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Der Kampf um Lugger

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Wenn die Innsbrucker am 10. Oktober die Wahllokale betreten, so werden sie dort zwei Wahlkommissionen, zwei Wahlzellen, zwei Wahlurnen und auch zwei amtliche Stimmzettel vorflnden. Unter dem „Goldenen Dachl“ wählt man an diesem Tag nämlich nicht nur die Abgeordneten zum Nationalrat, sondern auch die 40 Gemeinderäte des Stadtparlaments.

Diese Ausnahmesituation schreibt man in Tirol der vorzeitigen Auflösung des Nationalrates zu. Die Innsbrucker hatten ihre fälligen Gemeinderatswahlen schon für den 10. Oktober terminisiert, bevor die Neuwahlbombe auf Bundesebene platzte. Schließlich einigten sich dann alle vier im Innsbrucker Gemeinderat vertretenen Fraktionen (23 Gemeinderäte der ÖVP, 13 SPÖ, 3 FPÖ und ein Mann der KPÖ) auf eine Zusammenlegung .der Wahltermine, um — so die offizielle Begründung — „Kosten zu sparen“. Seither machen Bundes- und Kommunalpolitiker der wahlwerbenden Parteien gemeinsam in Innsbruck die Runde, um ihre Herde für den 10. Oktober zu sammeln. Gerade hektisch geht es dabei aber trotz der Doppelwahl nicht zu. Wahlplakate trifft man in der Tiroler Landeshauptstadt — gemessen an anderen Beispielen — relativ selten an. Die Parteien konzentrieren sich in erster Linie auf Postwurfsendungen, für die sich die Innsbrucker Briefträger eigentlich eine Erschwerniszulage verdient hätten. So ließ allein die ÖVP den Hausparteien ein buchdickes „Programm für eine moderne und menschliche Stadt“ zukommen, das man in den nächsten zehn Jahren zu verwirklichen verspricht und in das alles, was gut und teuer ist, aufgenommen wurde — von einer Betrachtung über die „Gesellschaft von morgen“ bis zum Einbau einer Wagenwasch- und Desinfektionsanlage am Schlacht- und Viehhof. Das Programm der von Vizebürgermeister Oberfellner angeführten SPÖ ist schmäler. Dafür übt man aber Kritik an den — nach Meinung der SPÖ — nicht vorhandenen Finanzierungsvorschlägen beim ÖVP-Programm. In den Parteizentralen stellt man intern freilich ganz andere Überlegungen an, die in erster Linie personeller Natur sind. Allgemein wird zur Hatz gegen den Bürgermeister Dr. Alois Lugger geblasen, der als „Olympia-Louis“ im Jahre 1965 — also noch im Glanz der Popularität, den ihm die olympische Flamme 1964 geschenkt hatte — nicht nur seine absolute Mehrheit ausbaute, sondern .auch mit einem Stimmenanteil von 56,7 Prozent das für die ÖVP erreichbare Optimum — so der Innsbrucker VZ-Kreis — herausholte. In der ÖVP geht man nachdenklich dem Wahlgang entgegen, denn ihr „Olympiasieger“ Lugger ist „seit 1965 etabliert“ und nun „ist es ja populär, gegen das Establishment anzurennen“.

Es wird auch fleißig gegen das Stadtoberhaupt angerannt. Dies besorgen in erster Linie zwei bisherige ÖVP-Gemeinderäte — Dr. Posch und

Dr. Steidl — die nun für jene Organisation kandidieren, aus der sie hervorgegangen sind: Den Tiroler Arbeitsbund“. Sie kritisieren in erster Linie den „absolutistischen“ Amtsstil des Bürgermeisters und wollen „dafür sorgen, daß im Rathaus nicht länger ein demokratisches Bauerntheater aufgeführt, sondern die Strukturen der Kommunalpolitik nach Schweizer Modellen geändert werden“.

Der Amtsstil des Bürgermeisters wird aber auch von der SPÖ kriti-: siert, wenngleich man in dieser Partei nun Schwierigkeiten damit hat, die Oppositionsrolle glaubhaft an den Wähler zu verkaufen, denn bis her wurde im Innsbrucker Gemeinderat die überwiegende Mehrzahl der Beschlüsse einstimmig gefaßt. Für die SPÖ kommt dazu ein zweites Dilemma: Man muß die Innsbrucker davor warnen, Lugger zu stark zu machen, anderseits aber im Doppelwahlkampf für „Kreisky und sein Team“ um „klare Verhältnisse“ bitten.

An diesem Punkt hat auch Doktor Steidl mit seinem Arbeitsbund eingehakt. Er möchte „verhindern“, daß die SPÖ durch ein „sehr doppelzüngiges Spiel“ auf kommunaler Ebene („nach außen Opposition, nach innen wie im besten Koalitionsstil für die Gesamtpolitik voll mitverantwort lich“) und mit einer „heuchlerischen Politik die Früchte des Unvermögens der ÖVP“ einheimse.

Relativ wenig tritt in Innsbruck die FPÖ in Erscheinung, obwohl sie gleich mit zwei Listen kandidiert, die jedoch gekoppelt wurden und somit nur als taktisches Manöver anzusehen sind, dessen Ziel es ist, die Randschichten anzusprechen.

Dem einzigen KPÖ-Gemeinderat gibt man die wenigsten Chancen in diesem Wahlgang. Er dürfte von der SPÖ „inhaliert“ werden, wo man optimistisch ist und ganz offen auf den Gewinn von zwei Mandaten hofft. Das große Fragezeichen heißt auch bei dieser Rechnung wieder „Tiroler Arbeitsbund“. In Innsbruck billigt man Steidl & Co. ein Mandat — „zwei wären ausgezeichnet, drei eine ausgesprochene Sensation“ — zu. Und dazu Dr. Steidl: „Natürlich freuen wir uns, wenn wir ein Mandat erreichen, doch für eine schlüssige Rechnung fehlen die Erfahrungswerte.“

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