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Stabile Talsohle

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Zwischen 1970 und der Mitte des Jahres 1972 hat sich der österreichische Osthandel äußerst ungünstig entwickelt: im zweiten Halbjahr 1970 stiegen die Ostexporte um rund 3 Prozent; 1971 sanken sie im Jahresdurchschnitt um 0,5 Prozent und 1972 stiegen sie um (im internationalen Vergleich) bescheidene 4,9 Prozent. Die Flaute des Jahres 1970/71 war vor allem dem Exportrückgang in die UdSSR zuzuschreiben; die forcierte Flaute ab 1972 erstreckte sich auf alle Oststaaten mit Ausnahme Polens. Insbesondere fiel dabei der Rückgang der Exporte in die traditionellen Partnerländer, wie die CSSR und Ungarn, ins Gewicht.

Obwohl Österreichs Ostexporte im vergangenen Jahr weit hinter den Zuwachsraten anderer Industriestaaten zurückblieben — die Exporte der Bundesrepublik Deutschland wuchsen 1972 um 37,4 Prozent, die Exporte Japans um 49,4 Prozent, die der USA um 66,2 Prozent, die der Schweiz und Frankreichs um je 28,1 Prozent — wurde seitens des Wirtschaftsforschungsinstitutes erwartet, daß nun die Talsohle im Ostexport wahrscheinlich überschritten sei. Davon kann nun aber leider nicht mehr die Rede sein. Sowohl die De-facto-Aufwertung des Exportschillings um 2,25 Prozent als auch der im internationalen Vergleich überproportionale Preis-Kosten-Auftrieb haben den Konkurrenzvorsprung Österreichs weitgehend abgebaut. Zwar ist die durchschnittliche Änderung der Kurse im Export relativ gering, doch ist zu berücksichtigen, daß mit der Einführung der Mehrwertsteuer ab 1. Jänner 1973 das Subventionselement in den Exportrückvergütungen und das Schutzelement in der Ausgleichssteuer weggefallen ist und das Abkommen mit den Europäischen Gemeinschaften schon wegen der ungleichen Größe von Importen und Exporten insgesamt konkurrenzverschärfend wirkt. Zudem beeinflußt die Tatsache, daß die Fakturawährung häufig von der Währung, in der österreichische Exporteure ihre Produktionskosten bezahlen, insbesondere im Osthandel die Verhandlungsposition.

Es läßt sich demnach aus einer Vielzahl von Gründen (Preis-Kosten-Auftrieb, Export-Schilling-Aufwertung, Wegfall der Exportrückvergütung, Wahl der Fakturawährung) für den österreichischen Ostexport ableiten, daß sich der Marsch durch die bereits durchschritten geglaubte Talsohle bis auf weiteres fortsetzen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß sich Österreichs rhetorische Ausfälle gegenüber einigen Staaten des COMECON-Blocks sicherlich nicht günstig auf die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und dem Ostblock ausgewirkt haben.

Neben diesen wirtschaftlichen und politischen Gründen für den Rückgang beziehungsweise die Stagnation in der Entwicklung des österreichischen Osthandels sind aber auch noch immer nicht hinlänglich gemeisterte technische Gründe anzuführen. In Österreich gibt es noch immer nur sehr wenige leistungsfähige Exporthäuser, wobei sich vor allem für die Fertigwarenproduzen-ten nur wenige Möglichkeiten anbieten, den Auslandsabsatz einem inländischen Exporthändler zu übertragen. Einer der Ursachen für das Fehlen dieses Unternehmertyps dürfte sein, daß die Exporthandelshäuser ihre Tätigkeit während des Krieges weitgehend einstellen mußten und in der Nachkriegszeit in Österreich ungünstige Bedingungen für den Aufbau eines institutionellen Exportgroßhandels vorlagen. Dabei fehlte es insbesondere am risikoreichen Kapital für den Aufbau von Exporthandelsbetrieben, ganz abgesehen davon, daß die österreichische Binnenlage die Entwicklung eines Exporthandels eher erschwert. Die Absenz eines österreichischen Exporthandels führte insbesondere zu einer Konzentration österreichischer Exporte auf nur wenige Abnehmerländer (1968 waren 85 Prozent der österreichischen Exporte auf Europa konzentriert), dadurch zu einer größeren Konjunkturabhängigkeit und schließlich auch zu einer zunehmenden Abhängigkeit österreichischer Erzeuger von ausländischen Importhäusern beziehungsweise den Beschaffungsorganisationen der ausländischen Industrie, die unter Umständen zu einer Kapitalbeteiligung der wichtigen ausländischen Kunden bis zu einer völligen Betriebsübernahme führen kann.

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