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Eine Latte für die Supermacht

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Nach der österreichischen Industrieschau in Moskau: Wie werden die Geschäfte mit der UdSSR abgewickelt und was können die heimischen Exporteure erwarten?

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Nach der österreichischen Industrieschau in Moskau: Wie werden die Geschäfte mit der UdSSR abgewickelt und was können die heimischen Exporteure erwarten?

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Wenn man sich die Frage stellt, warum eine so große Ausstellung gerade in der Sowjetunion abgehalten wird, dann muß man die Bedeutung des Handels Österreichs mit den RGW-Staaten und hier vor allem mit der UdSSR sehen. Die UdSSR ist also der mit Abstand wichtigste Markt im COMECON-Raum, der weltweit sechstwichtigste Abnehmer österreichischer Produkte. Unter den Lieferländern rangiert das Land seit Jahren an dritter Stelle.

Exportiert werden Eisen- und Stahlprodukte, Papier, maschinelle Anlagen, chemische Produkte usw. Importiert werden vorwiegend Erdöl, Erdgas, Kohle, welche 83 Prozent der Importe Österreichs aus der UdSSR ausmachen. Die Zahlungen der gelieferten Produkte erfolgen bei kurzlebigen Wirtschaftsgütern in Form von Kassa gegen Dokumente, wobei die Versandpapiere über die Hausbank des Exporteurs der russischen Außenhandelsbank in Moskau zur Zahlung präsentiert werden. (Die Zahlungen erfolgen übrigens pünktlich.)

Bei Investitionsgüterlieferungen nimmt die Sowjetunion Zahlungsziele zwischen fünf und mehr Jahren in Anspruch. Die Abwicklung erfolgt ordnungsgemäß in Form von gebundenen (gebunden heißt, die Waren müssen österreichischen Ursprungs sein) Finanzkrediten, abgeschlossen jeweils zwischen der österreichischen Bank des Exporteurs und der russischen Außenhandelsbank.

Österreich muß nicht nur alle Anstrengungen gegen die starke ausländische Konkurrenz unternehmen, um diesen Marktanteil zu halten, sondern es muß versuchen, diesen auch noch auszubauen. Die laut Information der Bundeswirtschaftskammer den österreichischen Firmen derzeit vorliegenden Aufträge für Investitionsgüterlieferungen für die Jahre 1986 bis 1987 liegen bei 26 Milliarden Schilling, wovon 14 bis 15 Milliarden auf Maschinen-, Anlagen-und Fahrzeugbauaufträge und zehn bis elf Milliarden auf Bleche und Stahllieferungen entfallen. Schon alleine diese Ziffern berechtigen eine derart große Ausstellung.

Die Änderung auf technischem Gebiet sieht laut Abschluß des Parteitages eine Neuausrüstung aller Wirtschaftszweige, insbesondere jedoch des Maschinenbaues, des Werkzeugmaschinen-und Apparatebaues, der Elektrotechnik und der Elektronik bis zur Fertigung von Industrierobotern vor.

Es bieten sich hier für die österreichische Wirtschaft große Möglichkeiten, weitere Aufträge zu erhalten. Bereits am Tage der Eröffnung wurde ein großer Auftrag im Werte von 1,8 Milliarden Schilling an die österreichischen Schiffswerften erteilt. Weitere Aufträge stehen kurz vor dem Abschluß, wobei jedoch das Nichtvorhandensein des neuen Protokolls — das letzte Protokoll ist per 31. Dezember 1985 ausgelaufen — den Abschluß von kaufmännischen Verträgen zur Zeit erschwert (siehe Kasten).

Abschließend sollte man noch die Frage der Finanzierung des Investitionsbedarfes der UdSSR, welcher für die kommenden fünf Jahre mit rund 200 Milliarden Dollar angegeben wird, stellen. Dies deshalb, weil die UdSSR

1986, wenn die Erdölpreise weiterhin so niedrig bleiben oder sogar noch sinken, Mindereinnahmen in der Größenordnung zwischen sechs und zehn Milliarden Dollar verzeichnen wird. Es wird daher wahrscheinlich in den kommenden zwei Jahren ein Teil der beabsichtigten Großprojekte zurückgestellt werden. Auch werden westliche Exporteure mit größeren Gegengeschäftswünschen rechnen müssen. Die Sowjetunion ist nicht mittellos und verfügt sowohl über Devisen als auch über Goldreserven. Sie wird daher in verstärktem Ausmaß Gold verkaufen. Gold kann man jedoch nicht in zu großem Umfang auf den Markt werfen, wenn man den zur Zeit niedrigen Kurs nicht weiter abrutschen lassen will. Guthaben an Devisen, die die Sowjetunion bei westlichen Banken unterhält, werden wahrscheinlich auch nur zum Teil zur Deckung des Devisenloches herangezogen werden.

Die UdSSR, die zu den pünktlichsten und besten Zahlern der Welt zählt, wird daher neue Kredite aufnehmen, was im Hinblick auf die reichlichen Rohstoffe und den für dieses Land verhältnismäßig niedrigen Schuldenstand überhaupt keine Schwierigkeiten bereiten sollte.

Die Höhe der Kreditaufnahmen wird aber auch von der heurigen Getreideernte abhängen, die in den vergangenen Jahren starke Schwankungen aufwies. Konkret von der Frage, wieviel Getreide heuer importiert werden muß.

Sowjetische Wirtschaftsvertreter glauben, daß die Erdölpreise noch weiterhin sinken werden. Diese niedrigen Erdölpreise werden dazu führen, daß Projekte der Industrieländer für Alternativenergien aus Kostengründen eingeschränkt oder sogar eingestellt werden. Dies wird in der Folge wieder zu einem verstärkten Bedarf an Erdöl führen und ein Steigen der Erdölpreise nach sich ziehen. Man glaubt daher, daß sich die Erdöleinnahinen der UdSSR-Länder in den nächsten ein bis zwei Jahren noch verringern werden und danach eine Trendumkehr einsetzen wird. Die Abschlüsse von neuen Verträgen werden daher länger dauern.

Im Hinblick auf die beabsichtigte technische Neuausrüstung der sowjetischen Industrie bleibt aber die Sowjetunion ein äußerst interessanter Absatzmarkt, wobei nur Produkte, die dem letzten technischen Stand entsprechen, verkauft werden können. Die Meinung, daß man veraltete Technologien, die man in westlichen Ländern nicht loswerden kann, an die UdSSR verkaufen könne, ist falsch. Die zuständigen Wirtschaftsfachleute sind sehr wohl über den neuesten Stand der Technik der westlichen Industrienationen informiert. Der äußerst interessante Absatzmarkt UdSSR rechtfertigt daher die große österreichische Industrieausstellung. Auch deshalb, weil nach Österreich auch andere westliche Länder, so im Mai die Bundesrepublik Deutschland, Ausstellungen abhalten wollen. Für die Folgestaaten wird es sicher schwer sein, die Latte, die Österreich mit seiner Ausstellung gelegt hat, zu übertreffen.

Der Autor ist Vorstand der Abteilung Exportkredite der Creditanstalt in Wien.

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