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Hoffnungsmarkt im Osten

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Österreichs Exportwirtschaft boomt in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Trotz gewaltiger Probleme darf mit einem weiteren Florieren des Osthandels auch in Zukunft gerechnet werden.

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Österreichs Exportwirtschaft boomt in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Trotz gewaltiger Probleme darf mit einem weiteren Florieren des Osthandels auch in Zukunft gerechnet werden.

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Während die gesamten Exporte Österreichs in den ersten drei Quartalen 1991 um 3,1 Prozent zunahmen (im Vergleich zu den ersten drei Quartalen 1990), verzeichneten die heimischen Ostexporte (einschließlich Jugoslawien, Albanien und UdSSR) ein Wachstum von 11,2 Prozent - auf 37,2 Milliarden Schilling,

Die gesamten Importe Österreichs stiegen im erwähnten Zeitraum um 7,2 Prozent, die Ostimporte um zehn Prozent - auf 30,6 Milliarden Schilling. Die Oststaaten sind für heimische Exporteure der am raschesten wachsende Markt geworden und haben an Marktgröße die EFTA überholt. Belief sich der Anteil des Ostens an den österreichischen Gesamtausfuhren im Jahr 1989 (dem letzten Jahr des „eisernen Vorhanges") noch auf 9,9 Prozent (der Ostanteil an den Gesamteinfuhren war 6,8 Prozent), so betrug er in der Periode Jänner bis September 1991 10,6 Prozent (sieben Prozent).

Dabei zeigen sich zwischen den einzelnen Oststaaten erhebliche Abstufungen. Ostmitteleuropa (Ungarn, Tschecho-Slowakei, Polen), unsere unmittelbare Nachbarregion im Osten und Norden, erweist sich geradezu als Boomregion für den österreichischen Außenhandel. Die heimischen Ausfuhren nach Ostmitteleuropa kletterten um mehr als ein Drittel, die Einfuhren um ein Fünftel.

Zwang zur Reorientierung Anhaltende Überbewertungen östlicher Währungen spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Durch zu langes Festhalten an fixen Wechselkursen beziehungsweise verzögerte und dann zu geringe Abwertungen entsteht bei fortdauernden hohen Inflationsdifferentialen gegenüber westlichen Ländern ein Importsog, der die östlichen Leistungs- und Zahlungsbilanzen belastet.

Das Wirken der Überbewertung wird verstärkt durch die voranschreitende Importliberalisierung und den weiteren Übergang zur internen Konvertibilität in verschiedenen Oststaaten. Dazu kommt der Zwang zur Reorientierung des Außenhandels auf westliche Märkte infolge des Zusammenbruches des ehemaligen RGW und der Sowjetwirtschaft. Nicht zuletzt sind auch die guten Marktkenntnisse, die Flexibilität und rasche Reaktionsfähigkeit der österreichischen Unternehmen für die günstige Entwicklung verantwortlich. Immerhin ist es den heimischen Unternehmern seit dem Umbruch im Osten gelungen, ihren Marktanteil an den OECD-Ostexporten von 4,4 Prozent im Jahr 1989 auf 5,8 Prozent im ersten Quartal 1991 (neuere Daten liegen noch nicht vor) zu vergrößern. ,

Der Exportboom war am stärksten in Richtung Polen: +97,3 Prozent (Importe: +15,9 Prozent), was sich unter anderem aus der eklatanten Überbewertung de,s polnischen Zloty erklärt (Inflation in Polen: derzeit 70 Prozent). Die österreichischen Lieferungen nach Ungarn, dem wichtigsten Handelspartner im Osten, wuchsen in den ersten drei Quartalen 1991 gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres um 42,4 Prozent (Bezüge: +31,8 Prozent). Der Überbewertung des Forint wurde Anfang November durch eine Abwertung um sechs Prozent entgegengewirkt; ob sie ausreicht, ist fraglich (Inflation in Ungarn: derzeit 36 Prozent). Die mehrmalige Abwertung der tschecho-slowakischen Krone 1990 und Anfang 1991 und die Erhebung abgestufter Einfuhrzölle haben die österreichische Exportdynamik in die GSFR gedämpft (+3,2 Prozent). Hingegen gibt es Anzeichen, daß die verhältnismäßig günstige außenwirtschaftliche Situation von CSFR-Exporteuren zunehmend genutzt wird (+8,9 Prozent).

Die politischen Wirren und militärischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien ließen den Handel mit dem Balkanstaat in den ersten drei Quartalen 1991 schrumpfen (Ausfuhren: -17,2 Prozent, Einfuhren: -8,3 Prozent). Seit dem Ausbruch des „heißen Krieges" Ende Juni 1991 sackten die österreichischen Exporte um etwa ein Viertel ab. Dennoch bleibt Jugoslawien (vor allem Slowenien und Kroatien, mit denen etwa knapp zwei Drittel des jugoslawischen Handels abgewickelt werden) mit Abstand der wichtigste Handelspartner Österreichs in Südosteuropa, und nach Ungarn der zweitwichtigste Markt im Osten überhaupt - immer noch vor der UdSSR und der CSFR.

Exporte in das zahlungsunfähige Bulgarien stagnierten (-2,3 Prozent), Lieferungen nach Rumänien wuchsen (+ 13 Prozent), allerdings von bescheidenem Niveau aus - ein Erbe der Ceausescu-Ära.

Die österreichischen Ausfuhren an die sich im völligen Umbruch befindliche UdSSR und an die baltischen Staaten (eine getrennte Erfassung ist noch nicht möglich) schrumpften um 9,4 Prozent (Bezüge: +2,3 Prozent). Die (ehemalige) Sowjetunion ist derzeit das einzige Land im Osten, mit dem Österreich ein Handelsbilanzdefizit erwirtschaftet (im Zeitraum Jänner bis September 1991: 1,06 Milliarden Schilling). Die wachsenden Zahlungsprobleme der sowjetischen Betriebe und des Landes dürften Exporteure zur Vorsicht gemahnt haben.

Konsumgüter aus der CSFR Erfreulich ist, daß die Exportstruktur Osteuropas, besonders der ostmitteleuropäischen Länder-bei beträchtlich steigenden Gesamtexporten -sich von der Dominanz „planwirtschaftlicher" Güter (Rohstoffe, Öl und Öler-zeugnisse) auf ein größeres Gewicht „marktwirtschaftlicher" Güter (Konsumgüter, moderne Maschinen) verschiebt. So zum Beispiel verdoppelte sich der Anteil von Konsumgütern an den CSFR-Lieferungen nach Österreich in den ersten drei Quartalen 1991 gegenüber der gleichen Vorjahrespe-riode auf acht Prozent. Ähnliches gilt für die polnischen Exporte.

Der Anteil von Maschinen und Fahrzeugen an den Lieferungen der Tschecho-Slowakei nach Österreich wuchs von elf auf 14 Prozent; der traditionelle Maschinenexporteur CSFR wurde darin von den Magyaren überrundet: der Maschinenanteil an den ungarischen Lieferungen kletterte von neun auf 19 Prozent.

Für die kommenden Monate und für 1992 kann - unter anderem aufgrund der voraussichtlich fortgesetzten Überbewertung von Ostwährungen und der anhaltenden Rückorien-tierungs- und Re-Integrationsprozes-se mit West- und Mitteleuropa bei gleichzeitigen Finanzhilfen durch internationale Organisationen - ein weiteres Florieren des Osthandels erwartet werden.

Der Autor ist volkswirtschaftlicher Referent von International Business Research (IBR).

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