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Neue Pipeline für Europa

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Das Industrielle Ballungszentrum Westeuropa verbraucht ungefähr ein Fünftel des Weltenergieaufkommens. In den letzten 20 Jahren verdoppelte sich Europas Energiehunger, wobei «das Erdöl einen immer höheren Marktanteil eroberte. Wurden 1950 15 Prozent des westeuropäischen Energiebedarfs durch Erdöl gedeckt, betrug der Rohölanteil 1967 bereits mehr als 50 Prozent; gleichzeitig nahm die europäische Erdölförderung konstant ab. 1960 brachte Westeuropa 7,3 Prozent des Bedarfs durch Eigenförderung auf, 1970 nur noch 17 von 460 Millionen Tonnen, 3,5 Prozent. Dieses Mißverhältnis warf Transportprobleme auf. Die Erschließung neuer, großer Ölvorkommen in Nordafrika, die weltpolitische Situation und die für die mitteleuropäische Industrie günstige Lage der Mittelmeerhäfen Marseilte, Genua und Triest Meß dort die Ausgangspunkte der Pipelines (rationellste und leistungsfähige öl-beförderung) entstehen. Zwei der drei großen europäischen Pipelines führen durch Österreich: die Transalpine Ölleitung (TAL) und die Central-Europäische Pipeline (CEL). Die 668 km lange CEL, durch die 1969 ungefähr 7,5 Millionen Tonnen Rohöl flössen, durchquert von

Genua aus die Schweiz und Vorarlberg und endet in Ingolstadt. Vorarlberg, wohl nur Transitland, sicherte sich Rohölbezugsrechte und Kontrollmöglichkeiten. So wurden zum ausschließlichen Gebrauch der staatlichen Aufsichtsbehörden, die im Notfall selbständig die ganze Leitung blockieren können, Kontrollräume eingerichtet, die CEL als die sicherste Pipeline der Welt erscheinen lassen. Diese Qualifizierung ist um so beachtlicher, wenn man bedenkt, daß die strengen Vorschriften für den Bau von Ölleitungen Pipelines zu den sichersten Transportmitteln überhaupt machen.

In einer 1968 durchgeführten Untersuchung des damals 11.000 km langen europäischen Netzes ergab sich, daß bei 200 Millionan Kubikmeter transportierten Rohöls nur zwei Fälle von ölaustritt mit zusammen zwei Kubikmetern ausgeflossenem öl konstatiert wurden, wobei die Schadensumme 50.000 Schilling betrug. Glanzstück europäischen Pipelinebaues ist die Triest mit Ingolstadt verbindende Transalpine Ölleitung, sowohl ihrer Förderkapazität wegen als auch durch die technischen Leistungen, die beim Bau (Alpen!) volbracht wurden. Für das 160,6 km lange Drittel auf österreichischem Gebiet betrugen die Kosten 2 Milliarden Schilling, bei einem Gesamtaufwand von 4,3 Milliarden fast die Hälfte. Diese gigantischen Investitionen, sowie die seit Beriebsauf-nahme erbrachten Steuerleistungen, bewirkten eine unmittelbare Verbesserung der wirtschaftlichen Situation Osttirols.

In der Nähe der Grenze zwischen Österrech und Italien, in Würmlach, Kärnten, zweigt von der TAL die einzige innerösterreichische Ölleitung ab, die Adria-Wien-Pipeline (AWP), die in 1350 Meter Höhe über die Koralpe nach Schwechat bei Wien führt. Die Gesamtkosten (21 Bahnstrecken, 170 Straßen, 180 Flüsse und Bäche und 350 verschiedene Leitungen und Kanäle wurden gekreuzt) betrugen 1,6 Milliarden Schilling. Obwohl dieser Betrag ausschließlich privatwirtschaftlich aufgebracht wurde, gelang es der österreichischen Mineralölverwaltung AG, sich Schlüsselpositionen der Kontrolle zu sichern. Nachdem die Probefüllung des Stranges im August 1970 erfolgreich verlaufen ist, solen die ersten öllieferungen Schwechat Ende Oktober erreichen.

Dank AWP kann der im Jahre 1969 auf 8,1 Millionen Tonnen gestiegene ölbedarf Österreichs, von dem nur noch 30 Prozent (2,7 Millionen Tonnen) aus der Eigenaufbringung stammen, gedeckt werden. Die Adria-Wien-Pipeline ist so angelegt, daß Österreich auch bei einem für 1975 mit 12,4 Millionen Tonnen prognostizierten Bedarf auch in Zukunft klaglos versorgt werden kann.

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