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Kossygin oder Gaddafi?

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Der Westen, auch Österreich, sollte sein Erdölgeschäft billiger und sicherer mit der Sowjetunion machen, empfahl vergangene Woche Boris Ratschkow von der sowjetischen Nachrichtenagentur APN (Nowosti). Heute antwortet ihm ein in Wien stationierter, international bekannter Wirtschaftsjournalist.

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Der Westen, auch Österreich, sollte sein Erdölgeschäft billiger und sicherer mit der Sowjetunion machen, empfahl vergangene Woche Boris Ratschkow von der sowjetischen Nachrichtenagentur APN (Nowosti). Heute antwortet ihm ein in Wien stationierter, international bekannter Wirtschaftsjournalist.

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Die kürzlich veröffentlichten Außenhandelsergebnisse 1978 weisen eine leichte Besserung in Österreichs Handel mit der Sowjetunion aus, ohne jedoch das langjährige Dilemma entscheidend zu ändern. Die Statistik weist für 1978 eine wertmäßige Steigerung des österreichischen Exports von 16,7% (gegenüber 1977) aus bei einem nur um 3,4% größeren Importwert; das bedeutet, daß Österreichs Handelsdefizit um rund 9,5% auf rund 3.493,838.000 Schilling abgesunken ist.

Österreichs Dilemma besteht darin, daß von 8.870 Millionen Schilling Einfuhrwert Rohöl und Erdgas zusammen 6.177 Millionen Schilling kosten - wertvolle Brennstoffe, die Österreich zwingend benötigt. Der zweite Teil des Dilemmas ist, daß unsere Warenlieferungen im gleichen Zeitraum nur 5.377 Millionen Schilling wert waren, der „Rest“ daher bar in harter Währung bezahlt werden mußte: 3.494 Millionen Schilling...

Der Außenhandel Österreichs mit der Sowjetunion hat mit dem Beginn der Rohölimporte 1961 und besonders der Erdgasimporte 1968 ein zu-

nehmend großes Passivum zu verzeichnen, das z. B. 1974 rund 910 Millionen Schilling betrug, sich 1975 auf 1.782 Millionen fast verdoppelte und sich “nochmals fast verdoppelte auf 3.494 Millionen im Jahre 1977.

Die Außenhandelszahlen 1978 besagen weiters, daß der Importwert für Rohöl insgesamt von 1977 auf 1978 im Durchschnitt um rund 13% gesunken ist. Dabei verringerten sich der Verzollungswert pro Tonne sowjetischen Erdöls um rund 11,5% auf 1.477 Schilling, ölsorten aus dem OPEC-Bereich um rund 13,5% auf 1.482 Schilling. Das Uberangebot auf dem Weltmarkt hat OPEC-Preise absacken lassen. Die UdSSR zog nach und hat im Jahre 1978 mit Sicherheit Einnahmeeinbußen in Milliardenhöhe hinnehmen müssen.

Die geopolitische Entwicklung hat es mit sich gebracht, daß Rohöl und Erdgas zu kostbarsten Exportgütern wurden - dank der harten Politik der OPEC seit dem Februar 1973. Schon 1974 verkehrte sich das sowjetische Außenhandelspassivum in ein Akti-vum. Rund 50% der Barerlöse aus dem sowjetischen Außenhandel werden durch öl und Gas erwirtschaftet und stolz konnten sowjetische Quellen melden, daß der für 1980 erwartete Außenhandelserlös bereits 1978 erreicht werden konnte.

Gegen diese Erfolge der UdSSR ist umsoweniger etwas einzuwenden als bekannt ist, daß rund 44% der gesamten Rohölförderung 1978 in Westsibirien erfolgte, einem Gebiet um Tju-men in dem die Aufsuchung und Förderung aus geographischen und klimatischen Gründen besonders schwierig und kostspielig ist Deswegen, und weil der Transport von öl und Gas über mehr als 3000 Kilometer erfolgen muß, kosten Rohöl und Erdgas eben mehr als im Wiener Becken und - den meisten Mitgliedsländern der OPEC.

Trotzdem: Wenn auch der Vergleich der Aufschließungs- und Förderkosten erheblich zugunsten des OPEC-Raumes ausfällt, so sprechen gewichtige Gründe für eine Orientierung auf die UdSSR: Die Liefertreue von Sujusneftexport und Sojusgaz-export ist sprichwörtlich; technische Schwierigkeiten werden immer schnellstens ausgeglichen. Die politische und wirtschaftliche Lage der

UdSSR ist stabil. Die Preisgestaltung für sowjetisches Rohöl ist im Vergleich zu OPEC-Lieferanten zwar um den Barzahler-Rabatt günstiger, sonst aber durchaus vergleichbar was die Höhe und die Steigerungstendenzen anlangt. (In 13 der vergangenen 18 Jahre war Rohöl aus dem OPEC-Bereich etwas teurer als jenes aus der UdSSR.)

So bleibt als letztes Argument die Sicherheit der Belieferung: Laut APA meinte Bundeskanzler Kreisky einmal, vor die Alternative gestellt, daß man sich beim Erdöl „entweder auf Herrn Kossygin oder Herrn Gaddafi verlassen“ müsse, sei er, Kreisky, eher für Kossygin. Dieses Argument der Sicherheit wiegt Viel, weil einige Experten in diesem Land das bestehende „Einbein“-Risiko durch eine erhoffte „Mehrbein“-Sicherheit abgelöst wissen wollen.

Eine dem Herrn Bundeskanzler zugeschriebene Äußerung, wonach man eine Vorfinanzierung von Aufschlußarbeiten in Sibirien „prüfen“ könne, sollte eher vergessen werden, es sei denn, daß durch diese Art der Vorfinanzierung österreichische Wa-

ren den Weg in die UdSSR finden würden.

Die gegenwärtige Wirtschaftslage fordert vielmehr alle Anstrengungen zu unternehmen, mehr österreichische Waren in der Sowjetunion verkaufen zu können. Leider konnten keine Vertragsbestimmungen in die Gaslieferverträge nach Auslaufen des „Röhrengeschäftes“ eingebaut werden, die Warenlieferungen zumindest teilweise zur Abgeltung für Gaslieferungen festgelegt hätten. Ebenso enthalten die Rohöllieferverträge wohl Klauseln, was das Gleiten der Preise betrifft (jeweils in Nachvollzug zu OPEC-Maßnahmen), aber auch hier nur Absichtserklärungen ohne Verpflichtungen.

So kann nur gehofft werden, daß beide Vertragspartner größere Anstrengungen unternehmen werden, um österreichische Warenlieferungen zu vergrößern. Man kann nur hoffen, daß Österreich nicht nur ein guter Markt für sowjetische Brennstoffe sondern auch ein guter Lieferant für den Markt der über 260 Millionen Sowjetbürger sein wird.

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