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Digital In Arbeit

Mit Chips ins Minus ?

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Phänomenal waren die Zuwachsraten in den letzten Jahren auf dem Mikro-chips-Markt. Inzwischen erlitt die Branche ein Preis-und Umsatzbeben, das auch Österreich traf.

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Phänomenal waren die Zuwachsraten in den letzten Jahren auf dem Mikro-chips-Markt. Inzwischen erlitt die Branche ein Preis-und Umsatzbeben, das auch Österreich traf.

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Tief im Sumpf ist derzeit die Chips-Erzeugungsindustrie. Der bei Bauteilen übliche Zyklus ist diesmal schneller als erwartet eingetroffen. Nachdem noch im Vorjahr teüweise mit Lieferfristen bis zu zwölf Monaten und überhöhten Preisen agiert wurde, ist nun eine gegenteilige Situation eingetreten. Hatten sich vor wenigen Monaten die Kunden hohe Lager für Bauteile angelegt, um ja nicht in Schwierigkeiten zu geraten, so warten sie nun mit der Bestellung bis zum letzten Moment, um so vielleicht noch einen günstigen Preis aushandeln zu können.

Dabei läuft es in Europa noch besser als in den USA (siehe Kasten). Dort hat eine Schwäche des Büroautomatisierungsbereiches, der rund 40 Prozent der Halbleiter abnimmt, zu kräftigen Nachfragerückgängen der Computererzeugung geführt. In den USA dürfte deshalb auch der Halbleiterumsatz heuer um zehn Prozent zurückgehen.

Die US-Halbleitererzeuger haben Produktionsbänder stillgelegt und Tausende Beschäftigte freigesetzt (z. B. 3000 bei Texas Instruments). Dagegen ist in Europa weiterhin mit steigender Nachfrage zu rechnen, wobei vor allem der Verbraucherelektronik Impulse gegeben werden. In Japan schaltet man etwas zurück, die Investitionen in der Halbleiterbranche werden teilweise um 10 bis 20 Prozent zurückgenommen.

Die Alarmglocken schienen jedenfalls im Mai auch in Osterreich geläutet zu haben. Im Siemens-Werk in Villach wurden Krisensitzungen gehalten. Einer der Hauptabnehmer, nämlich IBM, hat seine Bestellungen um rund ein Drittel zurückgenommen, Stornierungen von anderen Kunden waren ebenfalls an der Tagesordnung. Seit Mitte Februar gab es vor allem bei 64-k-Chips (auf diesem integrierten Schaltkreis sind 64.000 Informationen möglich, Anm.) einen Marktzusammenbruch, die Preise sackten in den Keller, statt 50 wurden nur noch 15 Schilling pro Stück erzielt.

Die Bremsspuren waren dann kräftig. 60 bis 70 Frühpensionierungen wurden angepeilt. Von rund 1.400 Beschäftigten wurde weit über ein Drittel auf Kurzarbeit geschickt, und das bis zum Jahresende. Dabei hatte man noch in den vergangenen zwölf Monaten 400 neue Leute aufgenommen.

Der Elektronik-Experte der Voest, Otto Zieh, sieht das heute ganz realistisch: „Die Preise sind bis auf ein Drittel des Vorjahresniveaus zurückgegangen. Wenn man davon ausgeht, daß Bauteilwerke mit Fixkosten so um die 80 Prozent arbeiten, kann man sich vorstellen, was da unter dem Strich überbleibt.” Obwohl man nun nach Meinung Zichs nicht zu pessimistisch sein soll. Ende 1986, spätestens Anfang 1987 sollte es wieder den nächsten Boom bei Bauteilen geben.

Die Flaute hat auch das AMI-Werk (Austria Mikrosysteme International GmbH., erzeugt integrierte Schaltkreise, Anm.) in Österreich voll getroffen. War man in der Boomzeit des Vorjahres noch nicht voll lieferbereit, so wären nun alle Kapazitäten einsatzbereit, die Nachfrage ist aber nicht da.

Für Voest-Mann Zieh stellt sich die Frage anders. Er hat die Erfahrung gemacht, daß etwa eine Personaleinsparung von zehn Prozent sogar zu einer Steigerung der Produktivität geführt hat, da schwächere Arbeitskräfte ausgeschieden wurden. Außerdem würden auch die Japaner in der Rezession keine Einschränkungen vornehmen und haben dann beim nächsten Aufschwung durch sofortige Einsatzbereitschaft der Konkurrenz wieder Marktanteile von fünf und mehr Prozent abgejagt.

Weit gelassener sind da schon die österreichischen Bauteilehändler. Der Geschäftsführer der W. Moor-Data GmbH (sie handelt mit elektrotechnischen Halbfabrikaten und elektronischen Bauelementen), Herbert Schmaderer, eher lakonisch: „Wir sehen das nicht tragisch.” Nun seien wenigstens die Lieferfristen des Vorjahres weg. Und überhaupt gingen in Österreich die Uhren anders. In Europa und der Bundesrepublik Deutschland sei die Lage nicht so schlecht wie in den USA. Nur wegen der Euphorie bei 64-k-Chips und 256-k-Chips hätten verschiedene Anbieter die Nerven verloren und die Preise um zehn bis 15 Prozent gesenkt.

Wunder-Chip

Alle Investitionen, die heuer noch getätigt werden — dazu gehört auch das Voest-Projekt mit der japanischen Elektronikfirma Oki, die eine gemeinsame Tochterfirma gründen werden —, sind vielleicht schon alte Hüte nach jüngsten Meldungen aus den USA. Aus dem Silicon Valley dringt eine Wundermeldung. Bereits im kommenden Jahr sollen erste integrierte Schaltungen auf den Markt kommen, die alles Bisherige in den Schatten stellen.

Die Chips werden viermal mehr Transistoren als ein 256-k-Chip haben (was noch nicht sensationell wäre), sind aber nur ein tausendstel Millimeter dick, also hundertmal dünner als ein menschliches Haar. Diese winzigen Chips werden nur noch von Maschinen hergestellt. Mit ihnen können derart hohe Volumina an Rechnerleistungen erbracht werden, daß Mitte der neunziger Jahre eine einzige integrierte Schaltung über mehr Computerleistung verfügt als ein Dutzend der heutigen 100-MUlionen-Schilling Computer. Und dazu zu einem Preis von einigen hundert Dollar. Wenn nur ein Bruchteil davon wahr ist...

Der Autor ist Chefredakteur von _a3volt” einem Magazin für Elektronik, E-Technik und Energie. Dieser Beitrag erschien in der Juni-Ausgabe.

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