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Hieb aus dem Wahlkampf

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„Wie ich hörte, soll Innsbruck das undemokratischeste Stadtrecht Österreichs besitzen“, sagte der jetzige Bundespräsident Kirchschläger während des TV-Duells im Präsidentschaftswahlkampf zu seinem Gegenkandidaten Lugger. Dieser Hieb hat offensichtlich gesessen. Der Bürgermeister der Tiroler Landeshauptstadt hat sich jedenfalls nun plötzlich entschlossen, grünes Licht zur Schaffung eines neuen Innsbrucker Stadtrechtes zu geben.

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„Wie ich hörte, soll Innsbruck das undemokratischeste Stadtrecht Österreichs besitzen“, sagte der jetzige Bundespräsident Kirchschläger während des TV-Duells im Präsidentschaftswahlkampf zu seinem Gegenkandidaten Lugger. Dieser Hieb hat offensichtlich gesessen. Der Bürgermeister der Tiroler Landeshauptstadt hat sich jedenfalls nun plötzlich entschlossen, grünes Licht zur Schaffung eines neuen Innsbrucker Stadtrechtes zu geben.

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Damit kommt er den jahrelangen Bestrebungen der Sozialisten sowie der kleinen Gemeindefraktionen der Freiheitlichen und der Arbeitsbünd-ler (TAB) entgegen. In Verhandlungen zwischen Bürgermeister Lugger und seinem sozialistischen Stellvertreter, Obenfeldner, wurden die Grundzüge für die Novellierung von Stadtrecht, Innsbrucker Wahlordnung, Geschäftsordnung von Gemeinderat und Stadtsenat usw. festgelegt und die Magistratsdirektion beauftragt, die ■ neuen Gesetzesvorschläge auszuarbeiten. Politische Beobachter bezeichnen diesen Schritt des Olympia-Bürgermeisters als echte Überraschung.

Die wichtigsten Punkte der vorgeschlagenen neuen Kommunalgesetze:

• Auf Grund der Verhandlungen der führenden VP- und SP-Funktionä-ren soll künftig die Generalkompetenz wieder auf den Gemeinderait übertragen werden. Dem Stadtsenat werden konkrete Aufgaben zur alleinigen Besorgung zugeordnet.

• Anfragen sollen in Hinkunft von jedem Gemeinderat an den Bürgermeister, die Vizebürgermeister und die amtsführenden Stadt- und Gemeinderäte gerichtet werden können. Außerdem soll die Institution der „dringenden Anfrage“ geschaffen werden.

• Der Gemeinderat soll mindestens einmal im Monat und nicht wie bisher zweimonatlich zusammentreten, und zwar abwechslungsweise als allgemeine Sitzung und Geschäftssitzung tagen. Die Sitzungen sind in den Massenmedien anzukündigen.

Die neue Wahlordnung besagt, daß der Bürgermeister von der mandat-stärksten, im Gemeinderat vertretenen, Wahlpartei (gekoppelte Wählergruppen gelten als eine Gemein de-ratspartei) vorgeschlagen wird, wenn diese mindestens ein Drittel der Gemeinderäte stellt. Soferne keine Ge-memderatspairtei die absolute Mehrheit besitzt, wird der erste Bürger-meAsterstellvertreter von der zweitstärksten Gemeinderatspartei vorgeschlagen, wenn diese mindestens zwei Drittel der Stärke jener Partei hat, die das Vorschlagsrecht für den Bürgermeister besitzt. Der stärksten Ge-rneinderatspartei fällt dann der zweite Stellvertreter zu. Sind die vorgenannten Voraussetzungen nicht gegeben, so ist jene Funktion, für die diese Voraussetzung fehlt, durch freie Wahl im Gemeinderat zu besetzen, wobei jeder Gemeinderatspartei, die mindestens drei Gemeinderäte aufweist, ein Vorschlagsrecht zusteht. Das passive Wahlrecht wird von 24 auf 21 Jahre herabgesetzt.

Erstmals werden auch Bürger-initiativen im Innsbrucker Stadtrecht verankert. Jeder Wahlberechtigte kann eine Volksbefragung veranlassen, wenn er eine zur positiven Beantwortung mögliche Frage stellt und dieses Begehren von mindestens 200 Wahlberechtigten mitunterfertigt ist. Dieses Begehren gilt als Bürgerinitiative. Der Stadtmagistrat muß die Bewohner darüber informieren und jedem Wahlberechtigten, der die Bürgerinitiative unterstützen will, die Möglichkeit geben, sich beim Staditmagistrat innerhalb einer Woche einzutragen.

Die Serie von immer härter manifestierten Bürgerinitiativen, die in den vergangenen zwölf Monaten Innsbrucks Stadtverwaltung verunsicherte, dürfte dazu beigetragen haben, die stadtbürgerliche Willensbildung gesetzlich zu regeln. Aber auch in den wesentlichen anderen Punkten verspricht dieses in Ausarbeitung befindliche Staditrecht der kommunalen Demokratie neue Möglichkeiten.

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