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Der US-Dreh am Gashahn

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Das einseitige US-Embargo gegen den Bau der sibirischen Gaspipeline belastet das Verhältnis der USA und Europa ernsthaft, kann aber die Fertigstellung nur verzögern.

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Das einseitige US-Embargo gegen den Bau der sibirischen Gaspipeline belastet das Verhältnis der USA und Europa ernsthaft, kann aber die Fertigstellung nur verzögern.

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Das Embargo der USA gegen den Bau der beiden Stränge der sowjetisch-westeuropäischen Erdgaspipeline kann die Fertigstellung dieser Magistrale von beinahe 5000 Kilometer Länge höchstens verzögern. Die Sowjets haben bereits in eigener Regie etwa 150.000 Kilometer Leitungsnetze unterschiedlicher Durchmesser gebaut und werden zudem eine unleugbare Interessen-Parallelität mit westlichen Firmen geschickt ausnutzen. Immerhin wird schließlich nach je 80 Kilometer eine Kompressoren-Station für den Durchsatz eingeplant.

Dieses Erdgas-Großprojekt ist verwoben mit amerikanisch-russischen Getreidegeschäften, mit langfristigen Umschuldungsak-tionen westlicher Banken gegenüber dem RGW/COMECON, mit Kreditkonditionen gegenüber UdSSR, CSSR, DDR und bildet lediglich den Zipfel großpolitischer Ost-West- und West-West-

Probleme. Mit Kreditzusagen an die RGW/COMECON-Partner wird man sich in Zukunft ohnehin vorsichtiger verhalten, weil auch Westeuropäer durch Schaden klug geworden sind.

Die abrupte amerikanische Reaktion auf das „Gasgeschäft des Jahrhunderts” mit 40 Milliarden-Kubikmeter Liefermöglichkeit an Westeuropa hatte nicht nur die gestreßte Planwirtschaft der UdSSR zu lauten Ankündigungen „vorfristiger Fertigstellung” der Erdgasleitung „ohne den Westen” herausgefordert. Zweifellos wurde dabei auch — wie sich zeigt — das atlantische Bündnis über Gebühr strapaziert.

Just am 23. Juni, dem Tag der totalen Boykottverhängung für amerikanische und westeuropäische Lizenzfirmen zur Lieferung unerreichter Rotorblätter und Gasturbinen für Kompressoren, erfolgte auf ÖMV-Firmenebene unter größter Publizität in Wien die Unterzeichnung des sowjetisch-österreichischen Grundsatzvertrages. Österreichs Gaseinkäufer, die ÖMV AG, will ab 1984 durch diesen vierten Vertrag zusätzlich 1,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas beziehen; insgesamt werden es dann vier Milliarden Kubikmeter Sowjetgas sein, wozu eine Option von einer weiteren Milliarde kommt, deren Ausnützung, angesichts des Konjunkturverlaufs und der Konkurrenzenergien, noch völlig offen ist.

Knapp zwei Wochen später, am

5. Juli 1982, wurde den Medien und der Öffentlichkeit auf der Lokation „Aderklaa Ultratief 1” die zweite überschwere amerikanische Bohranlage IDECO E-3000 im Wiener Becken vorgestellt. Diese, der Welt derzeit größte Ohnshore-Bohranalge, ist die erste dieselelektrische Anlage der ÖMV,. hat eine Tiefenkapazität von rund 10.000 Meter (Kosten 180 Millionen Schilling) und wird für Tiefenaufschlüsse zur Gasgewinnung eingesetzt.

Beide Meldungen aus Wien bilden sachlich ein Korrelat: Einerseits muß im Erdgasgeschäft langfristig auch österreichischer-seits disponiert werden, weil die kostspielige Gasmagistrale aus Yamal mindestens auf zwanzig Jahre zu veranschlagen ist. Hinzu kommt jüngsthin eine Abzweigung via Ungarn über St. Gotthardt, die auf der Höhe von Graz in die bestehende Trans-Austria-Gas (TAG) einmünden soll und für Italien bestimmt ist.

Österreich, das 1,81 Schilling pro Kubikmeter für Russengas fixiert hat (also etwas weniger als die Ruhrgas und Frankreich), wurde ursprünglich nicht mit nennenswerten Lieferaufträgen für die Yamal-Leitung nach Westeuropa bedacht. Umdisposi-tionen von „Sojusgas” und der zusätzliche Zweigleitungsbau für 16 Milliarden Kubikmeter über Ungarn verbessern freilich die österreichische Beteiligung am Erdgasgeschäft. Auch Steiermark und Kärnten werden der Transitleitung ihren Bedarf entnehmen können.

Österreichs Bedarfslage für den diesjährigen Erdgas-Abschluß mit der UdSSR war ursprünglich auf vier bis fünf Milliarden Kubikmeter geschätzt worden. Dann aber deckten die für den Verbraucher zuständigen österreichischen Ferngas- und Landesgesellschaften keine höhere Bedarfsmeldung als 1,5 Milliarden Kubikmeter pro Bezugsjahr ab.

Maßgeblich dafür ist nicht nur die Konjunkturlage, sondern ebenso der sogar in den USA abbröckelnde Gaspreis und rückläufige Absatz sowie Konkurrenz-Energieträger. Die überaus komplizierte Preisklausel stützt sich bekanntlich zu 20 Prozent auf den jeweiligen Rohölpreis, zu 48 Prozent auf den Preis für Heizöl schwer ab Raffinerie, 32 Prozent Heizöl extraleicht frei Betrieb, also Verbraucherpreis.

Erdgasbeschaffung und Versorgungssicherheit sind für Österreich geographisch bedingt. Selbst ein Algerien-Gasbezug, der zeitweilig verhandelt wurde, hätte Österreich im Umrech-. nungsverfahren nur sowjetisches Austauschgas gebracht; das gleiche gilt für zeitweilige Bezüge von Nordseegas.

Ein Uberblick der bisherigen heimischen Gasaufschließung für 1981 ergibt: Neben der ÖMV AG mit 834,2 Millionen Kubikmetern (1981) förderte die Rohöl-Aufsuchungs-Gesellschaft (RAG = MOBIL/SHELL) 573 Millionen Kubikmeter und van Sickle 643 Kubikmeter. Die Gesamtproduktion an Erdgas ist 1981 gegenüber 1980 um 24,52 Prozent zurückgegangen. Jedenfalls sollte die erhoffte Gasfündigkeit (unter 5000 m Tiefe) für Österreich einen positiven Wandel für den Anteil zur Bedarfsdeckung aus der Eigenförderung bringen, der gegenwärtig bei 18 bis 19 Prozent liegt

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