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Relative Stabilität TSm

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Die im Jahre 1957 einsetzende Krise des westeuropäischen Kohlenbergbaues, hervorgerufen durch den nicht erwarteten Zustrom von billigem Rohöl, das infolge des starren Quotensystems in den Vereinigten Staaten für Importe am nordamerikanischen Markt nicht abgesetzt werden konnte, hat den Eindruck hervorgerufen, als ob die Zeiten der Kohle als Energieträger vorbei seien. Dabei hat der Verbrauch an Stein-und Braunkohle von 1960 bis 1970 von 2190 auf 2500 Millionen Tonnen Steinkohleneinheiten (SKE) absolut zugenommen, wenn auch in der gleichen Periode der Anteil der Kohle an der Deckung des gesamten Energieverbrauches in der Welt von 50,9 auf 35,5 Prozent zurückgegangen ist. Im Weltmaßstab hat die Kohle, deren bekannte Vorräte im Wärmewert jene an Erdöl und Erdgas um das Zehnfache übertreffen, keineswegs ausgespielt und in manchen Bereichen ist sie unersetzlich — so vor allem als Hüttenkoks zum Betrieb von Hochöfen, da es bisher kein anderes großtechnisch ausgereiftes Verfahren gibt, durch das Eisen in konkurrenzfähiger Weise ohne Verwendung von Kohle hergestellt werden kann. Dies gilt auch für Österreich, das auf die Einfuhr von Kokskohle und Koks angewiesen bleiben wird. Im Jahre 1972 hat die gesamte Steinkohleneinfuhr 2,85 Millionen Tonnen Im Wert von 1,475 Millionen S betragen, wovon 2,28 Millionen Tonnen der Kokerei zugeführt wurden. An Koks wurden überdies rund 0,9 Millionen Tonnen im Wert von 764 Millionen Schilling importiert. Der Koksverbrauch der Hochöfen hat im Jahre 1972 rund 1,458 Millionen Tonnen bei einer Roheisenerzeugung von rund 2,846 Millionen Tonnen betragen, das heißt, der spezifische Koksverbrauch lag knapp unter 500 kg/t Roheisen.

Der Gesamtverbrauch an festen mineralischen Brennstoffen hat in Österreich 1972 rund 6,11 Millionen Tonnen betragen, wovon nur rund 31 Prozent aus der inländischen Förderung — ausschließlich Braunkohle — stammten.

Die inländische Braunkohlenförderung hat im Jahr 1957 mit 6,877 Millionen Tonnen ihren Höchstwert erreicht und ist bis 1970 auf ihren tiefsten Wert, 3,669 Millionen Tonnen, zurückgegangen. 1972 lag die Förderung nur unwesentlich höher bei 3,755 Millionen Tonnen. In dieser Periode des Rückganges der Förderung hat sich die Struktur der Abnehmerschaft grundlegend verändert. Während der Verbrauch in Industrie, Haushalt und Verkehr rapid abgenommen hat, ist jener der Kraftwerke angestiegen. Im Jahr 1972 haben die Dampfkraftwerke einschließlich der Fernheizkraftwerke 2,310 Millionen Tonnen Inlandsbraunkohle bezogen, das waren fast 62 Prozent der Förderung.

Im Sommer 1973 — also einige Monate vor dem Auftreten der Versorgungsstörungen mit Mineralölprodukten — wurde beschlossen, daß in der Köflacher Mulde genaue Untersuchungen durchgeführt werden sollten, um festzustellen, ob weitere Kohlevorkommen zu wirtschaftlichen Bedingungen aufschließbar seien, die ein neues Dampfkraftwerk mit einer Leistung von 300 MW alimentieren könnten.

Damit ist die im Titel gestellte Frage grundsätzlich beantwortet. Es sind aber doch noch einige Bemerkungen zu machen.

