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Trotz Lugger-Wiederwahl nicht alles beim alten

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Nur mit Hilfe des ÖVP-Rebellen und persönlichen Widersachers, des Wirt- schaftsbündlers Hermann Weiskopf, konnte Alois Lugger am 2. Oktober die absolute VP-Mehrheit im Innsbrucker Gemeinderat retten. Weiskopfs Mittelstandsliste war nämlich mit Luggers VP-Liste gekoppelt und so errang die Volkspartei wieder 21 der 40 Innsbrucker Gemeinderatsmandate. Nicht so glimpflich gestaltete sich der Wahlausgang bekanntlich für die Sozialisten, die 2 Mandate verloren und wieder auf den Stand von 1965, also auf 13 Mandate, zurückfielen.

Der große Sieger der Innsbrucker Gemeinderatswahl 1977 heißt „Tiroler Arbeitsbund” (TAB), eine überparteiliche, liberal-bürgerliche Gruppierung um das Duo Dr. Posch und Dr. Steidl. Der TAB konnte seine Mandatszahl von 2 auf 4 verdoppeln. Dieser Erdrutsch zur liberalen Mitte kam zwar nicht völlig überraschend, gilt aber trotzdem als die Sensation der vergangenen Wahl. Eine Überraschung ist auch das gute Abschneiden der Freiheitlichen, denen kurioserweise nach Umfragen empfindliche Verluste vorausgesagt wurden. Die FPÖ konnte jedoch in Innsbruck Stimmenzuwachs erzielen und ihre beiden Mandate hervorragend halten.

Inzwischen sind innerhalb der Parteien und Wahlgruppen bereits die personellen Entscheidungen für die künftige Kommunalarbeit gefallen. Dieser Tage noch wird Dr. Alois Lugger vom ÖVP-Klub dem Innsbrucker Gemeinderat wieder als Bürgermeister zur Wahl vorgeschlagen. Romuald Niescher löst Arthur Haidl als erster Vizebürgermeister ab. Raiffeisen-General Dr. Günther Schlenck und Dr. Paul Kummer ziehen neu in den Stadtsenat ein.

Der Parteivorstand der SPÖ wird Ferdinand Obenfeldner wieder als zweiten Vizebürgermeister Vorschlägen, nachdem er sein Rücktrittsangebot abgelehnt hat. Die SPÖ wird außerdem 3 der 10 Stadtsenatssitze erhalten. Ein Sitz im Stadtsenat fällt dem TAB zu.

Wie aus Gesprächen hervorgeht, strebt Bürgermeister und ÖVP-Stadt- obmann Lugger eine enge Zusammenarbeit zwischen den „drei politischen Kräften” - ÖVP, SPÖ und FPÖ - an. In einer Grundsatzerklärung des ÖVP-Gemeinderatsklubs sollen „alle positiven Kräfte” zur Mitarbeit eingeladen werden. Demnach ist damit zu rechnen, daß auch die Freiheitlichen, die nach dem Proporz kein Anrecht auf Ausschußmitglieder haben, in den einen oder anderen Ausschuß integriert werden. Den Einzelgänger des Wirtschaftsbundes, Hermann Weiskopf, scheint man hingegen im Gemeinderat isolieren zu wollen. Als Verbindungsmann zwischen Rathaus und Landhaus wird künftig nur mehr der Landtagsklubobmann Josef Tho- man, der auch im Gemeinderat vertreten sein wird, agieren, da der SPÖ- Klubobmann Stadtrat Karl Kackl aus dem Gemeinderat ausscheidet, um sich auf die Arbeit im Landtag zu konzentrieren.

Wenngleich die ÖVP (Lugger plus Weiskopf) immer noch die absolute Mehrheit besitzt, hat sich die politische Landschaft für den am 20. Oktober zu konstituierenden’ neuen Innsbrucker Gemeinderat doch einigermaßen verändert und „einsame Entscheidungen” werden in Zukunft kaum mehr möglich sein. Die Gemeindearbeit verspricht pluralistischer zu werden, und es ist auch zu erwarten, daß der nunmehr vier Mann starke TAB für kommunalpolitische Bewegung sorgt, hat er doch schon als Zweimannfraktion in der abgelaufenen Gemeinderatsperiode ein beachtliches Maß an Aktivität entwickelt und etwa erreicht, daß die Erneuerung des Innsbrucker Stadtrechtes und der Geschäftsordnung des Gemeinderates realisiert wurde. Besonders vehement zogen die TAB-Leute gegen „Machtverfilzung und Ämterkumulierung” zu Felde und es wird sich nun zeigen, ob die zugkräftigen Parolen (ein Beruf und ein Amt sind genug) auch konkrete Konsequenzen zeitigen.

In Innsbrucks Gemeindestube dürfte es künftig lebhafter zugehen als bisher, trotzdem ist eine grundsätzliche Harmonie der „positiven Kräfte” wünschenswert.

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