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Benzin: Weniger Blei — dennoch giftig

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Mit der Herabsetzung des Bleigehalts bei Superbenzin gehört Österreich in diesem Bereich zu den führenden Ländern. Zu achten ist aber darauf, daß nicht Teufel mit Beelzebub ausgetrieben wird.

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Mit der Herabsetzung des Bleigehalts bei Superbenzin gehört Österreich in diesem Bereich zu den führenden Ländern. Zu achten ist aber darauf, daß nicht Teufel mit Beelzebub ausgetrieben wird.

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Mit 1. Juli 1983 hat sich auf dem Benzinsektor eine vom Standpunkt der Gesundheitspolitik erfreuliche Neuerung ergeben: Der Anteil von Bleitetraäthyl wurde von 0,4 auf 0,15 Gramm pro Liter Superbenzin reduziert. Bei Normalbenzin war dieser Schritt ja bereits mit 1. April 1982 getan worden.

Dabei hat die österreichische Mineralöl Verwaltung (ÖMV) Ge-

sundheitsminister Kurt Steyrer verbindlich zugesagt, daß der „Teufel nicht mit Beelzebub ausgetrieben“ wird, also die Bleiverminderung nicht etwa durch eine Erhöhung des Anteils der gefährlichen, krebsfördernden Aromate ausgeglichen wird. Um trotzdem die Oktanzahlen bzw. die Klopffestigkeit des Benzins zu garantieren, mußte ja der Treibstoff bekanntlich wieder um 20 Groschen pro Liter teurer werden.

ÖMV-Pressechef Rudolf Schaffer versichert, daß lediglich Me- thyltertiärbutyläther (MTBÄ) und Methanol, zwei relativ harmlose Verbindungen, als Bleiersatz ins Benzin gekommen sind. Österreich sei nun nach Schweden, der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland das vierte Land in Europa mit diesem geringen Bleianteil im Benzin.

Trotzdem bleibt dies nur ein’ kleiner Schritt zu einem wirklich schadstoffarmen Benzin. Denn natürlich bleiben jene Aromate, die schon bisher im Treibstoff waren, vor allem das durch seine Ringformel bekannte Benzol, ein Problem. Der Wiener Brennstofftechniker Univ.-Prof. Alfred Schmidt hält das als Krebserre ger berüchtigte Benzol überhaupt für das Kernproblem. Hier wird aber eine gesetzliche Regelung erst angepeilt.

Laut ÖMV beträgt der Benzolanteil ihrer Treibstoffe bei Normalbenzin etwa zwei, bei Superbenzin etwa drei Prozent, die ÖMV liefert allerdings nur zwei Drittel des in Österreich verkauften Benzins, der Rest kommt aus dem Ausland. Fachleute sagen, daß das aus der BRD importierte Benzin einen etwas höheren Benzolanteil als das österreichische aufweist, das aus den Oststaaten importierte vermutlich sogar einen beträchtlich höheren.

Wie Gesundheitsminister Steyrer der FURCHE mitteilte, strebt er per 1. Oktober 1983 eine gesetzliche Fixierung des zulässigen Benzolanteils von fünf Prozent an, wie er auch in der Schweiz festgelegt und in der BRD im Gespräch ist. Das wäre für manche Importware ein Fortschritt, im Hinblick auf die ÖMV, deren Werte bereits deutlich darunter liegen, aber ein Rückschritt.

Mit anderen Worten: Hoffentlich führt eine solche Regelung die ÖMV nicht in Versuchung, ihren Benzolanteil (oder den anderer Aromate) am Benzingemisch hinaufzusetzen. Steyrer will darüber auch mit seinem deutschen Ressortkollegen Zimmermann am 18. August konferieren.

Denn ein langfristiges Ziel Steyrers, das völlig bleifreie Benzin, läßt sich sicher nur nach internationalen Absprachen realisieren. Bekanntlich lassen sich die problematischen Stickoxide, krebserregende unverbrannte Kohlenwasserstoffe, durch spezielle Katalysatoren unschädlich machen. Nur: Solche Katalysatoren vertragen überhaupt kein BJei, sonst gehen sie kaputt. Erst wenn bleifreies Benzin angebo- ten wird, kann mit solchen Katalysatoren gefahren werden.

Ohne Blei ist aber nur ein 92- Oktan-Benzin erreichbar, was wieder neue Motoren mit geringerer Verdichtung erforderlich machen würde. Zumindest vorübergehend müßten zwei Verteilerapparate für die jeweils verschiedenen Motoren und Oktan-Wünsche bzw. -Erfordernisse geschaffen werden. Doch das ist nur nach langfristiger internationaler Planung möglich. Daß sich beim heutigen internationalen Fernverkehr einzelne Länder treibstoffmäßig abkoppeln, ist völlig undenkbar.

Vorläufig ist auf jeden Fall die Senkung des Aromaten-, insbesondere des Benzolanteils, dringend erforderlich, und zwar in Form einer Regelung, die deutlich weniger als fünf Prozent Benzolanteil vorsehen müßte. Prof. Schmidt schätzt, daß in Österreich pro Jahr zwischen 5.000 und 6.000 Tonnen Benzol emittiert werden, „und davon stammen 90 Prozent aus Kfz-Abgasen“.

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