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Willig, aber durchgefallen

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Breitet sich unter der Jugend Radikalität aus, gibt es einen immer stärker hervortretenden Hang zum Anarchismus und Nihilismus? Das Gegenteil ist der Fall — dies scheinen jedenfalls Untersuchungen zu beweisen, die zu diesem Thema während der letzten beiden Jahre von verschiedensten Instituten und auch kleinen privaten Gruppen durchgeführt wurden.

Das ,Anarcho-Tief“, das sich über Mitteleuropa breitmachte, ja selbst die Eskalation politischer und ideologischer Radikalität in allen möglichen Gesellschaftsbereichen hat Österreichs Jugendliche nur am Rand erfaßt.

Der Generationskonflikt beginnt hierzulande erst bei den unterschiedlichen Auffassungen über Unterhaltungsmusik — doch nicht bei der Politik. So konnten die IFES-Meinungsforseher in bezug auf die politische Meinungsbildung österreichischer Jungarbeiter starke „familiäre Bindungen“ orten, die wesentlich zur gegebenen Stabilisierung der politischen Verhältnisse und Lager beitragen. Der Einfluß der Väter — und überraschenderweise noch stärker jener der Mütter — setzt sich im Politverhalten der jungen Österreicher nachhaltig nieder. Gleich drei Viertel der Burschen und zwei Drittel der Mädchen machen die Partei und politische Anschauung der Eltern zur eigenen. Wenn sich bei den Mädchen allerdings mit zunehmendem Lebensalter hier mitunter etwas ändert, so führen das die Empiriker nicht auf Bewußtseinserweiterung, sondern auf Part-nertoindungen zurück.

„Undurchschaubarkeit“

Unterscheidet sich die politische Grundhaltung von alten und jungen Österreichern doch einmal, so bestenfalls darin, daß letztere offenen politischen Auseinandersetzungen aufgeschlossener gegenüberstehen und darin eine Belebung des demokratischen Elements sehen, gleichzeitig aber auch nach Politleitbildern in der Person älterer Menschen streben, was wiederum damit begründet wird, daß die differenzierten gesellschaftspolitischen Zusammenhänge und Vorgänge in der Indu'striegesellschaft nicht durchschaubar und somit auch nicht beeinflußbar scheinen, weshalb man sich seine personellen Fixpunkte in der politischen Landschaft als Orientierungshilfe sucht.

Pro - ö VP-Einstelhing?

Trotzdem geben wenigstens mehr als 60 Prozent der Mittelschüler an, sich grundsätzlich für Politik zu interessieren. Dieser Prozentsatz meldet auch die Bereitschaft dazu an, einen Freigegenstand „Politische Bildung“ zu besuchen, falls es einen solchen an Österreichs Mittelschulen geben würde. Diesen 60 Prozent der Mittelschüler stehen aber auch 35 Prozent solcher gegenüber, die sich den Luxus einer politischen Einstellung überhaupt nicht leisten. Insgesamt etwa 38 Prozent der Akademiker von morgen sind im Augenblick dazu entschlossen, Wahlen fernzubleiben.

Unter den verbleibenden Junior-Studiosi scheint die ÖVP nach wie vor deutlich in Führung zu liegen. Jedenfalls gaben 31,6 Prozent von 100 Gymnasiasten aus allen möglichen Bundesgebieten, die von einer Salzburger Mittelschülerzeitschrift befragt wurden, an, daß sie für die Volkspartei votieren würden. Für die SPÖ entschlossen sich nur 18 Prozent und der FPÖ verblieben 8,8 Prozent. Die des öfteren unter Schulbänken vermutete „rote Gefahr“ kann auch nicht allzu gefährlich sein, denn die Zahl der KPÖ-Anhänger beschränkte sich auf 1,2 Prozent. Wieweit diese Ergebnisse allerdings für die Zukunft repräsentativ sind, steht auf einem anderen Blatt — nämlich dem der Zusatzfragen: So fühlen sich die Volkspartei-Fans vor allem aus ideologischen Gründen der ÖVP verbunden, treten aber etwa für die Abschaffung des Bundesheeres und die Freigabe der Schwangerschaftsunterbrechung ein.

Es scheint eben auch bei den Mittelschülern an politischem Wissen zu mangeln, wofür es neben den angeführten noch weitere Indizien gibt. Im Zuge dieser Salzburger Befragung konnten die allerwenigsten Gymnasiasten etwas Konkretes mit den Worten Allende, Pentagon-Papers, Kommunismus oder Faschismus anfangen; allerdings wußten 78 Prozent der Getesteten das genaue Datum der Schlacht von Issos.

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