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Also: keine Krise

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In der Plenarsitzung am Donnerstag der Vorwoche sah sich die Regierung einem Sperrfeuer beider Oppositionsparteien ausgesetzt. Der Anlaß: die Ausführungen des Bundeskanzlers zur Energiesituation in Österreich.

Die ÖVP hatte schon vor dieser entscheidenden Parlamentsdebatte eine Fülle von Argumenten zusammengetragen, an Hand derer bewiesen werden sollte, wie falsch die Regierung mit ihren Verfügungen liegt. In einer Dokumentation des Pressedienstes der Völkspartei heißt es, die ÖMV-Raffinerie Schwechat habe bereits seit Anfang Jänner — also noch vor dem Inkrafttreten des autolosen Tages am 14. Jänner — ihren Raffi-neriedurchsatz um 15 Prozent gedrosselt. Wurden während der Zedt der Verknappung der Importe von Erdöl-Fertigprodukten in Schwechat rund 30.500 Tonnen pro Tag verarbeitet, so konnte diese Menge schon nach den Weihnachtsfeiertagen auf 26.500 Tonnen reduziert werden.

Es soll diese Reduktion, wie aus der Mineralölverwaltung verlautet, geradezu unumgänglich gewesen sein, da gar nicht genug Tanklager vorhanden sind, um die Reserven aufzunehmen. Insgesamt sollen im Jänner von den Einzelhändlern um rund 20 Prozent an Erdölprodukten weniger beansprucht worden sein, als die ÖMV bereitgestellt hatte.

Gedrosselt wurde auch bereits mit Anfang Jänner die Inlandsförderung von Erdöl in Ostösterreich, nämlich von 7000 auf 6000 Tonnen. Die Versorgungslage kann also auf Grund dieser Information als vollkommen normal bezeichnet werden.

Handelsminister Staribacher hat schon begonnen, zum Rückzug zu blasen. Er gab unlängst in seinem wöchentlichen Montag-Gespräch mit Wirtschafts Journalisten bekannt, es seien schon etwa 100.000 der für die Sommermonate als Reserve notwendigen 200.000 Tonnen Treibstoff „angespart“. Nur von einer Lockerung der Regelung des „Tempo 100“ will Staribacher nichts wissen. Er würde es gerne sehen, wenn diese Vorschrift überhaupt in Kraft bliebe — wenn schon nicht aus Gründen der Benzinersparnis, so doch, um die Sicherheitsverhältnisse auf den Straßen zu verbessern. Das war schon immer das Argument Staribachers, doch stand er damit allein auf weiter Flur, bis er vor allem die einflußreichen Kraftfahrerverbände mit der drohenden Versorgungskrise zur Zustimmung bewegen konnte. Seine Freude über das Tempolimit dürfte aber nicht von sehr langer Dauer sein. Nicht zuletzt die sozialistisch dominierte Kraftfahrerorganisation ARBO hat sich für eine Lockerung ausgesprochen. Auch die ÖVP wollte besonders populär sein und Parteiobmann Schleinzer forderte nach der letzten Sitzung des Bundes-parteivorstandes eine Lockerung des Tempolimits auf den Autobahnen und die Aufhebung des .^autolosen Tages“.

Nach wie vor vertreten informierte Beobachter die recht glaubhafte Auffassung, hinter all dem Gerede von einer Versorgungskrise seien glänzende Regisseure gestanden, die auf diese Weise in aller Ruhe exorbitante Preiserhöhungen für Erdölprodukte über die Bühne gebracht hätten. Daß diese Vermutung nicht allzu falsch sein kann, verspürt ja jeder, der Auto fährt, seine Wohnung mit öl beheizt und eigentlich darüber hinaus jeder Konsument, weil ja Preiserhöhungen ganz allgemein jetzt vielfach unter dem Hinweis auf die gestiegenen ölkosten vorgenommen werden, da eben die Produktionsmaschinen mit öl angetrieben werden. Der Volkszorn richtet sich in diesem Zusammenhang derzeit vor allem gegen die „Multis“, die multinationalen Erdölgesellschaften, die tatsächlich geradezu eine Gewinnexplosion zu verzeichnen haben. Wenn man jüngsten Meldungen darüber Glauben schenken darf, so hat Mobil etwa einen Gewinnzuwachs von 47 Prozent, Texaco ein Plus von 45 Prozent und Shell immerhin auch noch eine Zuwachsrate bei den Gewinnen von 28 Prozent. Heimische Spitzenpolitiker, wie Bundeskanzler Kreisky und Handelsminister Staribacher, sehen dieser Entwicklung derzeit allerdings gelassen entgegen, wie ihre Antworten in einer Interviewserie einer großen Wiener Tageszeitung vom vergangenen Wochenende zeigen. Dar Bundeskanzler bezeichnete das Vordringen multinationaler Gesellschaften als eine notwendige Folge der Integrationstendenzen in Europa, Handelsminister Staribacher wies auf die Funktion dieser Konzerne innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems hin. Die ÖVP hat jedenfalls Gelegenheit, sich an Hand der öl-situation auf einige Regierungsmitglieder einzuschießen: auf Handelsminister Staribacher, aber auch auf Finanzminister Androsch. Die erste Attacke in diese Richtung kam ohnedies bereits: die Mineralölsteuer auf Heizöl müsse mit der gerade in Kraft getretenen Preiserhöhung erst recht abgeschafft werden, da der Staat ohnedies durch die gestiegenen Preise für Normal- und Superbenzin wesentlich mehr aus diesem Titel einnehme, als präliminiert.

Das Produktionskostengefüge wird aber schon in den nächsten Tagen durch einen weiteren Stoß ins Wanken geraten: durch eine Strompreiserhöhung, die sich vermutlich um 15 Prozent oder etwas darüber bewegen wird.

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