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Umweltschutz sichert Arbeitsplätze

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Mit zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten geriet der Umweltschutz ins Kreuzfeuer der Kritik. Von der Industrie wurde er häufig mit dem Hinweis auf die Gefährdung der Arbeitsplätze abgelehnt. Die aus wirtschaftlicher Sicht vorgebrachten Argumente konnten sich bisher nicht auf einschlägige Untersuchungen stützen. Die österreichische Gesellschaft für Natur- und Umwelt schutz präsentierte nun kürzlich Untersuchungen aus der BRD, die erkennen lassen, daß Umweltschutzausgaben insgesamt positive Effekte auf die Beschäftigungslage haben. In einer anschließenden Podiumsdiskussion waren sich alle Teilnehmer (auch die Vertreter der Wirtschaft) darüber einig, daß mit gewissen Einschränkungen das Ergebnis auf Österreich übertragbar sei.

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Mit zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten geriet der Umweltschutz ins Kreuzfeuer der Kritik. Von der Industrie wurde er häufig mit dem Hinweis auf die Gefährdung der Arbeitsplätze abgelehnt. Die aus wirtschaftlicher Sicht vorgebrachten Argumente konnten sich bisher nicht auf einschlägige Untersuchungen stützen. Die österreichische Gesellschaft für Natur- und Umwelt schutz präsentierte nun kürzlich Untersuchungen aus der BRD, die erkennen lassen, daß Umweltschutzausgaben insgesamt positive Effekte auf die Beschäftigungslage haben. In einer anschließenden Podiumsdiskussion waren sich alle Teilnehmer (auch die Vertreter der Wirtschaft) darüber einig, daß mit gewissen Einschränkungen das Ergebnis auf Österreich übertragbar sei.

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Die Umweltpolitik hatte - zu Beginn der siebziger Jahre - einen guten Start. Die gesunde Wirtschaftslage und das Zauberwort „Verursacherprinzip“ - welches den Finanzmini- stem eine quasi kostenlose Politik versprach - führten zusammen mit dem Elan des neuen Umweltbewußtseins zu einer Reihe programmatischer und gesetzgeberischer Aktivitäten.

Zu Beginn konzentrierte sich die Umweltdiskussion fast ausschließlich auf Umweltverschmutzung. Sie wurde international geführt und führte in kurzer Zeit zu einer großen Anzahl von Institutionen, Maßnahmen und Instrumenten, die darauf ausgelegt waren, Umweltmißbrauch und -Verschmutzung schnell zurückzudrängen. Die zweite Debatte, die im Augenblick läuft, geht darüber, wie das Umweltproblem eingebettet werden kann in die Fragen von Wirtschaftswachstum, Energie- und Ressourcenmanagement.

Die Betonung liegt auf Maßnahmen, welche vorbeugend und antizipierend sind; sie treten ergänzend und verstärkend zu den reaktiven Aufräummaßnahmen der ersten Phase. Der zweite Teil der Umweltdiskussion ist überdies dadurch gekennzeichnet, daß die Rolle der Partizipation im Entscheidungsprozeß stärker und auch kontroverser diskutiert wird.

Schließlich gibt es einige Anzeichen dafür, daß eine dritte, noch tiefer gehende Debatte auf uns zukommt. Sie gründet sich auf die Ansicht, daß auch antizipatorische Umweltpolitik nicht mit den Problemen fertig wird, welche für die kontinuierliche Verschlechterung der Umweltbedingungen verantwortlich sind. Nach dieser Ansicht sind die Kräfte der Umweltzerstörung in den Verhaltensweisen und den kulturellen Traditionen sowie den wirtschaftlichen Institutionen unserer Gesellschaft. Lediglich alternativer Lebensstil und alternative Wachstumsmuster sind danach mit einer gesunden Umwelt vereinbar.

Die laufende, zweite „Debatte“ hebt ab auf die Integration des Umweltproblems in wichtige wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Entscheidungen. Zunächst ist klar, daß die wichtigsten Maßnahmen, wichtig im Hinblick auf ihre Umweltwirkung, nicht den Namen Umweltpolitik tragen, sondern Energiepolitik, Transport- oder Industrieoder Siedlungspolitik heißen. Zweitens gibt es eine zunehmende Zeitverzögerung in gewissen politischen Entscheidungen, es gibt Blockierungen über Einzelprojekte von beträchtlichem Ausmaß, die mit der neuen Rolle von Partizipation in diesen Entscheidungen zu tun haben (Zwentendorf). Drittens taucht die Kostenfrage auf.

Dieser Punkt führt zu zwei Fragen: Einfluß der Wirtschaftsentwicklung auf die Umweltpolitik und Einfluß der Umweltpolitik auf die Wirtschaftsentwicklung. Fragen wir zunächst nach dem ersten.

In den frühen siebziger Jahren, in einer Phase hohen Wachstums, wares für die Regierungen relativ einfach, die Kosten für neue Umweltinstitutionen und Programme aufzubringen. Es war auch für die Industrie leichter, aus ihren Gewinnen die Investitionsmittel für um weltpolitische Maßnahmen zu finden und die Kosten in höheren Preisen weiterzugeben.

Augenblicklich ist die Situation etwas anders. Das langsamere Wirtschaftswachstum mit einem ebenfalls langsameren Kapitalumschlag reduziert das Tempo, mit welchem neue, weniger umweltbelastende Produktion stechniken eingeführt werden. Ein langsameres Wachstum der Staatsausgaben wird gleicherweise seinen Einfluß auf die Umweltpolitik haben.

So ist es kein Zufall, daß in den letzten Jahren die andere Seite, nämlich der Einfluß der Umweltpolitik auf die Wirtschaftsentwicklung, stärkere Aufmerksamkeit erfahren hat. Die Umweltpolitik geriet in die Defensive.

