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Problematische Kraftproben

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Bei Reformen im Bereich der Beamtenschaft sollte i man nicht das Kind mit dem Bad ausgießen.

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Bei Reformen im Bereich der Beamtenschaft sollte i man nicht das Kind mit dem Bad ausgießen.

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Die Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber Rund und der Gewerkschaft seiner Re-diensteten nehmen immer mehr den Charakter einer kriegerischen Auseinandersetzung an. Das ist besorgniserregend. Wenn die recht mangelhafte Regierungspolitik der letzten Jahre das Wohlergehen der Rür-ger in diesem Staat bisher kaum beeinträchtigt hat, ist das ganz einfach der leistungsfähigen Wirtschaft einerseits und der Verwaltung andererseits zu verdanken, welche gewissenhaft nach Ordnung zu sehen hat.

Damit soll kein unkritisches Lob-liejd der österreichischen Reamten-schaft gesungen werden. Auch hier gibt es wie überall zahlreiche Mängel und viel Anderungsbedarf. Fairerweise muß man feststellen, daß die Vertreter der öffentlich Redien-steten in den letzten Jahren konstruktiv an notwendigen Reformen mitgewirkt haben. Zu betonen ist, daß der bisherige Minister für Verwaltungsreform, Jürgen Weiss, stille und konfliktfreie, aber sehr effiziente Arbeit geleistet hat. Umso unbegreiflicher ist es, daß man diesen Regierungsposten „eingespart” hat, während man sich etwa zum bloßen Politisieren in Frauenfragen weiterhin eine Ministerin leistet.

Wenn nun also trotz der Kooperationsbereitschaft der Reamtenvertre-ter eine sich zuspitzende Kampfsi-tutation auftritt, hat dies andere, tiefer liegende Ursachen. Die Gewerkschafter spüren nämlich, daß man immer mehr das System des eigenen und mit besonderen Rechten ausgestatteten Dienstrechtes an sich in Frage stellt. Das allgemeine Restre-ben nach radikalem Abbau von „Privilegien” betrifft auch die Reamten-schaft. Sie weist nicht ohne Rerech-tigung darauf hin, daß der Reamte in einem besonderen Verpflich-tungs- und Treueverhältnis zu seinem Dienstgeber steht.

Die beträchtlichen Vorteile eines gesicherten Arbeitsplatzes und einer ausgezeichneten Pensionsversorgung dürfen nicht für sich allein betrachtet werden. Rekanntlich rechnet man im öffentlichen Dienst mit der „Lebensverdienstsumme”. Meist verdienen junge Menschen in der Privatwirtschaft schneller höhere Summen, während der Reamte auf die Vorteile seines Rerufsstandes geduldig warten muß. In der Gesamtbetrachtung gibt es hier sicher keinen klaren Vorteil. Ein recht gutes Reispiel hierfür stellt etwa das Problem der Finanzämter in Vorarlberg dar, Fachkräfte zu finden, denn es ist für tüchtige junge Menschen viel attraktiver, in der Wirtschaft oder gar im nahen Ausland zu arbeiten.

Remerkenswerterweise läßt man bei Debatten über die Pragmatisierung und deren oft geforderte Abschaffung '-den Richterstand - auch er gehört ja zum öffentlichen Dienst -stets ungeschoren. Das hängt damit zusammen, daß unsere Verfassung die Unabhängigkeit der Rechtsprechung als kostbares Gut des Rechtstaates garantiert. Diese ist naturgemäß mit der Absicherung der beruflichen Position verbunden.

Obwohl Reamte nicht diese besondere Stellung im Gefüge des Staates haben, ist es zweifellos zulässig, eine gewisse Analogie herzustellen. Politiker kommen und gehen, sie haben oft ihre ganz persönlichen Vorstellungen über den Gesetzesvollzug. Der pragmatisierte Reamte, der seine besondere Verpflichtung gegenüber dem Staat und dessen Rechtsordnung hat, ist hingegen ein Garant der gleichmäßigen und korrekten Rechtsanwendung. Er hat sofar die Pflicht, gegen bedenkliche .ntscheidungen aufzutreten, ohne persönliche Nachteile befürchten zu müssen. Landeshauptmann Christof Zernatto hat kürzlich die Entscheidung Kärntens, die Pragmatisierung nicht abzuschaffen, recht trefflich mit folgenden Worten begründet: „Wir brauchen Reamte, die unabhängig von politischer Einflußnahme agieren können.”

Der aktuelle Konflikt ist durch das Zusammentreffen der Sorge bei den Gewerkschaftern über den Fortbestand des Rerufsbeamtentums an sich mit dem beabsichtigten Rrem-sen der Einkommensentwicklung entstanden. Man sieht sich einer Zangenbewegung ausgesetzt. Dies erklärt die zunehmend rauhen Töne, und wir scheinen uns Streikmaßnahmen der Verwaltung zu nahem. Dieser höchst überflüssigen Entwicklung muß gegengesteuert werden. Keineswegs derart, daß man alles läßt, wie es ist, und die Reamten „in Ruhe läßt”. Es müßte aber versucht werden, zunächst eine Vertrauenssituation wiederherzustellen, die für eine gedeihliche Entwicklung unseres Staatswesens unerläßlich ist.

Solches erscheint durchaus möglich. Die Regierung müßte sich nur einmal dazu bereitfinden, einen Katalog jener Reamtenrechte festzuschreiben, die außer Streit stehen. Schnürt man aber in einsamer Entscheidung ein Sparpaket und verkündet dann kräftige Einschnitte in bisher zugestandene Rechte, darf man sich nicht wundem, wenn eine geradezu wütende Reaktion erfolgt. Das großartige Rekenntnis zur Sozialpartnerschaft hat nur dann einen Sinn, wenn man es auch hier anwendet, statt höchst problematische Kraftproben zu provozieren.

Es sollte auch strikt vermieden werden, die Reamtenschaft als wucherndes Gebilde im Staatskörper darzustellen, das sich verselbständigt hat und nicht mehr daran gehindert werden kann, dessen Kräfte aufzuzehren. Wie groß die Verwaltung ist und was sie zu tun hat, ist beruht zur Gänze auf Politikerentscheidungen. An der Spitze jedes Verwaltungs-zweiges stehen Politiker. Gibt es Leerläufe oder Fehlbesetzungen, sind diese von hier zu verantworten! Hat man keine andere Lösung, als die Zahl der Reamten sowie deren Ansprüche schematisch und generell zu reduzieren, so stellt dies ein Eingeständnis eigenen Versagens dar.

Noch einmal: Es wird sich auch in der Verwaltung viel ändern müssen, und weitere Reformen sind angesagt. Vor allem Auswüchse werden energisch zu beseitigen sein, wie etwa Reförderungen oder ausgedehnte Krankenstände unmittelbar vor der Pensionierung. Provozierende Ungleichheiten zu'den Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft müssen verschwinden. Es gibt aber sehr gute Gründe für die Annahme, daß die Reamtenschaft bei solchen Vorhaben konstruktiv und gutwillig mitwirkt.

Ein permanenter Stellungskrieg, bei dem man sozusagen um jeden Meter Rodens kämpft, würde letztlich auf dem Rücken der Allgemeinheit ausgetragen werden. Wir alle sind auf ein» funktionierende Verwaltung angewiesen, und in jeder modernen Personalführung weiß man, daß die Motivation der Mitarbeiter unverzichtbare Voraussetzung des Erfolges ist. Eine taugliche Regierungserklärung hätte daher nicht nur Einsparungsziele, sondern auch den Stellenwert derer zu deklarieren, die sich in den Dienst der gemeinsamen Sache gestellt haben.

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