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Die OPEC will die Industrieländer erziehen

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Erst jüngst machte die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) wieder Schlagzeilen mit einem von der französischen Zeitung ,,Le Matin” veröffentlichten „Geheimbericht”: Heuer sollen die Rohölpreise auf 40, bis 1987 auf 70 Dollar pro Faßsteigen. Seltsam selten sondieren Österreichs Massenmedien an der Quelle: in Wien, wo die OPEC ihren Sitz hat. Hubert Feichtlbauer sprach mit Generalsekretär Rene G. Ortiz, dem in Botschafterrang stehenden höchsten Beamten der OPEC.

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Erst jüngst machte die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) wieder Schlagzeilen mit einem von der französischen Zeitung ,,Le Matin” veröffentlichten „Geheimbericht”: Heuer sollen die Rohölpreise auf 40, bis 1987 auf 70 Dollar pro Faßsteigen. Seltsam selten sondieren Österreichs Massenmedien an der Quelle: in Wien, wo die OPEC ihren Sitz hat. Hubert Feichtlbauer sprach mit Generalsekretär Rene G. Ortiz, dem in Botschafterrang stehenden höchsten Beamten der OPEC.

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FURCHE: Gibt es das ..Geheimpapier”, dessen auszugsweise Veröffentlichung in „Le Matin” weltweit zitiert wurde, und was steht drinnen?

GENERALSEKRETÄR ORTIZ: Offenkundig ist der Bericht des Langzeitstrategie-Ausschusses damit gemeint, der im April 1978 mit dem Ziel eingesetzt wurde, angesichts tiefgreifender Strukturveränderungen in der internationalen Wirtschafts-, Energie-und Währungssituation Richtlinien für eine sinnvolle Zukunftspolitik der OPEC zu erarbeiten. Ein Unterausschuß der fünf OPEC-Gründungsmitglieder sowie Algeriens besprach sich mit Experten vieler Fachgebiete, Wirtschaftsmanagern, Persönlichkeiten in den Industrie- und den Entwicklungsländern sowie der akademischen Welt und legte dem letzten Februar in London tagenden Ausschuß einen Bericht vor, der schon damals in seinem Grundanliegen der internationalen Presse vorgestellt wurde. Die OPEC-Konferenz von Taiaf (Saudi-Arabien) hat diesen Bericht im April gutgeheißen.

FURCHE: Und darin steht, daß das Rohölangebot gedrosselt, die Preise systematisch angehoben und einzelne Länder aus politischen Gründen vom ölbezug überhaupt ausgeschlossen werden sollen?

ORTIZ: So steht es sicher nicht in dem Bericht. Dieser ist vielmehr in drei Abschnitte gegliedert: Preispolitik, Beziehungen zu den Industrieländern, Beziehungen zu den übrigen Entwicklungsländern. Was die empfohlene Preisformel anlangt, gegen die drei der 13 Mitgliedsländer Vorbehalte angemeldet haben, so geht es dabei um zweierlei: einerseits um ein konstantes Preiselement, das einen realen Rückgang der Einnahmen aus Rohölexporten durch Inflation und Währungskursschwankungen verhindert, und zum zweiten um eine systematische Anhe-bung der Preise, die für die Käuferländer einen Anreiz darstellt, Kapital in die Entwicklung von Alternativenergien zu investieren.

FURCHE: Sie sprechen von einem Rückgang der Einnahmen ölexportie-render Länder. Haben diese in den letzten Jahren nicht pausenlos ihre Preise immer wieder erhöht?

ORTIZ: Zwischen 1974 und 1976 erzielte unsere Organisation durch kleinere Preisanpassungen nach oben eine gewisse Marktstabilisierung. Zwischen 1976 und 1978 waren die Preise vollständig eingefroren. Das aber war die Zeit, in der weltweit die Inflation die größten Sprünge machte und der Dollar, nach dem die Olpreise bemessen werden, gegenüber den wichtigsten OECD-Währungen um 15 bis 20 Prozent zurückfiel. Es liegt nicht zuletzt im Interesse der ölverbraucher, in den nächsten 10, 15 oder 20 Jahren vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein.

FURCHE: Sie meinen also, daß die ölverbraucher an der vorgesehenen Langzeitstrategie der OPEC interessiert sein müßten?

ORTIZ: Genau das! Diese Strategie macht die Entwicklung der olpreise voraussagbar. Das ist eine faire und verantwortungsbewußte Politik. Und ebenso liegt es im Interesse der Industrieländer, deren Energieverbrauch ununterbrochen weiter ansteigt, rascher Alternativenergien zur Verfügung zu haben. Die Entwicklung von Alternativenergien, also etwa die Erzeugung von Gas oder öl aus Kohle, die Nutzung von Kern- oder Sonnenenergie, kostet viel Geld. Solange es rentabler ist, mit diesem Geld öl zu kaufen, werden die Industrieländer öl kaufen. Erst von einem gewissen Punkt an wird es ebenso rentabel oder rentabler sein, Geld in die Erschließung anderer Erergien zu investieren.

