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Lugger und Liberalismus

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„Es müssen in dieser Stadt Menschen leben, die politische Verantwortung tragen, die in ihrer geisti-. gen Grundhaltung Politik als Sorge um das Gemeinwohl und Dienst am freien, Menschen verstehen, die außerdem ihr ideologische.!! Fundament gebaut haben und die Abgren-

zung gegenüber dem Marxismus, nicht nur gegenüber einem pragmatischen Sozialismus, kennen.“ Solche geistig-moralischen Qualitäten verlangt Innsbrucks Bürgermeister Alois Lugger von den künftigen Ge-meinderatskandidaten, die er als Spitzenkandidat in den Waihlkampf führen will. Seit 20 Jahren ist Lugger Oberhaupt der Tiroler Landeshau.pt-;»badt und nun hat sich die Inns-bnucker VP neuerlich auf diesen Mann ein/geschworen. Mit 92,5 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde Lugger am Stadtparteitag der ÖVP als Obmann wiedergewählt.

Die Situation der ÖVP ist in Innsbruck nicht gerade beruhigend. Wenn der Tiefpunkt von 46,8 Prozent; bei den Nationalratswahlen 1971 zwar durch das Resultat der Landtagswahl 1975 mit 50,5 Prozent überwunden wurde, so ist) der Sicherheitsabstand zu den Sozialisten äußerst

gering und außerdem haben auch die Freiheitlichen und der Tiroler Arbeitsbund noch ein wenig mitzureden, wobei die Stimmen der beiden Kleinfraktionen überwiegend auf Kosten der Volkspartei gehen.

Die Innsbrucker VP-Straiegen können es sich also nicht leisten, die Gemeinderatswahlen vom 9. Oktober 1977 auf die leichte Schulter zu nehmen. Lugger selbst ist sich des Ernstes der Lage wohl bewußt und er hat sich vor allem zwei Schachzüge zurechtgelegt: eine weitere Öffnung in Richtung „Liberalismus“ und eine spürbare Erneuerung der Wahlmannschaft.

Zwei Äußerungen des Innsbrucker Bürgermeisters am jüngst abgehaltenen Parteitag deuten darauf hin: „Es gilt, Mitbürger anzusprechen, denen in Innsbruck die Sicherung freiheitlichen Denkens und Handelns ein Anliegen ist“, sagte Lugger und ermahnte seine Parteifreurade, persönliche Wünsche zurückzustellen, um die „Einheit und Geschlossenheit der eigenen politischen Kraft zu garantieren“. Die Mandatsansprüche wurden denn auch in eher bescheidenem Ausmaß gehalten. Frauenbewegung und junge ÖVP meldeten gewisse Wünsche an und nur der Wirtschaftsbund fuhr für seinen Favoriten, Weiskopf, schwerere Geschütze auf, indem er eine eigene (mit der VP gekoppelte) Liste ankündigte, falls seinen Vorstellungen nicht entsprochen werde.

Es ist jedenfalls damit zu rechnen, daß Luigger die Hälfte der 20 sicheren Plätze auf Parteivorschlag, die anderen zahn jedoch „parteifrei, liberal“ nach eigenem Ermessen besetzen wind. Noch ist weit mehr als ein Jahr Zeit bis zu den Lnnsbnucker Gemeinderatswahlen. Die kommenden Monate werden zeigen, ob es dem „versierten Alten“ der Innsbrucker VP gelingt, die Partei einigermaßen geschlossen auf seine Linde zu vergattern oder ob die Machtgelüste einzelner Gruppen die Oberhand gewinnen. Vorerst scheint Dug-ger als altbewährter Retter aus kritischer Situation die Oberhand zu besitzen.

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