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Rendite im Export?

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Wie problemlos die politischen Beziehungen zwischen der Weltmacht Sowjetunion und dem neutralen Kleinstaat Österreich aus sowjetrussischer Sicht tatsächlich sind, läßt ein Artikel in der Moskauer Wochenzeitschrift „Sa Rubeshom“ anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Kreisky in der Metropole des internationalen Kommunismus erkennen: dem Autor Igor Milnikow fiel dazu nichts ein.

Offenbar toleriert Moskau Kreiskys gelegentlich recht heftige Verbalangriffe auf den Kommunismus, solange Österreich gleichzeitig eine Außenpolitik mit starker neutralistischer Attitüde betreibt. Sicherlich zum Wohlgefallen des Kremls dürfte Bruno Kreiskys proarabische Haltung in der Nah-Ost-Frage Moskau mit großer Genugtuung erfüllen. So wurde denn auch die Nah-Ost-Reise der Sozialistischen Internationale von seiten der Moskauer KP-Führung mit viel Lob bedacht.

Anderseits dürfte der Kreml längst erkannt haben, daß Österreich kein Boden für den Kommunismus ist: weder ist die KPÖ ein taugliches Instrument, noch sind die Österreicher den Lehren Marx' hinlänglich gewogen. Daher beschränken sich alle einschlägigen Österreich-Darstellungen in sowjetischen Zeitungen darauf, Wien dann und wann an seine Neu-tralitätsverpfliohungen gegenüber dem Ostblock und an größere Zurückhaltung gegenüber dem Westen (insbesondere bei den handelspolitischen Beziehungen mit der Europäischen Gemeinschaft) zu erinnern.

Seit 1970 ist der österreichischsowjetische Handel rückläufig. Erwirtschaftete Österreich im Handel mit der Sowjetunion 1970 noch ein Aktivum von rund 80 Millionen Schilling, so betrug das Passivum im Jahr 1973 rund 670 Millionen Schilling.

Die äußerst ungünstige Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Österreich und der Sowjetunion hat mehrere Gründe, die teils im ökonomischen, teils im weltpolitischen Bereich angesiedelt sind:

• Österreich verfügt über keine längerfristige osthandelspolitische Konzeption. So bestand unser Maßnahmenkatalog bisher eher aus Reaktionen auf neu aufgetauchte oder unaufschiebbar gewordene Probleme und nur selten aus eigenen zielgerichteten Aktivitäten.

• Österreich ist nicht in der Lage, der Sowjetunion größere Kredite einzuräumen;

• Die Verrechnung in konvertiblen Währungen brachte es mit sich, daß Österreich nicht mehr damit rechnen kann, die Sowjetunion (aber auch andere Ostblockstaaten) würden die guten Schillinge, die sie für Lieferungen nach Österreich erhalten, auch automatisch wieder zum Einkauf in Österreich nützen. Aus diesem Grund ist auch nicht zu erwarten, daß ein (kleiner) Teil der Devisen-Mehreinnahmen der Sowjetunion auf Grund von Energieexporten zu wesentlich höheren Preisen nun für Importe aus Österreich frei würden. Diesem Optimismus gab sich die Bundesregierung gelegentlich hin; er war falsch!

• Die Entspannungspolitik der deutschen Bundesregierung führte zu einer Intensivierung der sowjetisch-westdeutschen Handelsbeziehungen auf Kosten Österreichs. Damit zugleich büßte Wien immer mehr die Brückenkopf-RoHe nach dem Osten ein. Betrachtet man die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Österreich und dem COMECON, so ist das eine Funktion, die sich nicht einmal für Stehsätze in einschlägige Leitartikel eignet.

Unter diesen Gesichtspunkten ist der Besuch des österreichischen Bundeskanzlers in Moskau zu beurteilen. So wie vor kurzem der Präsident der österreichischen Indus'triellenver-einigung, Igler, in Moskau guten Wind für eine Forcierung der österreichisch-sowjetischen Handelsbeziehungen zu machen versuchte, sollte nun Bundeskanzler Kreisky agieren.

Der österreichischen Mineralölverwaltung ist es Ende Dezember des vergangenen Jahres gelungen, ihre ausdauernden Bemühungen um die Erhöhung der sowjetischen Gaslieferungen nach Österreich erfolgreich zu beschließen: im Jahr 1974 werden demnach 500 Millionen Kubikmeter sowjetisches Erdgas zusätzlich zu den im langfristigen Liefervertrag von 1968 vereinbarten Mengen nach Österreich gepumpt. Da die Basislieferung für dieses Jahr rund 1,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas ausmachen soll, wird die ÖMV 1974 rund 2,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus der Sowjetunion beziehen. Kreiskys Besuch in Moskau wäre erfolgreich, wenn es ihm gelänge, im Rahmen eines österreichisch-sowjetischen Handelsabkommens Exporte der österreichischen Wirtschaft in die Sowjetunion zu forcieren. So opportunistisch das auch immer klingen mag: dann wüßte man doch, ob sich Österreichs derzeitige Außenpolitik ökonomisch auch rentieren könnte. Die politische Rendite muß ohnedies bestritten werden.

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