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Ohne Rute im Fenster

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Der Handelsminister Staribacher schwört auf die Homöopathie: Statt die Inflation von der Wurzel her zu kurieren, verordnet er der Wirtschaft minimale Senkungen einiger Einzelpreise, die er mit Händlern und Handelsgruppen abspricht, offenbar in der Hoffnung, daß der Wirtschaftskörper dann von selbst Abwehrstoffe gegen die Inflation bildet. Sobald es aber um mehr als homöopathische Dosen, etwa bei der Senkung der Mineralölpreise geht, scheut er zurück, ganz als wäre dies mit seinen therapeutischen Vorstellungen nicht in Einklang zu bringen.

Zwar haben die multinationalen ölgesellschaften in den letzten Tagen die Benzinpreise in der Schweiz gesenkt, was den ÖVP-Ab-geordneten Mock veranlaßte, ein gleiches für Österreich zu fordern, doch unser Homöopathie-Minister erklärte bei einer Pressekonferenz, er habe keine Möglichkeiten, hinsichtlich einer generellen Senkung der Mineralölproduktenpreise aktiv zu werden. Er werde sich aber bemühen, die Heizölverbilligung über den vereinbarten Termin von Ende September hinaus zu verlängern — was er offenbar schon als ganz großen Erfolg betrachtet.

Also sprach der gleiche Handelsminister, der noch vor kurzem herzzerreißende Klage darüber führte, daß ihm infolge der Nichteinigung über das Preisregelungsgesetz im Parlament kein brauchbares Instrument zur Preisbekämpfung an die Hand gegeben sei. Nun, die meisten Mineralölprodukte sind preisgeregelt, das größte Unternehmen auf dem österreichischen Markt ist sogar ein verstaatlichter Betrieb — womit doch alle Voraussetzungen für eine kulante Preisgestaltung gegeben sein sollten —, aber siehe da, mit Preissenkungen bei Mineralölprodukten ist trotz sinkenden Weltmarktpreisen nicht zu rechnen.

So ließ man zumindest bisher verlauten. Vielleicht besinnt man sich an kompetenter Stelle in nächster Zeit doch eines besseren. Gewiß, ein amtliches Prüfungsverfahren ist sehr zeitraubend, bis zu seiner Fertigstellung mag sich die Situation schon wieder geändert haben, aber vielleicht wäre es doch möglich, mit der „Rute“ des Prüfungsverfahrens „im Fenster“ einen Akkord mit den Firmen herzustellen.

Preissenkungen wären vor allem bei Ofenheizöl zu begrüßen, da sie gerade den ärmeren Bevölkerungsgruppen zugutekämen. Desgleichen wären Preisreduktionen auch bei schwereren Heizölsorten, wie sie die Wirtschaft verwendet, willkommen,da dies eine Produktionskostensenkung mit sich brächte und eine in-flaüonsdämpfende Wirkung ausüben könnte.

Für eine Treibstoffpreissenkung spricht nicht zuletzt die Tatsache, daß der Benzinverbrauch seit Ende des Vorjahres rückläufig ist, was zweifellos eine Folge der hohen Preise darstellt. Dies beweist nicht zuletzt auch die Verlagerung des Verbrauchs von Super- zu Normalbenzin, was den Tendenzen früherer Jahre widerspricht.

Wenn sich auch der Verbrauchsrückgang insgesamt in den letzten Monaten etwas verringert hat, sprechen die jüngsten Importzahlen noch immer eine deutliche Sprache. So lagen im Mai die Rohölimporte mengenmäßig um 8 Prozent unter dem Vorjahrswert, die Benzinimporte um 50,5 Prozent und diejenigen von Heizöl um 53,5 Prozent.

Daß freilich der Devisenaufwand für diese reduzierte Menge noch immer empfindlich höher als ein Jahr vorher für die größere Quantität war, dafür sorgten die seit damals rasant gestiegenen Preise: Für Rohöl durchschnittlich um 220 Prozent, für Benzin um 175,5 Prozent,für Heizöl um 114 Prozent. Der Höhepunkt der Preissteigerungen ist aber bereits überschritten und gegenüber den Aprilpreisen wiesen die Preise im Mai bereits eine fallende Tendenz auf.

Die Mineralölindustrie kontert die Preissenkungswünsche damit, daß die in der OPEC praktisch zu einem internationalen Kartell zusammengeschlossenen öl produzierenden Staaten eine neue Preiserhöhung im Herbst planen, was auch für die Konsumentenpreise nicht ohne Folgen bleiben könne. Die Erfahrung lehrt aber, daß die Mineralölpreise zwar auf alle Kostensteigerungen mit mimosenhafter Sensibilität reagieren, ob diese nun durch Rohölpreise, Frachtraten oder was immer sonst verursacht sind, daß sie aber die gleiche Sensibilität bei Senkung ihrer Produktionskosten nicht an den Tag legen.

Es ist auch nicht sicher, ob die Mineralölgesellschaften das Preisdiktat der OPEC nicht ganz gern akzeptierten. Ihre jüngsten Geschäftsberichte weisen in der Regel eine Gewinnverdopplung auf, was den Schluß nahelegt, daß sie an den Preiserhöhungen auch selber ganz schön profitiert haben. Stecken da in ihren Konsumentenpreisen nicht noch einige recht beträchtliche Reserven, die es den Firmen gestatten würden, nicht unbedingt jede Preiserhöhung stante pede zu über-wälzert?

Freilich ist es falsch, alle Schuld bei den mit dem Reizwort „multinational“ garnierten Mineralölgesellschaften zu suchen (an deren Preispolitik übrigens auch die „uninatio-nalen“ ölfirmen ganz schön partizipieren). Wenn von diversen Regierungen der Zorn des Publikums mit Vorliebe auf sie verwiesen wird, so nicht zuletzt auch deshalb, um vom eigenen Versagen abzulenken. Das^ Preisdiktat der OPEC wäre nämlich nie in diesem Maß möglich gewesen, hätten sich die Europäer zusammen mit den Amerikanern und nach Möglichkeit auch mit den Japanern zu einem gemeinsamen Vorgehen entschlossen.

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