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Überhöhte Rohölpreise

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Der Gewinn der ganzen Mineralölkette besteht in der Rohölförderung und im Rohöleinkauf. Wie die Gutachten nachweisen, trachten die internationalen ölkonzerne über erhöhte Rohölpreise die Gewinne ins Ausland zu transferieren. Sie treffen damit zwei Fliegen auf einen Schlag. Sie entziehen den Großteil ihrer Gewinne der inländischen Besteuerung und verhindern' gleichzeitig das Entstehen oder den Ausbau von unabhängigen, staatlichen oder privaten Raffinerien und Vertriebsgesellschaften. Diese verständliche und durchaus legale Praxis, gegen die sich schon viele Staaten vergeblich zu wehren versucht haben, entlastet zwar die amerikanische und englische, belastet aber unsere Zahlungsbilanz um ein bis zwei Milliarden Schilling jährlich mehr, als bei freiem Einkauf des Rohöls notwendig ist. Das ist bei unserer strukturell defizitären Zahlungsbilanz untragbar und würde zum weiteren Ausverkauf Österreichs und zur Bedrohung seiner Unabhängigkeit führen.

Das Rohölimportvolumen als solches nimmt eine handelpolitisch respektable Größenordnung ein. Es ist darum notwendig, die Importe von Rohöl heute schon mit den Exportmöglichkeiten abzustimmen, das heißt, die Importe von Rohöl müssen aus solchen Ländern kommen, in die die Exporte unserer Industrie ausweitungsfähig sind. Auf diese Weise wird das Wachstum unserer Mineralölindustrie mit dem Wachstum der Exportindustrie verbunden. Ein eminent wichtiger Gedanke der Gutachter! Solche Exportmärkte sind sicherlich nicht in den Dollar- und Pfundländern oder Ländern mit konvertlbler Währung zu finden, sondern in den ölträchti-gen Entwicklung- und Ostländern. Der Handelsverkehr mit den USA ist ja beispielsweise geringer als der mit der Schweiz und außerdem schwer passiv. Importströme und Exportströme müssen also währungsmäßig aufeinander bezogen werden. Dazu bedarf es der Handlungsfreiheit beim Rohöldmport, für deren Durchführung sich die ÖMV als Instrument anbietet.

Die Energieplanung zeigt erst Ansätze. Ihre wichtigste Aufgabe ist die Integration der einzelnen Zweige der Energiewirtschaft zu einer Einheit, einem „Verbund“ der öl, Atom-und Wasserkraft, Kohle, Erdgas und auch die auf Primärenergieträgern beruhende Elektrizitätswirtschaft umfaßt. Der Ausbau der heimischen Energie sollte aus volkswirtschaftlichen Gründen ohne Zweifel gefördert werden, auch über kurzfristige und kurzsichtige Preis-/Kostenkal-kulatlon hinweg. Es hat wenig Sinn, uns darüber zu freuen, daß Elektrizität aus Heizölkraftwerken um einige Prozent billiger ist als Wasserkraftelektrizität, wenn die Exportanstrengungen mit langfristigen Krediten und Ausfuhrförderungen subventioniert und Unterpreise angesetzt werden müssen, um die notwendigen Devisen zu verdienen. Sichere, ausreichende, bedarfsangepaßte Energieversorgung hat weithin den Vorrang vor niedrigen Preisen. In der Praxis hat jedes Land ein sehr umfassendes System der Energiepolitik entwik-kelt: Programmierung, Organisation des Energieverbunds, Unterstützung der Atomforschung, Kreditbereitstellung und staatliche Ausfallbürgschaften, Förderung der Aufschluß-und Suchtätigkeit im In- und Ausland, Importrestriktionen und Importlenkung zum Schutz heimischer Vorkommen (besonders USA), Streuung der Ideferkontrakte,Pipelinegesetze, Verdichtung der Energieverteilungsnetze, Vorschriften über Reservehaltung und Schonung der inländischen Energiereserven, Subventionierung inländischer Energieträger (besonders der Kohle durch Subventionen und Abkommen mit den Elektrizitätswerken), gestaffelte Energiepreispolitik (zum Beispiel Ranshofen).

Gewisse Rücksichten hat die Errichtung neuer Veredelungszentren auch auf die strukturellen regionalen Erfordernisse der Wirtschaftspolitik zu nehmen. Es ist wenig sinnvoll, Raffinerien neben rentablen Kohlenbergwerken zu errichten, wenn diese dadurch um ihre Abnehmer gebracht werden. Ebenso sollte ein gewisser Ausgleich im Energiedargebot vorgenommen und die unwirtschaftliche Konzentration vermieden werden. In Österreich heißt das: Berücksichtigung des Kohlenbergbaues, der unterentwickelten Gebiete und der Erdgaspipelineplanung.

Die Ertragskraft der ÖMV reicht mit Leichtigkeit aus, um ein Investitionsprogramm für die nächsten neun Jahre im Ausmaß von neun Milliarden Schilling zu 80 Prozent aus Eigenmitteln zu finanzieren, vorausgesetzt, daß die Rohölimportversorgung und der Absatz für die ÖMV gesichert werden. Dieses Programm enthält den Bau der Pipeline und zweier neuer Raffinerien, der Äthylenanlage für die Kunststoff Chemie sowie die erforderlichen Erhaltungsinvestitionen in den bestehenden Betrieben und die Neuböhrungen. Es ist auch unternehmungspolitisch nicht einzusehen, weshalb mit den AWP-Verträgen in ihrer vorliegenden Form neue „Fleißaufgaben“, wie es H. Knapp nannte, den internationalen ölkonzernen gegenüber erfüllt werden sollten. Die von den „Internationalen“ vorgesehene Finanzierung aus Eigenmitteln ist wesentlich ungünstiger (25 Prozent).

In diesem Sinn haben die Arbeitnehmervertreter, voll unterstützt durch die Präsidenten ihrer Organisationen, Staatssekretär a. D. Doktor Taus ein sehr zweckmäßiges Forderungsprogramm überreicht. Es enthält Schaffung eines Pipelinegesetzes mit AnscMußfTAL)-, Versorgungsund Betriebspflicht; Wiederaufnahme von Erdöl und Erdölderivaten in das bestehende Rohstofflenkungsgesetz zwecks Sicherung des Absatzmarktes; Verteidigung der derzeitigen (ÖRG-) vertraglich vereinbarten Rohölimportquote von 74 Prozent für die ÖMV, also lediglich Erhaltung des durch das Wiener Memorandum herbeigeführten Zustandes; Bau der Pipeline und zweier neuer Raffinerien durch die ÖMV unter Darlehensbeteiligung der internationalen Konzerne im Ausmaß ihrer Rohölimportquote; Überlassung der nach 1975 zu errichtenden Westrafflnerie (bei Saalfelden) an die internationalen Konzerne. Die Arbeitnehmer versprechen sich davon die Einleitung der auch von Nemschak geforderten konzeptiven und dynamischen Geschäftspolitik der ÖMV, die die Arbeitsplätze sichern und die zweifellos notwendigen Umstellungen erleichtern hilft. Dieser verständliche Wunsch sollte nicht als „demagogisch“ beurteilt werden, wie das in einem inspirierten Artikel kürzlich geschehen ist. Es steht vielmehr zu hoffen, daß der leidenschaftliche Appell H. Knopps zu einer den nationalen Interessen dienenden, konsequenten, konzertierten und konzentrierten Energie- und ölpolitik nicht ungehört verhallt

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