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Grün ist kein Jobkiller

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Die Defensive, in die die Umweltpolitik in jüngster Zeit geraten ist, zeigt, daß es mit der Formulierung von Zielvorstellungen allein nicht getan ist. Das gesamtwirtschaftlich Vernünftige —die Harmonisierung von Ökologie und Ökonomie — setzt sich nicht konfliktlos durch.

Die berühmten 25.000 Arbeitsplätze (so werden die Beschäftigungseffekte der Umweltaktivitäten in den siebziger Jahren geschätzt) werden zwar mit gebotener Begeisterung zur Kenntnis genommen. Die Umweltpolitik ist deswegen noch lange nicht aus der Schußlinie gekommen; sie muß sich darauf einstellen und Konsequenzen daraus ziehen.

• Die Tatsache, daß —neben vielen anderen Gründen - für den Stau von Projekten dem Umweltschutz die Schuld zugeschoben wird, muß Anlaß sein, Instrumente zu entwickeln, mit deren Hilfe die Umweltpolitik möglichst frühzeitig im Entscheidungspro-zeß zu berücksichtigen ist (z. B. durch Umweltverträglichkeitsprüfungen). Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, Umweltpolitik als gesellschaftspolitisches Ziel zu akzeptieren. Die Rolle des Schwarzen Peter muß ihr abgenommen werden.

Der Schwarze Peter taucht aber auch oft auf, um von schon vorhandenen Strukturveränderungen abzulenken. Beispielsweise hat seit Beginn der sechziger Jahre in der Asbestindustrie, die in letzter Zeit im Mittelpunkt der Umweltdiskussion stand, ein verschärfter Rationalisierungstrend zu erheblichen Beschäftigungseinbußen geführt.

• Umweltpolitik hat zur Folge, daß bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten eingeschränkt werden müssen. Das tut weh. Umweltpolitik bedeutet also staatliche Einflußnahme, direkte oder indirekte Investitionssteuerung.

Umweltpolitik ist in ihren Auswirkungen selektiv. Die Widerstände gegen eine solche Politik sind somit vermutlich höher als gegenüber globalen Politiken.

• So wichtig die Erkenntnis ist, daß Umweltpolitik nicht notwendigerweise Arbeitsplätze gefährdet, so gefährlich sind jedoch Tendenzen, die jede umweltpolitische Maßnahme, und sei sie auch noch so unnötig, mit dem Arbeitsplatzargument „verkauft".

Der Hinweis auf die Schaffung von Arbeitsplätzen kann auch in der Umweltpolitik zu teuren und aufwendigen Lösungen führen; einfache Lösungen fallen unter den Tisch. Relativ einfache und naturnahe Technologien der Klärung von Abwässern für den ländlichen Raum sind beispielsweise billig, schaffen jedoch weniger Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft als der Bau traditioneller Kläranlagen.

• Auch die Entsorgungsindustrie stößt an Grenzen. Neue Probleme kommen auf uns zu, Probleme, die vermutlich nicht leicht oder überhaupt nicht technisch lösbar sind. Es gibt auch kei nen Wirtschaftszweig, der an einer solchen Umweltpolitik ein positives Interesse haben kann. Ent-

sorgungsindustrien (z. B. die Bauindustrie, die Kläranlagen baut) haben in einer solchen Umweltpolitik kaum oder wenig Chancen.

Wenn beispielsweise nicht nur die Produktion der chemischen Industrie umweltgefährdend ist, sondern auch und vor allem deren Produkte, dann gibt es keine Möglichkeiten, im nachhinein zu sanieren - es sei denn, man zählt die medizinischen Aufwendungen dazu. Dann gibt es nur die Alternative „Erlauben oder Verbieten". Verbieten stößt natürlich an die Grenzen eines wachstumsorientierten Wirtschaftssystems. Unternehmen lassen sich nur ungern etwas verbieten.

• Es gibt sie also, die Grenzen des Wachstums. Freilich nicht so, wie sie der Club of Rome formuliert hat, auch nicht so, wie viele Umweltschützer sie verstanden haben. Die Grenzen des Wachstums liegen im Detail.

Sicher kann nicht das ganze Bundesgebiet zubetoniert werden, und es kann auch nicht jeder Österreicher ein Seegrundstück haben…

Und auch dort, wo die Güterproduktion ökologisch belastend ist, existieren Grenzen. Die partiellen Grenzen müssen gesehen werden. Reduktionsbereiche wird es geben müssen.

• Trotz der Notwendigkeit, auf die konkreten Probleme stärker als bisher einzugehen, müssen auch die ökonomischen Auswirkungen einer Umweltpolitik besser begründet werden und auch stärker in die Öffentlichkeit gebracht werden. Daß dies nicht leicht sein wird, zeigen ja Beispiele aus anderen wirtschaftspolitischen Bereichen (z. B. Staatsverschuldung).

Der Autor ist Leiter des Instituts für Wirtschaft und Umwelt der Arbeiterkammer. Auszug aus dem Beitrag „Umweltpolitik und Beschäftigung" erschienen in: ROT-GRUNER ANSTOSS. Hrsg. von Marschalek/Pe-linka. Verlag Jugend und Volk, Wien 1983.2S6 Seiten. Pp.. öS 28,-.

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