Nun will auch die Wiener ÖVP mehr Demokratie wagen: als Auftakt zur Kandidatennominierung für die Nationalratswahl 1975 sollen in einer sogenannten „Vorwahlwoche” Funktionäre, Parteimitglieder und möglicherweise auch die Angehörigen der sagenannten Vorfeldorganisationen (Rentner- und Pensionistenbund, Kameradschaft der Exekutive, Akademikerbund) direkten Einfluß auf die Gestaltung der Kandidatenliste nehmen können. Die Wiener ÖVP — so sieht ein Vorschlag vor — darüberhinaus auch die nahestehenden Organisationen (etwa die Turn- und Sportunion, den Cartell- veiband) an dieser
Parteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs, Innsbruck, September 1974, etwa ein Jahr vor den nächsten Wahlen zum Nationalrat. Stolzes Motto: „Mit Vernunft mitbestim- tnen”, 362 stimmberechtigte Delegierte, weitere 200 Gastdelegierte.Die Wahl des Parteivorstands war eine abgekartete Sache, die Behandlung aufmüpfiger Anträge ebenfalls. Ganz so, wie das in liberalen Parteien üblich ist, wurde die Abstimmung über den Parteivorstand offen durchgeführt.„Die FPÖ fühlt sich nicht zu gering, um an der Regierung matzuwirken”, erklärte Parteiobmann Friedrich Peter in seiner
Klagen der Exportwirtschaft über Wettbewerbsverzerrungen im Gefolge der ständigen Schillingaufwertungen beantwortete die Bundesregierung stets mit dem Hinweis auf die außergewöhnlich hohen Zuwachsraten der Exporte in den ersten Monaten dieses Jahres — verglichen mit den entsprechenden Vorjahresmonaten.
Unter den Grundströmungen, die ökonomischen Fortschritt ergeben, und die es gelte, in gesellschaftlichen Fortschritt umzusetzen, nennt Heinz Kienzl in seinem Beitrag „Ökonomie und Ideologie“ in den „Roten Markierungen“ auch die „Urbanisierung“. Wörtlich führt Kienzl aus: „Immer größere Prozentsätze der in Österreich lebenden Menschen werden in Ballungsräumen leben; der Idiotismus des Landlebens, wie ihn Marx genannt hat — die Abgeschiedenheit, heute schon durch Auto, Rundfunk und Fernsehen stark abgebaut —, wird immer geringer werdende Bevölkerungsschichten in seinem Bann halten. Damit ergeben sich größere Möglichkeiten für die Teilnahme an einer schon entstehenden Arbeitnehmerkultur, bessere Möglichkeiten der Teilnahme an den ■ Errungenschaften der Zivilisation...“ Kienzl Iaubt schließlich, daß die ökonomische Tendenz zur Urbanisierung zu einer größeren materiellen Gleichheit führen müsse.
Von defr Grenzen des Wachstums und den Gefahren einer eltweiten ^Bevölkerungsexplosion zu sprechen,, gehört zum guten Ton i* jeder gehobenen Diskussionsrunde. Der Schock der Ölkrise steckt“ immer noch vielen in den Knochen, die Diskussion Über die explosive Bevölkerungsvermehrung ist wiederum nicht erst modern',-.se,? 1974 zum „Weltbevölkerungsjähr“ ausgerufen wurde. „One World for AH“, eine lebenswertc Welt für-uns alle — lautet das Motto des von der UNO deklarierten und organisierten Jahres der Besinnung auf demographische Probleme auf unserem Planeten.
Mit dem Schlagwort „beggar-my-neighbour“-Politik bezeichnet die britische ökonomin Joan Robinson die gängige Methode der verantwortlichen Wirtschaftsdnstanzen, die Schuld an einer prekären wirtschaftlichen Situation immer bei den anderen zü suchen: Regierung und Nationalbank klagen, daß die Inflation importiert sei; die Budgetpolitik klagt über eine zu expansive Geld-und Kreditausweitung; die Monetärsten sagen, es sei Aufgabe der Finanzpolitik, die Nachfrage einzudämmen; die Unternehmer ächzen unter der Last steigender Lohnkosten; die Gewerkschaften werfen den Unternehmern eine
Nach sieben Wochen Wahlkampagne, in denen die beiden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, der von der SPÖ nominierte Außenminister Rudolf Kirchschläger und der von der ÖVP aufgestellte Innsbrucker Bürgermeister Alois Lugger, unterstützt von den Werbeteams und Spitzenpolitikern der beiden Großparteien, das Wort hatten, fällte am 23. Juni der Wähler sein Urteil. Der neue Bundespräsident, Rudolf Kirchschläger, erhielt 51,7 Prozent der Stimmen, Dr. Alois Lugger vereinte 48,3 Prozent der Stimmen auf sich.
Der Juni 1974 ist ein heißer politischer Monat — Ländtags-wahl in Niederösterreich, die Wahl des Bundespräsidenten in Österreich. Der österreichische Verbraucherpreisindex gilt allgemein als Indikator der wirtschaftspolitischen Leistungsfähigkeit einer Bundesregierung. Just im politisch so heißen Monat Juni hätte er die psychologisch so gefährliche 10-Prozent-Marke überschritten. Dies geschah nicht, weil er manipuliert wurde.
Wie problemlos die politischen Beziehungen zwischen der Weltmacht Sowjetunion und dem neutralen Kleinstaat Österreich aus sowjetrussischer Sicht tatsächlich sind, läßt ein Artikel in der Moskauer Wochenzeitschrift „Sa Rubeshom“ anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Kreisky in der Metropole des internationalen Kommunismus erkennen: dem Autor Igor Milnikow fiel dazu nichts ein.Offenbar toleriert Moskau Kreiskys gelegentlich recht heftige Verbalangriffe auf den Kommunismus, solange Österreich gleichzeitig eine Außenpolitik mit starker neutralistischer Attitüde betreibt. Sicherlich