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Heraus — hinein...

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Meinungsumfragen können einander widersprechen, bestätigen oder ergänzen. Wo sie einander bestätigen, ist nicht unbedingt etwas bewiesen, wo sie einander widersprechen, nicht unbedingt etwas widerlegt, wo sie einander ergänzen, die Menge an konkretem Wissen nicht unbedingt größer.

Wenn allerdings Meinungsforscher, von verschiedenen Voraussetzungen ausgehend, mit verschiedenen Fragestellungen zu ähnlichen Ergebnissen gelangen, sammelt sich mitunter etwas Wissen an. Zum Beispiel, im gegenständlichen Falle, über die österreichische Jugend. Wie zufrieden ist diese österreichische Jugend mit dem Staat?

Fragen, denen vor einiger Zeit vom Linzer Meinungsforschungsin-stitut IM AS zu Leibe gegangen wurde, und deren Ergebnis die Zeitschrift „ausMick“ der Jungen ÖVP referiert. Es läßt sich mit verschiedenen anderen Umfrageergebnissen anderer Provenienz auf den gemeinsamen Nenner einer Jugend bringen, deren politische Einstellungen sehr viel weniger, als mancher es gerne hätte, vom Generationskonflikt bestimmt sind, die sich aber auf der anderen Seite auch etwas mehr für Politik interessiert, als ihr gemeinhin zugetraut wird.

Wobei freilich nicht nur das Alter eine Rolle spielt. Das Linzer Institut bestätigt die naheliegende Vermutung, daß politisches Interesse und Bildung Hand in Hand gehen. Während etwa in der Gruppe der Maturanten und Hochschüller, nicht weniger als 20 Prozent ein ausgeprägtes politisches Bewußtsein aufweisen, sind es unter den Personen ohne Matura (Hauptschüler, Berufsschüler usw. eingeschlossen) nur acht, unter den Nur-Voliksschülem neun Prozent. Freilich sind aus diesem ein-prozentigen Plus an politischem Bewußtsein, das die Nur-Volksschüler gegenüber der Gesamtgruppe der Nichtmaturanten scheinbar aufweisen, keine Schlüsse zu ziehen: Derlei Unterschiede sind nicht auf gesellschaftspolitische Fakten, sondern auf die Ungenauiigkeit jeder Meinungsforschung zurückzuführen. Doch die Korrelation zwischen Bildung und politischem Bewußtsein ist evident.

Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen Alter und politischem Interesse. IMAS zufolge ist das politische Bewußtsein bei den 15-bis 17jähiigen am wenigsten ausgeprägt. Es erreicht bei den 22- bis 24jährigen einen Höchstwert. Wie zu erwarten war, ist politisches Bewußtsein bei der männlichen Jugend mit 14 Prozent wesentlich häufiger anzutreffen als bei den Mädchen (8 Prozent).

Doch wie soll man es sich, die Meinungsforschung insgesamt und daher auch die einzelnen Institut bekannteren Namens ernst nehmend, erklären, wenn IFES zufolge sich zwei Drittel der österreichischen Studenten „überhaupt nicht“ für

Politik interessieren, während in der IMAS-Umfrage nur zehn bis elf Prozent der 20- bis 24jährigen insgesamt erklären, sich nicht für Politik zu interessieren, wobei obendrein das politische Interesse mit der Bildung zunimmt?

Wer nach interinstitutioneller Harmonie sucht, dem wird wenigstens relativer Trost zuteil, wenn er die auf Eigenständigkeit beziehungsweise Abhängigkeit von der Herkunft zielenden Umfrageergefonisse vergleicht. Zwar beschränkt sich IMAS auf die Jugendlichen, wäh-

rend das „Journal für angewandte Sozialforschung“ (FURCHE 39/1974) die Österreicher insgesamt unter die Lupe nimmt, doch immerhin: IMAS zufolge bekennen sich 25 Prozent der österreichischen Jugendlichen zu „sehr ähnlichen“, 24 Prozent zu „ziemlich ähnlichen“ Ansichten, wie sie der Vater hat (oder hatte), während 16 Prozent „etwas andere Ansichten“ und 10 Prozent starke Unterschiede der Anschauungen einbekennen. Die andere, oben erwähnte Quelle registriert, daß 80 Prozent der sozialdemokratischen und 70 Prozent der christlichsozialen Väter, ihre politischen Präferenzen an die Kinder weitergeben konnten, während das deutschnationale Lager in den Nachkriegsgenerationen von den Großparteien aufgesogen wurde. Das ist ein Grad von Übereinstimmung, der sich sehen lassen kann.

IMAS zufolge ist die österreichische Jugend mit unserem politischen System halbwegs zufrieden: 55 Prozent erwiesen sich als „sehr“ bis „ziemlich“, weitere 24 Prozent ajs „etwas“ systemverhaftet. Aber verhaftet welchem System? Die Fragen, auf Grund deren dies ermittelt wurde, wirken eher an eine dem konservativen als dem sozialistischen System verhaftete Jugend adressiert.

Glanz und Elend der Meinungsforschung: Es kommt bei ihr nach wie vor oft das Ergebnis heraus, das vorher hineingelegt wurde. Und zwar nicht nur bei politischen Forschungsvorhaben. Oft genug erfahren auch die Hersteller von Konsum- und Verbrauchsgütern genau das, was sie hören wollen. Was aber die politischen und soziologischen Umfragen betrifft: Jede sagt etwas aus, aber jede etwas anderes, und nicht immer steht fest, was eigentlich. Die Suche

nach einem gemeinsamen Nenner ist meist hoffnungslos. Und zwar zum Glück für die Branche.

Das wußten schon die alten Römer: Haruspex haruspicem videns ridet. Frei übersetzt: Wenn Meinungsforscher einander begegnen, lächeln sie wissend.

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