Der Umweltpolitik wurde das Kostenargument gleich zweifach entgegengehalten: Einmal wurden die (privaten und öffentlichen) Ausgaben errechnet und geschätzt. Darüber hinaus aber wurde behauptet, daß Umweltpolitik das Erreichen anderer wirtschaftspolitischer Ziele gefährdet. Dabei wurde insbesondere auf die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungslage hingewiesen: Umweltpolitik als Jobkiller.

Der Widerstand gegen Umweltpolitik, gestützt mit dem einseitigen Hinweis auf die daraus erwachsende Kostenbelastung, wird aber noch durch eine andere Tatsache verstärkt. Umweltpolitik bedeutet - ökonomisch gesehen - eine staatliche Einflußnahme auf die Lenkung von Investition und Produktion. Selbst wenn sie mit globalen Maßnahmen, wie allgemeinen Auflagen und Verursacherprinzip, durchgeführt wird, wirkt sie doch gezielt auf die von ihr betroffenen Branchen.

Ausgaben der Umweltpolitik schaffen Nachfrage, diese stimuliert die Beschäftigung. Das ist die andere Seite der Medaille. Die Frage, wieviel Arbeitsplätze denn nun durch den Umweltschutz vernichtet und wie- viele neu geschaffen werden, ob der Nettosaldo an Arbeitsplätzen positiv oder negativ ist, klingt zunächst interessant.

Eine allgemeine Antwort ist aber kaum möglich. Sie fallt unterschiedlich aus, je nachdem, ob man es mit einer vollbeschäftigten, einer unterbeschäftigten Wirtschaft oder mit einer Situation der strukturellen Unterbeschäftigung zu tun hat. Kurzfristige Konjunktursituation und mittelfristige Strukturlage sind von ausschlaggebender Bedeutung.

Gleichwohl lassen sich aus zahlreichen raum-zeitbezogenen Untersuchungen für einzelne Länder gewisse Schlußfolgerungen ziehen. Die folgenden Aussagen stützen sich im wesentlichen auf Studien, die ich (zusammen mit E. Höldl) für die Bundesrepublik Deutschland gemacht habe. Die Ergebnisse anderer internationaler Untersuchungen sind dabei als Korrekturfaktoren berücksichtigt.

Bei der Messung des Beschäftigungseffektes muß man zwischen direkten und indirekten Effekten unterscheiden. Die direkten Beschäftigungseffekte zeigen sich in einer direkt beobachtbaren Nachfrage nach Arbeitskräften. Die indirekten Beschäftigungseffekte bilden sich durch die Zwischennachfrage für Güter und Dienstleistungen derjenigen Branchen, welche die Umweltausrüstungen liefern.

Die BRD-Studie schätzt die direkten und einen Teil der indirekten Effekte und kommt zu dem Ergebnis, daß die Umweltpolitik im Zeitraum 1970 bis 1974 jährlich 220.000 Arbeitsplätze, im Zeitraum 1975 bis 1979 jährlich 370.000 Arbeitsplätze gesichert (d. h. erhalten und/oder zusätzlich geschaffen) hat.

Dem sind mögliche negative Beschäftigungseffekte gegenüberzu- stellen. Sie können an folgenden Stellen auftreten:

• Alternative Verwendung der Mittel für Umweltpolitik würde auch Arbeitsplätze schaffen. Dies ist richtig. Die Frage ist nur, ob es zur Umweltpolitik eine Alternative gibt. Überdies zeigen Untersuchungen, daß der öffentliche Mitteleinsatz für die Umweltpolitik im Vergleich zum Durchschnitt der öffentlichen Aufgabenbereiche wahrscheinlich einen höheren anregenden Beschäftigungseffekt hat.

• Umweltinvestitionen sind „unproduktiv“, d. h. sie erhöhen den Kapitalkoeffizienten. Dieses Argument verliert mit zunehmender Dauer der Umweltpolitik an Gewicht: Der Nachrü’stungstyp der Investitionen (erid-of-pipe-treatment) wird zunehmend durch den „integrierten“ Typ ersetzt, der die Kapitalproduktivität weniger berührt und überdies andere positive Begleiteffekte haben kann (Recycling).

• Das Problem der sog. „Grenzbetriebe“ (Betriebe an der Kostengrenze) mag regional - und damit politisch - von Bedeutung sein. Gesamtwirtschaftlich wiegt es nicht schwer. • Die internationale Konkurrenzfähigkeit spielt in Ländern wie Österreich oder der Bundesrepublik Deutschland eine große Rolle. Es gibt wenig Anhaltspunkte für die Vermutung, daß die Umweltpolitik für den Waren- und Kapitalverkehr negative Auswirkungen hat. Langfristig kann vielmehr eine Stärkung der Exportfähigkeit auf Grund umweltfreundlicher Technologien und Produkte erwartet werden.

Bilanziert man, so zeigt sich insgesamt ein positiver Effekt der Umweltpolitik auf den Arbeitsmarkt. Dies scheint inzwischen weitgehend akzeptiert zu werden (so etwa das Treffen der Umweltminister der OECD-Länder im Mai 1979). Dieser Effekt ist in der Größenordnung allerdings beschränkt: Er dürfte etwa 1% des Erwerbspotentials ausmachen. Damit wird klar: Umweltpolitik ist keine Wunderwaffe gegen Arbeitslosigkeit. Das braucht sie auch nicht zu sein. Es genügt, wenn sie zur Verbesserung unserer Lebensbedingungen beiträgt. Gibt es dabei noch positive ökonomische Nebeneffekte: Tant mieux!

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