Die sicheren und wahrscheinlichen Vorräte an inländischer Kohle betragen 124 Millionen Tonnen, wovon unter den vor dem Oktober 1973 herrschenden Bedingungen auf dem Energiemarkt nur etwa 54 Millionen Tonnen als abbauwürdig gelten konnten. Durch die seither eingetretene Verteuerung des wichtigsten Konkurrenzproduktes, des Heizöls schwer, hat sich die schwierige wirtschaftliche Lage des inländischen Kohlenbergbaues zum Teil entspannt. In verschiedenen Braunkohlengruben liegen die kostendeckenden Wärmepreise zwischen 50 und 95 Schilling pro Million Wärmeeinheiten (kcal). Sie sind damit um jenes Ausmaß niedriger als Heizöl schwer, das derzeit rund 150 bis 160 Schilling pro Million Wärmeeinheiten kostet, um Dampf in Großkesselanlagen billiger als mit Heizöl schwer erzeugen zu können. Es gibt allerdings auch Kohlengruben, deren kostendeckender Wärmepreis höher ist als der derzeitige Wärmepreis von Heizöl schwer und deren Chance, einen wettbewerbsfähigen Preis zu erreichen, kaum gegeben ist. Insgesamt kann die abbauwürdige Braunkohlensubstanz heute mit 65 Millionen Tonnen etwas höher eingeschätzt werden als vor dem Oktober 1973. Bedenkt man, daß das Energieäquivalent der gesamten Aufbringung an Energie in Österreich im Jahre 1971, das heißt, die Inlanderzeugung an Rohenergie und die gesamten Energieimporte, 207 Billionen Wärmeeinheiten betragen hat, das Energieäquivalent der 65 Millionen Tonnen Braunkohle rund 230 Billionen Wärmeeinheiten ausmacht, das heißt, etwas mehr als die Jahresaufbringung 1971, so erkennt man die Grenzen, die der Inlandversorgung mit Kohle in Österreich gesetzt sind. Unter den Bedingungen einer anhaltenden Verknappung des Angebotes an Kohlenwasserstoffen — das derzeit nicht gegeben ist — oder einer weiteren erheblichen und andauernden Verteuerung der Kohlenwasserstoffe besteht für die Importkohle Aussicht, einen Teil des verlorengegangenen Absatzgebietes auf dem Wärmemarkt in Österreich zurückzugewinnen. Im letzteren Fall wird die Auslandkohle auch in Form von im Wege der Druckvergasung gewonnenem Gas oder als im Wege der Hydrierung erzeugtem synthetischen Benzin eingeführt werden. Die dafür erforderlichen Technologien sind seit Jahrzehnten bekannt und erprobt. Sie sind nur infolge der außerordentlichen Billigkeit der natürlichen Kohlenwasserstoffe in den letzten Jahren nicht mehr angewendet worden.

Da die Förderung von Rohöl je Tonne in den Gebieten des Persischen Golfes bei 1 Dollar pro Tonne, in Libyen bei 2,5 bis 3 Dollar pro Tonne kostet, wogegen der Preis des Rohöls je Tonne in europäischen Anlandehäfen derzeit etwa 60 Dollar pro Tonne beträgt, ist es offensichtlich, daß die Förderkosten keinen bestimmenden Einfluß auf den Preis haben, während bei der Kohle allein die Lohnkosten zu 40 bis 60 Prozent in den Preis eingehen. Daraus resultiert die außerordentlich geringe Flexibilität der Kohle gegenüber Preisschwankungen am Energiemarkt. Die jüngsten Erfahrungen haben aber gelehrt, daß die Versorgungssicherheit sich nicht durch ein blindes Verlassen auf die Wirksamkeit des Marktmechanismus erreichen läßt. Die Kohle kann zwar nicht in ihre frühere dominierende Stellung in der Energiewirtschaft zurückkehren, aber aus der neuen Lage eine relative Stabilisierung ihrer Stellung erwarten.

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