltpolrtik nicht von der Hand zu weisen. Jene, die ernsthafte Änderungen fordern, sind noch zu schwach und in ihren Möglichkeiten auf Ein-Punkt-Er-eignisse ä la Hainburg reduziert. Jene, die tatsächlich etwas bewirken können, haben quasi den Freibrief für ihre bisherige Politik erhalten.

Symptomatisch dafür war die Reaktion von Bundeskanzler Fred Sinowatz: Wir werden das Volksbegehren ernsthaft beraten, aber ändern wird sich nichts.

Aus diesem Dilemma der österreichischen Umweltpolitik gibt es zwei Auswege: entweder die Ökologiebewegung wird noch stärker, was nicht von heute auf morgen geht, oder die offizielle Politik entschließt sich aus eigener Einsicht zu einer neuen Konzeption, die den Namen „langfristige ökologische Wirtschaftspolitik” verdient.

Die Chancen dafür stehen schlecht, weil durch die politische Kultur dieses Landes grundlegende Änderungen verhindert werden.

Hoffentlich brauchen wir keine gewaltsamen Auseinandersetzungen oder Umweltkatastrophen, um die „ökologische Wende” zu schaffen.

Der Autor ist Ökonom und Politologe am Institut für Internationale Politik in Laxen-burg bei Wien.

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