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Südamerikanisierung ?

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Die Inflation hat die Unkosten der Bauern empfindlich vermehrt, so daß sich die Regierung nach langem Zögern endlich gezwungen sah, eine Erhöhung des Getreidepreises zu konzedieren. Daraufhin fordert nun der Mühlenverband eine Hinaufsetzung des Mehlpreises, was wieder für die Bäcker ein willkommener Anlaß ist, ihrerseits eine Semmelpreiserhöhung zu verlangen, die nicht nur die Verteuerung des Mehls, sondern gleich auch sonstige Unkosten, die seit der letzten Steigerung des Semmelpreises aufgelaufen sind, abgelten soll. So geht ein (beispielhaftes) Spiel weiter...

Wie gewöhnlich behält dabei der Konsument den Schwarzen Peter in der Hand, obwohl ihm die ganze Zeit vorher versichert worden ist, daß die Kostenerhöhungen „irgendwie verkraftet“ würden. Nun, sie lassen sich zurückstauen, aber letzten Endes schlagen sie doch bis zum Letztverbraucher durch. Ohne zu untersuchen, ob und inwieweit im speziellen Fall die Forderung der Bäcker berechtigt ist, muß prinzipiell gesagt werden: man kann nicht Stabilitäts-politik damit betreiben, daß man irgendwelchen Bevölkerungsgruppen, die man leicht in den Griff bekommen kann, die Abdeckung ihrer Unkosten verweigert.

Ist die Forderung der Bäcker der Auftakt zu einer neuen Preisrunde? Wenn dem so ist, so wird die Senkung der Inflationsrate auf „nur“ etwas über sieben Prozent, die uns heute unverfroren als Stabilisierungserfolg angepriesen wird, bald der Vergangenheit angehören.

Was aber geschieht wirtschaftspolitisch gegen die Gefahr eines neuen und noch schlimmeren Dammbruches an der Preisfront? Mit Symptomkuren wie Preiskontrollen und Aufwertungen wird man auf die Dauer bestimmt nicht das Auslangen finden.

Eines der wichtigsten Stabilitätsinstrumente in der Hand der Regierung ist das Budget. Es steht außer Zweifel, daß dem diesjährigen Mon-sterbudget ein gerüttelt Maß an Schuld für das Hinaufschnellen der Inflationsrate zukommt. Leider hält dies den Finanzminister nicht auf, seine Milliardenspiele munter weiter zu betreiben und auch die Ausgaben im Budgetentwurf für das kommende Jahr abermals gewaltig aufzublähen.

Es hat aber den Anschein, als wären nicht einmal noch die Folgen des diesjährigen Budgets ausgestanden, so daß für den Herbst noch die Spi.';-zündung eines Inflationseffekts zu erwarten ist. Nach Ansicht vieler Beobachter steht nämlich die Aufhebung der im Frühjahr aus Stabilisierungsgründen verfügten 15prozenti-gen Bindung für die Ermessenskredite bevor.

Immer wieder hatten die Oppositionssprecher gefordert, daß die Bindungen in echte Kürzungen verwandelt würden, da die einzelnen Ressorts erfahrungsgemäß im Hinblick auf die zurückgehaltenen Mittel Aufträge erteilen und Zahlungsverpflichtungen eingehen, die den Finanzminister schließlich vor ein Fait accompli stellen und ihn zur Fredgabe der gesperrten Beträge zwingen. Verschiedenen Berichten aus den Ministerien zufolge sieht es auch heuer, wie zu erwarten, nicht anders aus.

Was hatte den Pinanzminister wirklich daran gehindert, Kürzungen zu verfügen? Es war doch bereits zu Jahresbeginn zu sehen, daß sich die Inflation nicht beruhigen wird, aber auch kein Konjunkturrückschlag zu befürchten ist? Sollten also die Bindungen nur der momentanen Beruhigung der inflationserregten Gemüter dienen, während man sich in stiller Ministerklause bereits einig war, daß man die Bindungen im Herbst ohne viel Aufsehen wieder rückgängig machen werde?

Nicht genug damit, werden für Herbst auch schon zahlreiche Etatüberschreitungsgesetz ? vorbereitet, die nach Schätzungen von ÖVP-Klubobmann Koren insgesamt nicht weniger als vier Milliarden Schilling ausmachen werden, also eine neuerliche kräftige Inflationsspritze darstellen. Daß es dazu kommen wird, führt Koren auf die krasse Unter-budgetierung des seinerzeitigen Voranschlags zurück. Demnach wären der besseren Optik willen zahlreiche Ausgabenansätze bewußt zu niedrig fixiert worden, so daß Nachträge nun unerläßlich werden.

Gewiß, Budgetüberschreitungen hat es schon immer gegeben. Aber es ist etwas anderes, ob diese bei einigermaßen stabiler Währung und schwacher Konjunktur für zusätzliche Ausgaben oder mitten in der Hochkunjunktur und bei einer schon gewaltig trabenden Inflation für die laufenden Ausgaben beschlossen werden. Unter diesen Umständen hat jede neuerliche Etatausweitung — auch dm Falle von Mehreinnahmen — unabsehbare Folgen.

Die Budgetüberschreitungen, so wird es bestimmt heißen, seien inflationsbedingt. Aber die Regierung rühmt sich doch, daß die tatsächliche Inflatiorurate die prognostizierte nicht überschreite. Die Teuerung war daher vorhersehbar, so daß im Etat bereits Reserven vorhanden sein müßten. Wenn das Budget 1974 abermals auf ähnlich fiktiver Preisbasis erstellt wurde, dann stehen uns noch einige Überraschungen bevor.

Einer der gefährlichsten Inflationsbeschleuniger sind heute die überdi-mensierten Etats des Bundes und der Gebietskörperschaften. Wenn die Verantwortlichen gerade bei diesen kritischen Faktoren weiterbin jede Zurückhaltung verweigern, dann steht auf die Dauer der Südamerikanisierung des einst so stabilen Schillings nichts mehr im Wege. Aber nach der Sprachregelung unserer währungspolitisch so verantwortungsbewußten Regierung sind dicra Warnungen gewiß nur „verantwortungsloses Inflationsgerede“.

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