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ÖMV: Wachstumschancen wahrnehmen
Die innenpolitische Diskussion unterlag einem ständigen Reifungsprozeß. Als das Ergebnis der Gutachten der unabhängigen Fachleute durchsickerte, sprach man vorerst vom „Dschungel der Illusionen“, von der „Mine“ und einem „Torpedo“ gegen die Pipeline, von kommunistischen Störeinflüssen und warf vor allem der Gewerkschaft vor, den Bau der so wichtigen Rohölader verhindern zu wollen. Als Kern der Diskussion hat sich herauskristallisiert, daß der Staat zu seiner eigenen, staatlichen Unternehmung, der ÖMV, kein Vertrauen hat oder haben soll. Am besten, man verhindere ihr weiteres Wachstuni und hungere sie aus. Darm endlich bleiben von der verstaatlichten Industrie nur Industrieruinen übrig. Der ambi-tionierte ÖIG-Präsident, Dr. Taw, wies solche Torheiten energisch zurück: Selbstverständlich habe der Staat als Eigentümer der ÖMV die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß dieses Unternehmen an der Ausweitung des Mineralölmarktes voll partizipiere und seine Wachstumschancen wahrnehmen könne.
Den ihr von Regierungsparteikreisen und einigen Zeitungen gemachten Vorwurf destruktiver Politik ' können die Gewerkschaften mit diesmal wirklich zwingenden Gründen von sich weisen. Gerade in der ] Pipelinefrage treten die Gewerk- ; Schäften für eine rasche Errichtung i der Rohrleitung und der neuen Raffinerien, ganz im Sinne der Gutachten, ein. Sie waren es ja überhaupt, < die diese Frage sehr konsequent aufgeworfen und für Publizität gesorgt haben — allerdings Vernünftiger Weise erst nach einer kurzen Zeitspanne, die Taus und der Regierung Gelegenheit geben sollte, ohne i Publizität sinnvolle Entschlüsse zu : fassen. Die Gewerkschaften wollen sicherlich nicht aus politischen Gründen verhindern, daß die ÖVP die kurz vor dem Wahltermin zur Fertigstellung vorgesehene Pipeline und die neuen Raffinieren grün anstreichen, um sie als weithin sichtbare Ballons über die Köpfe der Wähler :zu hängen. Den Gewerkschaften sind solche grüne Ballons sicherlich lieber als ein Heer von Arbeitslosen und als der Verzicht auf konstruktive Wachstumspolitik. Für die Gewerkschaft steht wohl nur zur Debatte, ob die Pipeline und Raffinerien in österreichischen Händen bleiben und die Investitions- und Ertragskraft der ÖMV sichern helfen. Sie weiß sich da mit Staatssekretär a. D. Taus und der Mehrzahl der Regierungsmitglieder ganz einer Meinung.
Es ist dem objektiven Betrachter ja nun wirklich unverständlich, warum gerade jener Wirtschaftszweig, der als einziger echte Wachstumschancen hat und von dem Wachstumsimpulse auf die chemische Industrie, aber auch wichtige Kumulativeffekte auf die übrigen Wirtschaftszweige ausgehen könnten, in ausländische Hönde übergehen soll, Einmal sollten wir ja nun doch unserer Konsummentalität abschwören. Geschickt wird von einigen auftragsgebundenen Presseerzeugnissen versucht, den Konsumenten gegen den Arbeitnehmer auszuspielen und die einheitliche Front aufzulockern, als seien nicht beide am Wachstum unserer Wirtschaft interessiert. Eine Herabsetzung der Preise würde sehr rasch die Millionen Autofahrer und ihre Angehörigen gegen die verstaatlichte ÖMV, gegen alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung zur Ordnung der Märkte und der Wirtschaft aufbringen und zu Freunden der ausländischen ölkonzerne machen. Einen solchen Kampf könne die ÖMV und die Regierung nicht aushalten. Das Argument unterschätzt sowohl die Treue des Österreichers zu seiner mühsam erkämpften staatlichen Selbständigkeit als auch die Fähigkeit seiner Regierung, durch sehr rasche Erhöhung der Mineralölsteuer diese Deroutierung aufzufangen und der ÖMV für den Ertragsausfall, etwa durch Ermäßigung des weit überhöhten Förderzinses, schnellstens Kompensation zu bieten. Wir alle sollten nicht übersehen, daß der Aufbau und Weiterbau jedes Wirtschaftszweiges immer nur über die Erträge möglich ist, die wir alle als Konsumenten bezahlen. (Daher ist es übrigens auch ein ganz schlechter Witz, wenn behauptet wird, wie jüngst zu lesen stand, die internationalen ölkonzerne hätten die Schwechater Raffinerie, indem sie der ÖMV Produkte abkauften, zu einem nicht unbedeutenden Teil mitfinanziert. Nicht die Internationalen, sondern die österreichischen Konsumenten haben die Finanzierung über den Preis ermöglicht). Es ist durchaus nicht sinnvoll, zu Lasten der Erträge die Preise der Mineralölprodukte für die Letztverbraucher zu ermäßigen, wenn der großzügige Weiterbau einer unabhängigen österreichischen Mineralölwirtschaft erfolgen soll. Aber gerade weil es die Österreicher als Arbeitnehmer und Konsumenten sind, die die Opfer für das weitere Wachstum bringen, sollte die Ölindustrie auch in österreichischer Hand bleiben.
Mit der Wachstumsfrage hängt eng die durch die Gutachter erstmalig und Verdienstvoll herausgearbeitete Interdependenz der Rohölimporte mit den Zahlungsbilanz-, handels- und steuerpoldtischen Aspekten zusammen. 1975 werden 50 Prozent des österreichischen Energieverbrauches auf Rohöl beruhen. Man rechnet mit einem Rohölverbrauch von 13 Millionen jato. 1980 werden es bereits 16 Millionen jato sein. Die Eigenförderung wird 1975 1,7 Millionen jato betragen, 1980 kaum mehr als eine Million jato. 11 beziehungsweise 15 Millionen Tonnen Erdöleinheiten (EE) werden importiert werden. Das belastet die Zahlungsbilanz.
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