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Das ausländische Diktat

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Diese auch vom Neutralitätsstandpunkt aus erwünschte Freizügigkeit wird aber durch die internationalen Gesellschaften ganz einfach auf die Weise verhindert, daß sie sich lediglich bereit erklären, durch ihre Vertriebsorganisationen, auf deren Verkaufskapazität die ÖMV AG angewiesen ist, Produkte zu verkaufen, die aus österreichischem Rohöl und allenfalls aus einer halben Million Jahrestonnen sowjetischen Rohöls erzeugt werden. Damit ist die ÖMV AG aber auf eine Rohölbasis von ca. 2,7 Millionen Jahrestonnen beschränkt, die in Zukunft weiter sinkt. Die genannte Quote reicht nicht einmal zur Auslastung der Raffinerie Schwechat. Außerdem verhindern die internationalen Gesellschaften im Verein mit den Italienern (repräsentiert durch die ENI), daß Österreich, das heißt, die ÖMV AG, eine eigene Leitung von Triest nach Österreich erhält. Die „Adria—Wien-Pipeline“ soll nach den ausländischen Wünschen erst in

Österreich am Plöckenpaß ihren Anfang nehmen. Das hat zur Folge, daß die österreichische Leitung, was Roh-ölbeschaflung, Durchleitungsrechte, Transportpreise usw. anbelangt, wohl oder übel von ihren präsumtiven Konkurrenten abhängig ist. Auf diese einfache Weise strecken die ausländischen Gesellschaften auch die Hand nach der österreichischen Raffinerie aus, der sie bestenfalls eine kaum kostendeckende Lohnverarbeitung zugestehen wollen.

Die Stellung der internationalen Gesellschaften

Resümierend können wir sagen, daß die internationalen Gesellschaften alle wesentlichen Transporte — sprich Pipelines — beherrschen, durch die Erdöl nach Österreich kommen kann. Weiter beherrschen sie zwei Drittel der Absatzorganisationen, durch welche die aus Erdöl erzeugten Produkte an die Verbraucher gebracht werden. Darüber hinaus blieb bisher noch unerwähnt, daß die Internationalen Gesellschaften im Räume von Ingolstadt (Süddeutschland) ein bedeutendes Raffineriezentrum mit mindestens fünf Raffinerien errichten, wo drei bereits im Betrieb sind. Die in diesen Raffinerien erzeugten Produkte suchen ihren Markt nicht nur in Süddeutschland. Im Gegenteil. In der letzten Zeit werden immer mehr auch die österreichischen Vertriebsfirmen der internationalen Gesellschaften zum Verkauf der Produkte in Österreich eingespannt. Dies gilt insbesondere für Dieselkraftstoff, Heizöl, aber auch zum Teil für Benzin, das in einer für den österreichischen Markt ausreichenden Menge auch von der ÖMV AG produziert werden könnte.

Das Rennen nach den Absatzmärkten

Da der Bedarf an Erdölprodukten ständig steigt, zielt die langfristige Planung sowohl der ÖMV AG als auch der Internationalen Gesellschaften darauf ab, neben den Importen von Erdölprodukten auch eine zusätzliche Verarbeitungsstätte von Rohöl (Raffinerie) eventuell im Räume von Graz zu errichten. Ein solches Projekt gewinnt insbesondere durch die Pipeline von Triest nach Wien (AWP) Bedeutung, schon deswegen, weil die AWP 6 Millionen Jahrestonnen befördern, die Raffinerie in Schwechat aber maximal 4 Millionen Jahrestonnen verarbeiten kann.

Derzeit sind bereits Diskussionen darüber im Gange, wer die wirtschaftliche Führung in einem solchen Raffinerieprojekt haben soll. Die ÖMV-AG hat dabei einen relativ schwachen Stand, weil sie bereits bezüglich des Vertriebes ihrer Produkte aus der Raffinerie Schwechat weitgehend von den internationalen Gesellschaften abhängig ist.

Das Vormachtsstreben der internationalen Gesellschaften erklärt sich zum Teil aus der Tatsache, daß

im weltweiten Maßstabe ein bedeutendes Überangebot an Rohöl und damit die Sorge um den Absatz besteht und daß außerdem Österreich als Sprungbrett und Brückenkopf für eine Ausweitung des internationalen ölgeschäftes in die Ostblockländer gilt.

Erdgas im Kommen

Verschiedene Bundesländer betreiben einen Anschluß Österreichs an eine Erdgasschiene von Holland über Karlsruhe nach Ulm. Dabei geht es darum, den in kurzer Zeit zu erwartenden Rückgang der Förderung aus den Erdgasfeldern der ÖMV AG auszugleichen, aber gleichzeitig auch den steigenden Verbraucherwünschen gerecht zu werden. Insbesondere die Bundesländer Steiermark, Wien, Niederösterreich sowie Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich nehmen an solchen Konzeptionen teil. Holländischer Verhandlungspartner ist die NAM, die in der Hauptsache von den internationalen Firmen Shell und Esso betrieben wird. Die NAM wollte sich sogar einen direkten Einfluß auf die Verkaufsapparate jener Länder sichern, die holländisches Erdgas aufnehmen wollen, außerdem strebte sie ein Alleinver-fügungsrecht über die großen europäischen Transportleitungt-in an. Bei ihrem Verhalten war die NAM sicher von dem Wunsche geleitet, aus dem Erdgasverkauf keine ernst zu nehmende Konkurrenz für ebenfalls von Shell und Esso in den europäischen Staaten vertriebene Mineralölprodukte zu erhalten. Seit auch in Norddeutschland Erdgaslager fündig geworden sind und das libysche und Sahara-Gas energisch nach Mitteleuropa drängt, hat die NAM ihre Wünsche freilich etwas zurückgesteckt.

Wenn so große internationale Gesellschaften wie Shell und Esso eine Konkurrenzierung der Erdölprodukte durch Erdgas befürchten, ist es immerhin verwunderlich, daß die

ÖMV AG an den österreichischen Importplänen noch keinen Anteil genommen hat. Was würde näherlie-gen, als die Importe von Erdöl über die AWP und von Erdgas durch eine Zusammenfassung aller interessierten Kreise der Energiewirtschaft so zu koordinieren, daß daraus der wirtschaftlich beste Effekt für die österreichische Energieversorgung erwächst. Nach der bisherigen Situation aber erhalten die internationalen Gesellschaften, die, wie sich gezeigt hat, auch in der Erdgasproduktion und Verteilung tätig sind, Gelegenheit, die verschiedenen österreichischen Gesellschaften gegenseitig auszuspielen.

Wem gehört die Zukunft?

In der derzeit etwas verwirrenden Lage auf dem Erdölmarkt werden die Positionen bezogen und die Wei chen für die Zukunft der Energie Versorgung unseres Landes gestellt. Die Bundesregierung konnte sich offenbar nicht entschließen, der bedeutendsten österreichischen Erdölgesellschaft, die durch ihren Aufbau geradezu prädestiniert wäre, die Erdöl- und Erdgasinteressen in Österreich zu koordinieren, mit den dazu notwendigen Kräften auszustatten. Der Anschluß der Verteilerorganisationen Martha und örop an die ÖMV AG ist zwar ein wichtiger Schritt gewesen, berechtigt aber niemanden unter den Verantwortlichen zu der Annahme, nun alles getan zu haben, damit dieser Wirtschaftssektor im Sinne der österreichischen Interessen geordnet ist. Die aufgezeigten Perspektiven weisen vielmehr in eine andere Richtung!

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