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Auf die Erstwähler wird es ankommen

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Bei der kommenden Wahl werden eine knappe halbe Million junger Menschen erstmals Nationalratsabgeordnete wählen können. 472.000 Jugendliche werden rein statistisch betrachtet über 17 der 183 Parlamentssitze entscheiden. Wen oder was werden sie wählen? Sind Prognosen zulässig?

Norbert, 19 Jahre und Erstwähler, weiß jetzt schon, daß er wählen wird und wen er wählen wird. „Aber ich kenne Freunde, die auch das erstemal dran sind und denen das egal ist.“ Er wußte allerdings nicht, daß die Anzahl der Jungwähler diesmal beinahe die Halbe-Million-Grenze überschritten hat. Der zwanzigjährige Günter, deklarierter Sozialist, ist NichtWähler. „Wenn die Sozialisten in Wien wieder etwas für die Jugend tun würden, tät's mich freuen. Das einzig Interessante war das ÖVP-Stadtfest. Da enthalte ich mich als Sozialist lieber der Stimme.“

Man rechnet damit, daß jeder vierte Erstwähler von seinem frisch erworbenen Wahlrecht nicht Gebrauch machen wird, 25 Prozent also der Wahl fernbleiben werden. Womit die Jugend insgesamt eine geringere Wahlbeteiligung aufweisen wird als der gesamtösterreichische Durchschnitt. Die Wahlbeteiligung der Gesamtbevölkerung hegt bei einer Nationalratswahl bei 85 bis 88 Prozent. Der gesamte Nichtwähleranteil beträgt also demnach „nur“ 12 bis 15 Prozent. Die von der SPÖ-nahen Jugendzeitschrift „Rennbahn-Expreß“ veröffentlichte Zahl von 30 Prozent Nichtwählern wird sowohl vom Bundesobmann der Jungen ÖVP, Josef Höchtl, wie auch von Meinungsforschungsinstituten bestritten. Höchtl: „Ich bin überzeugt, daß diese Zahl nicht stimmt. Die Zahl der jugendlichen NichtWähler wird unter 30 Prozent hegen.“

Fritz Karmasin vom Gallup-Mei-nungsforschungsinstitut' geht sogar weiter: Er glaubt, daß nur einer von vier jungen Menschen (25 Prozent) nicht wählen geht. Der Prozentsatz von Nichtwählern ist übrigens bei in Medien veröffentlichten Meinungsumfragen meistens eine unsichere

Größenordnung, denn hier sind oftmals auch jene Befragten mitgerechnet, die noch nicht wissen, wen sie wählen, oder einfach keine Angaben machen wollen.

Von 100 Jugendlichen, die zur Urne gehen werden, werden voraussichtlich 65 Stammwähler sein (sie wählen also entschieden eine Partei, der sie in Zukunft wieder ihre Stimme geben werden). Höchtl ist der Ansicht, daß 27 Prozent, also 127.000 Jugendliche, zur Zeit noch unentschlossen sind, wem sie ihre Stimme geben sollen.

Wie werden nun die Jungwähler stimmen? Fritz Karmasin: „Die Jugendlichen wählen heute ausgeglichener. Früher stimmten zwei von drei für die Sozialistische Partei,

heute liegt das Verhältnis ungefähr gleich.“

Diese Trendänderung soll sich seit der Nationalratswahl 1975 entwickelt und mehrere Gründe haben. Die Wahleinstellung der Jugendlichen soll gegenüber jener der Eltern anders geworden sein. So würden heute junge Menschen, deren Väter und Großväter sozialistisch gewählt haben, nicht unbedingt auch den Sozialisten ihre Stimme geben, was früher viel häufiger geschah. In Wien soll außerdem nach Ansicht Karmasins der ÖVP-Spitzenkandidat Busek sehr gut auf Jungwähler angesprochen und gleichzeitig die SPÖ nicht mehr ganz in ihrer Organisationsform dem jugendlichen Geschmack entsprochen haben.

Die SPÖ-Wahlplattform meint übrigens, daß „die Mitbestimmung der Jugend für die Weiterentwicklung der österreichischen Demokratie

notwendig ist“. Diese notwendige Mitbestimmung wird jedoch Meinungsbefragungen zufolge nur beschränkt angewandt - Höchtl: „Uber das politische Desinteresse der Jugend möchte ich etwas Grundsätzliches sagen: Es stimmt zwar, daß 56 Prozent der Jugendlichen der Politik kühl bis abweisend gegenüberstehen, der Prozentsatz älterer Wähler, die der Politik nicht gerade freundlich gesinnt sind, ist jedoch ähnlich. Und wenn dann Zahlen aus dem Zusammenhang gerissen werden, entsteht ein falsches Bild der Jugend. Die Junge ÖVP liegt übrigens in der Wählergunst der Jugend besser als die SPÖ, nicht zuletzt auf Grund der Volksabstimmung, bei der sich die Sozialisten als .Atompartei' deklarie-

ren und ihren liberalen Mantel ablegen mußten.“

Eine Vorschau darauf, wie das Ergebnis einer Wahl sein wird, ist nur nach Aufteilung des Prozentsatzes der Unentschlossenen möglich. Hier versuchen dann die Meinungsforscher, die Befragten auf Grund sonstiger Angaben (Mitgliedschaft bei „schwarzen“ oder „roten“ Vereinen) oder bezüglich des Wohnortes zuzuordnen: Befragte Personen, die über ihr Wahlverhalten keine Angaben machen und in einer typischen „Hochburg“ einer Partei wohnen -zum Beispiel der zehnte Wiener Gemeindebezirk für die Sozialisten, die Innere Stadt Wiens für die Volkspartei -, werden meistens auf Grund empirisch festgestellter Verhaltensweisen der jeweiligen Opposition zugeordnet.

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