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Bürgersplit bringt nichts

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Mehr als ein Vierteljahrhundert regierte Alois Lugger die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck scheinbar uneingeschränkt. Der zweimalige Olympia-Bürgermeister und Bundespräsidentschaftskandidat der ÖVP hatte zumindest noch in den siebziger Jahren eine Popularität weit über die Stadtgrenzen hinaus erreicht, die dem Tiroler Landesdenkmal Eduard Wallnöfer kaum nachstand.

Aber spätestens nach den Gemeinderatswahlen von 1977 — bei der Luggers Partei die absolute Mehrheit verlor — war auch den

Außenstehenden klar, daß es unter der Decke der Innsbrucker Volkspartei kräftig gärt. Eine letzte Bürgermeisterperiode schaffte Lugger dann mit Unterstützung der Freiheitlichen Partei.

Nach den Gemeinderatswahlen vom 25. September präsentiert sich nun die politische Szene in der Stadt Innsbruck total verändert.

Der neue Bürgermeisteranwärter der Volkspartei nach dem

Ausscheiden von Alois Lugger, der seit einem Jahr amtierende Stadtparteiobmann und langjährige Vizebürgermeister Romuald Niescher erlitt ein „Debakel“ (so ein Mitglied der VP-Stadtpartei- leitung), das selbst für die heftigsten Kritiker der schwarzen Stadtpartei in diesem Ausmaß unerwartet ausfiel.

Die Liste „ÖVP-Niescher“ verlor gegenüber den letzten Gemeinderatswahlen vor sechs Jahren vier ihrer zuletzt zwanzig Mandate und hält nunmehr bei einem Stimmenanteil von knapp 37 Prozent. Auch der bisherige Koalitionspartner der Volkspartei, die Freiheitliche Partei erlitt schwere Verluste. Die Freiheitlichen haben gegenüber 1977 rund zwei Drittel ihrer Stimmen eingebüßt und sind im neuen Gemeinderat nur mehr mit einem Mandatar vertreten (früher zwei Sitze).

Einen Gemeinderatssitz dazugewinnen konnten die Innsbruk- ker Sozialisten unter ihrem ebenfalls schon zum Rathausinventar zählenden Vizebürgermeister Ferdinand Obenfeldner. Allerdings nimmt sich der Stimmen- und Mandatsgewinn der Oben- feldner-SP recht dürftig aus im Vergleich zu den tatsächlichen Siegern der Wahl, dem Tiroler Arbeitsbund (TAB), der Mittelstandsliste, dem Seniorenbund und der Alternativen Liste.

Die linken Alternativen schafften —trotz Konkurrenz im eigenen Lager — auf Anhieb ein Mandat.

Daß der gleichfalls linksalternative Stadtklub kein Mandat, aber dafür gleich doppelt so viele Stimmen wie die Kommunistische Partei erreichte, sei nur am Rande erwähnt.

Unaufhaltsam scheint dagegen der Aufstieg jener wahlwerbenden Listen, die mit Fug und Recht dem „bürgerlichen Lager“ zugerechnet werden dürfen, die aber aus Protest gegen eine autokra- tisch geführte Volkspartei immer mehr traditionelle ÖVP-Wähler auf ihre Seite ziehen. TAB (fünf statt bisher vier Gemeinderäte), Mittelstandsliste (zwei Gemeinderäte, zuletzt einer) und der erstmals kandidierende Seniorenbund (ein Mandat) bringen es heute zusammen auf einen Stimmenanteil von rund 22 Prozent.

Lange Zeit hat Landeshauptmann Wallnöfer der VP-Auf Splitterung in der Landeshauptstadt tatenlos zugesehen. Nun ist es höchste Zeit, daß „Walli“ unter Einsatz seiner ganzen Autorität einmal die Innsbrucker Volkspartei zur Ordnung und zu einer bürgernahen Politik verpflichtet. Der Abgang von Alois Lugger bietet eine Chance, alte Ressentiments zu begraben und einen neuen Anfang in Innsbruck zu wagen.

Bevor es in sechs Jahren vielleicht schon zu spät ist.

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