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Lugger-Fiasko in Wien

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Nach sieben Wochen Wahlkampagne, in denen die beiden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, der von der SPÖ nominierte Außenminister Rudolf Kirchschläger und der von der ÖVP aufgestellte Innsbrucker Bürgermeister Alois Lugger, unterstützt von den Werbeteams und Spitzenpolitikern der beiden Großparteien, das Wort hatten, fällte am 23. Juni der Wähler sein Urteil. Der neue Bundespräsident, Rudolf Kirchschläger, erhielt 51,7 Prozent der Stimmen, Dr. Alois Lugger vereinte 48,3 Prozent der Stimmen auf sich.

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Nach sieben Wochen Wahlkampagne, in denen die beiden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, der von der SPÖ nominierte Außenminister Rudolf Kirchschläger und der von der ÖVP aufgestellte Innsbrucker Bürgermeister Alois Lugger, unterstützt von den Werbeteams und Spitzenpolitikern der beiden Großparteien, das Wort hatten, fällte am 23. Juni der Wähler sein Urteil. Der neue Bundespräsident, Rudolf Kirchschläger, erhielt 51,7 Prozent der Stimmen, Dr. Alois Lugger vereinte 48,3 Prozent der Stimmen auf sich.

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In den westlichen und südlichen Bundesländern hat der Innsbrucker Bürgermeister Lugger einen eindeutigen Vorteil erreichen können, in seiner Heimat Tirol sogar einen spektakulären Erfolg errungen. In Tirol, Kärnten und in der Steiermark hat Lugger das bisher beste Ergebnis eines ÖVP-Kandidaten, jenes von Alphons Gorbach (das noch bessere Abschneiden des gemeinsamen ÖVP-FPÖ-Kandidaten Denk ist dabei nicht berücksichtigt), noch übertroffen. In allen anderen Bundesländern blieb der Innsbrucker Bürgermeister unter den Stimmenanteilen, die Gorbach 1965 erreichen konnte. In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland schnitt auch Waldheim im Jahre 1971 knapp besser als Lugger ab. So betrachtet, könnte man in Versuchung geraten, von einem starken West-Ost-Gefälle zu sprechen, das der ÖVP-Kandidat in voller Wucht zu spüren bekam.

Mehrere Anhaltspunkte dürften ein solches Gefälle allerdings widerlegen. In Wien beispielsweise lag die Wahlbeteiligung durch die zahlreichen Wahlkartenwähler diesmal nur bei 82 Prozent. In den sogenannten „altbürgerlichen Bezirken“ (im wesentlichen die Kernbezirke plus Hietzing und Währing), wo die Wahlbeteiligung nur knapp über 73 Prozent lag, schnitt Dr. Lugger

schlechter ab, als in altsozialistischen und in den „neuen Außenwohn-bezirken“ (19. bis 23. Bezirk), wo die Wahlbeteiligung stieg. Das läßt dar-

auf schließen, daß Lugger die geringe Wahlbeteiligung in den bürgerlichen Bezirken Wiens nicht gut bekam, auf der anderen Seite es aber Kirchschläger gelang, bürgerliche Stimmen für sich zu gewinnen.

Die zahlreichen Wiener Wahlkartenstimmen wurden vorwiegend in Niederösterreich und im Burgenland abgegeben, wo die Wahlbeteiligung bei 101,4 Prozent beziehungsweise 102,5 Prozent lag, und dürften zu einem größeren Teil Kirchschläger-Stimmen gewesen sein. Hjnzu kommt

noch, daß die Freiheitlichen in Niederösterreich Kirchschläger den Vorteil gegeben haben dürften. Diese Umstände erklären das nicht den Erwartungen entsprechende Abschneiden des ÖVP-Kandidaten in Ostösterreich.

Soweit man definitive Feststellungen treffen kann, ist natürlich auch das Verhalten der freiheitlichen Wähler interessant. Das Tiroler Ergebnis zeigt, daß Lugger mit einem Stimmenanteil von 70,1 Prozent weit über die Summe der ÖVP- und FPÖ-Wähler bei den letzten Landtagswahlen (66,1 Prozent) hinauskam.

In Kärnten konnte Lugger das Gros der FPÖ-Wähler für sich gewinnen. Mit 43,9 Prozent erreichte der Innsbrucker Bürgermeister in diesem Bundesland das bisher beste ÖVP-Ergebnis, das nur um 0,7 Prozent unter den ÖVP- und FPÖ-Stimmen von der Landtagswahl 1970 liegt. In Vorarlberg konnte das Stimmenpotential der nichtsozialistischen Wähler (70,9 Prozent bei den

letzten Landtagswahlen) nicht erreicht werden, man schätzt sogar, daß sich die FPÖ-Wähler in der Mehrzahl für Kirchschläger aussprachen.

Das Verhalten der Wähler im städtischen Bereich war diesmal eher unterschiedlich. Während die Volkspartei bei den vergangenen Gemeinderats- und Landtagswahlen

Das Fazit lautet demnach, daß auch in den nächsten Monaten auf der politischen Ebene wenig geschehen wird, die Inflationsmechanismen zu entschärfen. Im Gegenteil: die Pattstellung der politischen Großparteien wird die Inflationsbekämpfung und Wirtschaftskonsolidierung noch zusätzlich erschweren. Allein erfolgversprechend wäre in dieser Situation eine starke Regierung, also eine Regierung, die sich auf das

Vertrauen sehr breiter Bevölkerungsgruppen stützen kann. Eine solche Regierung ist bis auf weiteres nicht in Sicht, weil zuviel Prestige-Denken und zuwenig Sach-Politik derzeit die Innenpolitik ausmachen. Also wird man weiter versuchen, den Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen. Bestenfalls schauen dabei Achtungserfolge bei der Inflationsbekämpfung heraus, mehr nicht.

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