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Gefahr durch „politische Käufe“?

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„Es gibt gewisse Anzeichen, daß die Handelsbeziehungen mit den sozialistischen Ländern nicht mehr ausschließlich vom Standpunkt der beiderseits erzielten oder erzielbaren Gesamtergebnisse bestimmt sind“, sagte der Präsident der Bundeswirtschaftskammer Sallinger nach seiner Rückkehr vom jüngsten Moskau-Aufenthalt. Er umschrieb damit neue Aspekte im Osthandel und erklärte vieldeutig: „Der Außenhandel nimmt aus der Sicht unserer Nachbarländer nicht mehr die alleinige Funktion eines Instrumentes zur Erfüllung der jeweiligen nationalen Wirtschaftspläne ein.“

Welche Funktion erfüllt unser Osthandel aber wirklich? Vielleicht sollte man das mit den Worten des DDR-Ministers Solle umschreiben, der die Österreicher bei der Errichtung einer Außenhandelsstelle in Ostberlin wissen ließ: „Wir werten die Eröffnung der österreichischen Handelsvertretung in der Deutschen Demokratischen Republik als einen Schritt der Republik Österreich in Richtung auf Normalisierung der Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten.“

So gesehen, ist die Wirtschaft jener Anknüpfungspunkt zwischen Ost und West, über den hinweg man „salonfähig“ werden kann. Und es besteht freilich im Ostblock die feste Absicht, auf diesem Wege den Ausgleich zu erreichen und das Blockdenken zu überwinden. Selbst die Bundesrepublik hat jetzt mit dem neuen Handelsvertrag dieser Entwicklung neue Impulse gegeben. Auch das Daimler-Benz-Engagement in der Sowjetunion mit der Errichtung eines sowjetischen Lkw-Kombinats ist ein solcher neuer Schritt.

Bei diesen Ost-West-Kontakten kann der österreichische Osthandel auf die längste Tradition zurückblicken, nicht aber auf eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Im vergangenen Jahr sind unsere Gesamtexporte gegenüber 1968 um 21 Prozent auf nahezu 63 Milliarden Schilling gestiegen. Unsere Exporte in die EFTA-Länder sind um 42 Prozent und jene in den EWG-Raum um 25 Prozent gewachsen. Hingegen ist die Zunahme des Osthandels — einschließlich des Handels mit Jugoslawien — mit 12 Prozent eher bescheiden.

Experten sprechen in diesem Zusammenhang von der Stagnation des Ostgeschäftes. Denn der Anteü der

Oststaaten am österreichischen Gesamtexport betrug im Vorjahr 13,5 Prozent, während 1968 dieser Anteil bei 14,8 Prozent lag. Zählt man noch Jugoslawien dazu, dann waren es 1969 17,2 Prozent gegenüber 18,7 Prozent im Jahr 1968. Trotz dieser Entwicklung ist Österreichs Export in die Oststaaten relativ noch immer etwa dreimal so hoch wie der westeuropäische Durchschnitt. Auf der Einfuhrseite ist der Anteil der Oststaaten inklusive Jugoslawien mit 11,3 nur unbedeutend niedriger als 1968. Sieht man vom Passivum Österreichs im Handel mit China ab — es belief sich 1969 auf rund

138 Millionen Schilling —, so schloß das Ostgeschäft Österreichs mit den meisten Partnern aktiv und brachte einen Uberschuß von rund 1,4 Milliarden Schilling. Dazu kommt noch ein weiteres Aktivum in der Höhe von mehr als 1,1 Milliarden Schilling aus dem Geschäftsverkehr mit Jugoslawien.

Jugoslawien war auch jener Staat, mit dem Österreich die ersten engeren Handelsbeziehungen einigegangen ist: Schon im Jahr 1964 konnte die Multilateralisierung des Handels erreicht werden. Heuer ist es auch gelungen, mit der Sowjetunion einen neuen Handelsvertrag abzuschließen, der ab dem 1. Jänner 1971 in Kraft tritt.

Nunmehr tritt Österreich mit zwei Oststaaten in den multilateralen Zahlungsverkehr, was an und für sich bemerkenswert ist Österreich folgt damit einer Reihe von westlichen Staaten, die bereits vor Jahren ihre bilateralen Verträge mit dem Osten beseitigt und sie auf multilaterale Basis gestellt haben. Viele österreichische Betriebe befürchten aber, daß sie bei einer Multilateralisierung weniger nach dem Osten liefern können als dies bisher der Fall war, da die Oome-con-Staaten jene Devisen, die sie durch Exporte nach Österreich verdienen, in anderen westlichen Staaten zum Bezug von Waren benützen und somit mehr „politische Käufe“ tätigen werden.

Jugoslawien und die UdSSR sind allerdings im österreichischen Handelsverkehr mit dem Osten nicht mehr und nicht weniger als „Test-stationeh“ für den multilateralen Handel. Bewährt sich dieses System, so steht der Ausweitung auf alle anderen Oststaaten nichts mehr im Wege. So etwa ist die DDR an einem derartigen Abkämmen brennend interessiert. Und dann wird auch die Stagnation des österreichischen Osthandels überwunden werden können, die jetzt beiden Seiten noch Kopfzerbrechen macht

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