FURCHE: Ist das nur ein theoretisch fixierbarer Punkt, dessen Feststellung in der Praxis man abwarten muß, oder kann man heute schon sagen, bei welchem ölpreis dieser Punkt erreicht sein wird?

ORTIZ: Das wird in der Tat jetzt von den Reaktionen der ölverbrau-cherländer abhängen. Selbstverständlich werden wir weiterhin die wesentliche Nachfrage nach öl befriedigen. Aber unsere Absicht ist es, das Angebot nicht durch das Anlegen von Rohöllagern, die wieder nur Spekulationen auslösen würden, sondern durch Drosselung der Produktion zu verringern. Es kann auch nicht im Interesse der ölverbraucher sein, daß die Mineralölfirmen der Industriestaaten immer größer werdende ölvorräte anlegen und erst wieder verkaufen, wenn sie selber dabei höhere Einnahmen erzielen können.

FURCHE: Zurück zu der konkreten Prophezeihung, daß Rohöl, das heule im günstigsten Fall 28 Dollar pro Faß kostet, 1987 schon 70 Dollar, also mehr als das Doppelte, kosten wird!

ORTIZ: Die von Ihnen erwähnten Zahlen stehen nirgends in dem Bericht des Langzeitstrategie-Ausschusses. Wenn die Inflation in den Industrieländern eingebremst und der Dollarverfall gestoppt wird, werden auch die öl-preisanhebungen niedriger ausfallen.

FÜR CHE: Treffen Sie mit der Preiserhöhungspolitik nicht vor allem die Nichtölländer unter den Entwicklungsstaaten, die nichts dafür können, daß in den Industrieländern Inflation und Dollarverfall herrschen und die sich viel schwerer als diese tun, die höheren öl-preisen zu bezahlen?

ORTIZ: Wir können den Entwicklungsländern zwar nicht mit günstigeren Preiskonditionen entgegenkommen, aber in dem Bericht wird hervorgehoben, daß die Entwicklungsländer einen Nutzen aus der größer werdenden Gewißheit, daß sie öllieferungen erhalten, ziehen werden. Außerdem unterstützt die OPEC die Entwicklungsländer nicht nur multilateral über den Sonderfonds, sondern auch in Form bilateraler und regionaler Förderungsmaßnahmen.

FURCHE: Wieviel hat denn die OPEC schon den hungerleidenden Staaten der Dritten Welt zukommen lassen?

ORTIZ: Der Sonderfonds, der im Jänner 1980 mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet worden ist und nun als internationale Agentur für finanzielle Zusammenarbeit und Unterstützung fungieren kann, hat seit seiner Gründung Ende 1976 bereits 75 Entwicklungsländer 186 Direktkredite im Wert von 766 Millionen US-Dollar sowie 19 nicht rückzahlbare Zuwendungen für 38 Millionen Dollar gewährt. 436 Millionen Dollar haben wir dem von uns mitbegründeten Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung zur Verfügung gestellt, dessen weitere Dotierung dieOPEC-Finanzmi-nisterkonferenz in Wien vergangenen Monat beschlossen hat.

FURCHE: Was steht auf der Tagesordnung der OPEC-Konferenz in Algier ab 9. Juni?

ORTIZ: Es ist eine der jährlich zweimal stattfindenden ordentlichen Konferenzen, die sich mit Verwaltungsangelegenheiten, dem bevorstehenden 20-Jahre-Jubiläum, dem Herbstgipfel in Bagdad und Preisfragen befaßt.

FURCHE: Also auch mit dem saudi-arabischen Antrag auf Einfrierung der Rohölpreise auf sechs Monate nach der letzten Erhöhung?

ORTIZ: Davon habe ich auch erst aus der Presse erfahren. Offiziell wissen wir von einem solchen Antrag nichts. Was in Algier vor allem angestrebt werden wird, ist die Herbeiführung eines einheitlichen Preissystems, weil sich Preiszuschläge für Qualität und Frachtwege nicht besonders bewährt haben.

FURCHE: Was könnte Ihrer Meinung nach Österreich tun, um die Entwicklung günstig zu beeinflussen?

ORTIZ: Als neutrales Land von hohem Ansehen in der internationalen Völkergemeinschaft könnte Österreich offener als manch anderer Staat den Industrieländern sagen, daß es im Interesse auch aller ölverbraucher liegt, dieser Politik, wie sie der OPEC vorschwebt, zuzustifnmen und durch entsprechende Zusammenarbeit ein weiteres Blühen der Wirtschaft zu sichern.

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