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Hinauf, hinab - hinauf?

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Österreichs Autopreise drohten in den letzten Monaten sogar den kaufwilligsten Konsumenten davonzulaufen. Preissteigerungen, von zehn und mehr Prozent im Jahr waren an der Tagesordnung. Wenn es nach dem Willen von Finanzminister Dr. Hannes Androsch geht, soll diese Bewegung jetzt gestoppt werden: Sowohl das Inkrafttreten des Interimsvertrages mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als auch die Einführung der Mehrwertsteuer soll zu Verbilligungen führen.

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Österreichs Autopreise drohten in den letzten Monaten sogar den kaufwilligsten Konsumenten davonzulaufen. Preissteigerungen, von zehn und mehr Prozent im Jahr waren an der Tagesordnung. Wenn es nach dem Willen von Finanzminister Dr. Hannes Androsch geht, soll diese Bewegung jetzt gestoppt werden: Sowohl das Inkrafttreten des Interimsvertrages mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als auch die Einführung der Mehrwertsteuer soll zu Verbilligungen führen.

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Österreichs Autohandel klagt schon seit Jahren über den unnatürlichen Geschäfts verlauf: War es vorerst die Einführung der Autosondersteuer, die im Spätsommer des Jahres 1968 zu einem enormen Verkaufs-boom führte, so mußten die Autoverkäufer im Jahr 1969, und zum Teil auch 1970, eine gegenteilige Entwicklung verzeichnen: Die Zahl der Neuzulassungen sank, erstmals nach vielen Jahren, rapid ab. Wohl stiegen gleichzeitig die Gebrauchtwagenumsätze, aher der Verdienstausfall durch den zurückgegangenen Neuwagenverkauf konnte damit nicht rückgängig gemacht werden. Als dann die Sondersteuer am 31. Dezember 1970 fiel, gab es einen ähnlichen Verkaufsboom wie 1968, doch diesmal führte der gleichzeitige Anstieg von Zulassungszah'len im Ausland zu einer entscheidenden Verknappung der Lager und damit zu monatelangen Lieferfristen.

Die Konsumenten hatten allerdings nur wenig Zeit, sich an den Preisen zu erfreuen, denn mit Frühjahr des vergangenen Jahres setzte die bereits erwähnte Aufwärtsentwicklung der Preise ein, die bis' heute nicht zum Stehen gebracht werden konnte.

Die 30prozentige Zollsenkung, die am 1. Oktober in Kraft treten wird, sollte bei den Autos aus dem EWG-Raum zu Verbilligungen von etwa drei bis vier Prozent führen. Diese Verbilligung erkennen fast alle Importeure an, dennoch ist es nicht sicher, ob der Herbst auch wirklich billigere Autos bringen wird. Denn der Spätsommer ist zumeist auch der Zeitpunkt für Modellwechsel und damit auch der Anlaß für Preiskorrekturen nach oben. Ganz abgesehen davon, haben die meisten Autofabriken aus dem Raum des Gemeinsamen Marktes ihre Preise in Österreich bisher absichtlich niedrig gehalten, um mit den Konkurrenten des EFTA-Marktes, die ja zollfrei importieren konnten, Schritt zu halten. Es wäre also durchaus nicht auszuschließen, daß die eine oder andere Firma ihre Preise nicht senkt. Denn wenn auch die österreichische VW-Porsche-Organisation mit ihrer sofortigen Preissenkung ihre Marschrichtung angedeutet hat, heißt das noch lange nicht, daß ihr auch andere Importeure folgen müssen.

Bei Redaktionsschluß war jedenfalls erst die VW-Tochter Audi-NSU diesem Beispiel gefolgt, und ein Wiener Opelhändler hatte von sich aus den Preis für seine Autos herabgesetzt.

Hinter den Kulissen wird jedoch mit großer Hektik beraten, wie der Autohandel auf die neue Situation reagieren soll. Die sofortigen Preissenkungen werden von manchen

Händlern als unerwünscht abgelehnt, da sie ohnehin nur zu einer Verschiebung des Dienstes am Kunden führen können: „Bisher hat der Kunde etwa vier bis fünf Prozent Rabatt bekommen, der fällt natürlich jetzt weg“, formulierte ein Autohändler seinen für den Konsumenten unerfreulichen Standpunkt. Ähnliche Erscheinungen könnte es auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt geben, wo beim Eintausch für einen Neuwagen der Händler dann niedrigere Sätze als bisher verrechnen könnte.

Mischpreise?

Die Bundeswirtschaftskammer ist jedenfalls im Augenblick der Ort von Verhandlungen, da manche Händler, wie angeblich auch der Finanzminister, es für falsch halten, zweimal hintereinander, nämlich am 1. Oktober und am 1. Jänner, die Preise zu ändern. Die gegenwärtig laufenden Verhandlungen zielen darauf ab, einen Mischpreis zu bestimmen, der ab 1. Oktober gültig sein und sowohl Zollsenkung als auch Mehrwertsteuer berücksichtigen soll: Ein wahrhaft kluges Unterfangen! Etwa vier Prozent Zollverbilligung, abgezogen vom bisherigen Preis, dazugerechnet etwa vier Prozent Mehrwertsteuerverteuerung — und man verkauft bereits am 1. Oktober die Autos „inklusive 16 Prozent Mehrwertsteuer“.

Das bedeutet nämlich drei Monate lang ein Steuerinkasso, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geben darf. Wer aber hindert die Importeure daran, zu Beginn des nächsten Jahres — etwa im März — die Preise neuerlich anzuheben? Die letzte Preisregulierung ist ja dann nicht im Jänner, sondern schon etwas früher erfolgt.

Wie das Beispiel VW zeigt, sind aber nicht alle Firmen mit diesem Plan einverstanden. Bei VW ist das durchaus verständlich, denn diese Firma, die jahrelang an erster Stelle in der österreichischen Zulassungsstatistik gestanden war, hat sich soeben erst von dem Schock erholt, von General Motors überflügelt worden zu sein. Wenn man nur den Verkauf von PKWs rechnet, und den Kleinbusverkauf außer acht läßt, hat GM den Volkswagen bereits im Juni überholt. Im Juli hat zwar VW wieder aufgeholt und liegt auch in der Zulassungsstatistik der ersten sechs Monate noch um wenige Zehntel Prozent vor dem Konkurrenten, aber das Zusammenrücken an der Spitze der Zulassungen ist unverkennbar.

Der Konkurrenzkampf auf Österreichs Automarkt, der durch den massiven Einbruch der Japaner ohnehin schon aus seiner gewohnten Bahn geworfen worden ist, wird noch härter werden, gleichgültig wie die Preisbewegungen gegen Jahresende aussehen werden. An eine echte Verbiliigu-ng kann man aber schon nicht mehr glauben: Denn zum Jahresende, und vor allem im Herbst, gehen die für Eintauschwagen zu erzielenden Preise meistens zurück. Der Käufer erhält weniger für seinen Eintauschwagen. Wenn dazu noch die Neuwagenpreise gesunken sind, werden die Gebrauchtwagen auch um diesen Satz billiger. Wenn man dann noch geringere Rabatte oder geringere Eintauschkurse in Rechnung stellt (weil der Verkäufer sich einen Teil der Verbilligung zurückholen will), so kann es durchaus günstiger sein, nicht auf billigere Preise im Herbst zu hoffen: Derartige Hoffnungen der österreichischen Autofahrer sind bisher immer noch enttäuscht worden.

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